Es fällt schwer, einem Land zu helfen, das sich den Beitritt in die Eurozone erschlichen hat. Genauso schwer fällt es, ein Land zu stützen, das seine Staatsausgaben durch großzügige Geschenke an seine Bediensteten hat ausufern lassen und sei ne Steuern nur nachlässig und lax erhebt.
Aber nicht nur Griechenland hat über seine Verhältnisse ge lebt, sondern auch viele andere Staaten in der Eurozone ha ben das getan. Sie haben sie genannt. Mittlerweile wurde dort ein gewaltiges Staatsdefizit aufgebaut.
Auch wir Deutschen und wir Baden-Württemberger sind nicht ganz ohne Sünden. Das wird uns in Zukunft noch viel Arbeit abverlangen.
Im Fall Griechenlands hat sich die Verwundbarkeit der Wäh rungsunion allerdings vollends offenbart. Künftig sind des halb drei Aufgaben zu lösen:
Erstens: Der Stabilitäts- und Wachstumspakt muss reformiert werden. Denkbar wäre, eine Schuldenbremse nach deutschem Vorbild auf der europäischen Ebene zu verankern. Die Über wachung der Einhaltung der Stabilitätskriterien, die bisher sehr lax gehandhabt wurde, ist strenger, intensiver und effizi enter durchzuführen. Es kann nicht sein, dass gerade bei neu en Mitgliedern die Überwachung besonders lax gehandhabt wird.
Zweitens: Sanktionen, die nur angekündigt, aber letztlich nicht vollzogen werden, nützen nichts. Deshalb sollten wir beim Er reichen von Schwellenwerten automatisch sofort Sanktionen in Gang setzen. Die bisherigen Verfahren haben die Sünder geradezu ermuntert, wie bisher weiterzumachen, weil es bei Sanktionen immer Ausnahmen gab.
Drittens: Um den Druck auf die Defizitsünder zu erhöhen, sollte nicht nur ein freiwilliger Austritt, sondern auch ein zwangsweiser Ausschluss aus der Eurozone möglich sein, und dies sollte künftig als Sanktionsmöglichkeit im Katalog ver ankert werden. Wer Kredite an andere Länder vergibt, muss sich darüber im Klaren sein, dass die Gelder ausfallen können.
Meine Damen und Herren, wir sollten alles tun, damit aus der griechischen Tragödie keine europäische Tragödie wird.
Der Rettungspakt für Griechenland beinhaltet einerseits einen Förderteil, der den Griechen hilft, ihre Misere zu bewältigen. Aber er beinhaltet andererseits auch einen Teil mit strengen und harten Forderungen. Das Paket steht unter dem Motto „Fördern und fordern“. Beides gehört zusammen. Die Ergeb nisse sollten aber streng kontrolliert werden.
Da mein Vertrauen in die EU-Kontrollen zumindest beschä digt ist, bin ich froh, dass der Internationale Währungsfonds genau dort an Bord ist. Er verfügt über die nötige Erfahrung, damit die Kontrollen effizienter, exakter und strenger durch geführt werden.
Wir können nur hoffen, dass sich der Horizont in Griechen land und in Europa insgesamt weitet und bei allen Beteiligten die notwendige Einsicht in die Situation einkehrt.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP sowie des Abg. Winfried Kretschmann GRÜ NE – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)
Werter Herr Präsident, Kollegin nen und Kollegen, meine Damen und Herren! „Die Auswir kungen der Krise in Griechenland auf Baden-Württemberg und die politische Verantwortung des Landes“ lautet die Über schrift dieser Aktuellen Debatte. Ich will, ähnlich wie Kolle ge Kretschmann, zur politischen Verantwortung zunächst sa gen: Es gehört dazu, dass wir als Politiker in Deutschland da für werben, die Menschen in Griechenland im Blick zu haben und gegen Ressentiments zu stehen. Auch müssen wir wissen, dass drei Viertel der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Griechenland nicht im öffentlichen Dienst arbeiten und für sie eine nicht einfache Zeit ansteht.
Deswegen muss auch klar sein: Viele Menschen werden es so sehen, dass es vorrangig darum geht, Kredite in Höhe von 45 Milliarden € an Griechenland abzusichern, die deutsche Banken anderen Banken geben, und dass es vielleicht weni ger um die Kolleginnen und Kollegen in Griechenland geht, die gerade schwierige Zeiten vor sich haben. Deswegen sage ich: Es gibt für uns eine Grundverantwortung, für die Grie chen etwas zu tun, weil es wichtig ist, klarzustellen, dass auf diesem Kontinent künftig eine Ordnung herrschen wird, bei der die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen wieder mehr als bisher im Mittelpunkt stehen.
Die Auswirkungen auf Baden-Württemberg kann man, wenn man es ernst nimmt, eigentlich nüchtern zusammenfassen. Un ser Land ist mit seinen Maschinen der Ausrüster der Welt und wird sich dort, wo es keine Eurozone gibt – etwa im Dollar raum –, durch die Veränderung in den Währungsparitäten in den nächsten Monaten vielleicht sogar etwas leichter tun. Gleichzeitig wird es Schwächen innerhalb der europäischen Volkswirtschaften geben, die für uns wiederum hinderlich sind. Wie das unter dem Strich ausgeht, weiß man nicht.
Mit Sicherheit wird Baden-Württemberg aufgrund des insge samt steigenden Zinsniveaus auch schwierigere Bedingungen haben, im Aufschwung tatsächlich wieder seine volle Kraft zu entfalten. Das sind Punkte, die, wenn man über Auswir kungen in Baden-Württemberg redet, in diese Debatte gehö
Ich will deswegen schon auf den Kernpunkt eingehen, Herr Kollege Kretschmann: Es gibt in der Bevölkerung ein Bro deln. Die Menschen sind verunsichert, und sie haben die kla re Erwartung an die Politik, dass wir nach Lehman und nach Griechenland dafür Sorge tragen, dass es kein drittes Mal ei nen solchen „Unfall“ gibt. Die Menschen dürfen nun kein drit tes Mal den Eindruck haben: Wir haben damit gar nichts zu tun, aber alles wirkt sich auf uns aus. Das darf nicht mehr pas sieren.
Als Oliver Stone seinen Film „Wall Street“ – ich glaube, vor zwei Jahrzehnten – in die Kinos gebracht hat, war das eine Parabel über die Loslösung der Finanzwirtschaft von der Re alwirtschaft. Die Hauptfigur, von Michael Douglas verkör pert, heißt übrigens – für Cineasten interessant – „Mister Gek ko“. So heißt auch ein Tier, das in lauen griechischen Näch ten die Wände hochklettert. Da schließt sich der Kreis.
Aber in Wirklichkeit geht es bei dem Film um etwas ganz Wichtiges, nämlich darum, dass bereits sehr früh eine Fehl entwicklung gesehen worden ist, für die wir heute in vielerlei Hinsicht büßen. Sie lautet: Die Finanzwirtschaft löst sich von der Realwirtschaft. Wir haben die Aufgabe, Regeln einzufüh ren, damit die Finanzwirtschaft wieder eine dienende Rolle für die Realwirtschaft hat
und sich nicht – polemisch gesprochen – 24-jährige BWL-Ab solventen zum „Master of the Universe“ aufschwingen und darüber reden, ob es ein AAA- oder ein AA-Rating gibt, wo durch eine völlig unverhältnismäßige Situation in der Welt eingekehrt ist, die aus meiner Sicht politisch korrigiert wer den muss, weil hier etwas aus der Balance geraten ist.
(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der CDU, der Grünen und der FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das stimmt!)
Meine Damen und Herren, ich will mich nicht auf Frau Mer kel konzentrieren, die durch ihr Zaudern die Zinsen hochge trieben hat und am Ende doch die Realität anerkennen muss te. Ich will mich auch nicht darauf konzentrieren, dass die Menschen darüber lächeln, dass unsere deutschen Banken sich freiwillig bereit erklären, gerade einmal 2 Milliarden € bereit zustellen, und damit im Grunde genommen den Ärger nur stei gern.
Ich will drei Punkte nennen, die für uns wichtig sind und bei denen die baden-württembergische Politik auch gefordert ist. Ich bitte Sie, werte Herren und Damen von der Regierung, sich zu äußern, ob Sie das unterstützen.
Erstens: Wir brauchen die Durchsetzung von Regeln auf den Finanzmärkten. Die erste wichtige Sache sind strikte und kla re Regeln. Ich nenne als Beispiele nur den Produkt-TÜV für riskante Produkte oder auch eine insgesamt etwas herunter gezonte Rolle der Ratingagenturen, die sich zu einer Rolle aufschwingen, die ihnen nicht zusteht. Aber dann brauchen wir auch eine europäische Ratingagentur, die in der Lage ist,
Zweitens brauchen wir – da hat Herr Haasis uns heute Mor gen unterstützt – eine europäische Finanzmarktsteuer. Diese ist angesagt. Sie ist im politischen Konsens erreichbar, und wir werben auch in Baden-Württemberg dafür. Sie kann mit dafür sorgen, dass wir wieder zu einer Entschleunigung des Wirtschaftsgeschehens kommen, und dazu, dass wir wieder tilgen können, was in der Krise an verloren gegangenem Ka pital bei den Staaten angefallen ist. Kolleginnen und Kolle gen, wir brauchen eine europäische Finanzmarktsteuer.
Drittens: Es würde sich lohnen, im Landtag eine Debatte in großem Stil – dafür haben wir heute nicht die Zeit – darüber zu führen, dass wir eine abgestimmte europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik brauchen. Die wird aber nicht nur für Grie chenland gelten. Es ist nicht damit getan, zu sagen: „Die Tat sache, dass 25 % der Beschäftigten in Griechenland im Staats sektor arbeiten, und die dort zu beobachtende Bedienungs mentalität können wir uns in Europa nicht mehr leisten.“ Viel mehr wirkt das auf uns selbst zurück.
Selbstverständlich wird man, wenn man A sagt, auch B sagen müssen. Das heißt, insgesamt wird über Politiken von Län dern in Bezug auf Europa diskutiert werden, und zwar auch über unsere Politiken. Diejenigen, die hier immer so gern den Schild der Subsidiarität hochhalten, werden dann merken, dass diese Subsidiarität zwar wichtig ist, etwa bei der Durchset zung der kommunalen Selbstverwaltung, dass sie aber kein Schutzschild ist. Mit der Art und Weise, wie wir etwa mit der Umwelt oder mit den Rechten von Minderheiten umgehen, können wir durchaus auch Gegenstand der Diskussion in an deren Ländern sein.
Europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik kohärent abzu stimmen wird bedeuten, dass wir uns proaktiv in die europä ischen Politiken einbringen müssen. Wenn wir das nicht tun, werden die Entscheidungen von Bürokraten durchgesetzt, nicht von Parlamenten. Deswegen werden wir als Parlament, auch als Landesparlament, künftig eine aktivere Rolle in Eu ropa spielen müssen, Kolleginnen und Kollegen.
Ich kann am Ende nur sagen – meine Redezeit ist demnächst abgelaufen –: Das Beispiel lehrt uns, dass es keine getrennte Verantwortung in den verschiedenen Bereichen gibt. Das er warten die Menschen auch von uns. Es gibt keine Trennung zwischen privater und öffentlicher Verantwortung. Es gibt ei ne öffentliche Verantwortung insgesamt, die wir als Parlament wahrnehmen müssen. Politik braucht dies in der jetzigen exis tenziellen Situation, in der sich viele Menschen befinden, um ihrer Glaubwürdigkeit gerecht zu werden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst eine Bemerkung auf einen Ein wurf des Kollegen Dr. Mentrup: Ich war noch nie in Griechen land im Urlaub und werde daher davon auch nichts erzählen.
(Abg. Dr. Frank Mentrup SPD: Das hatte ich mir ge dacht! – Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Das woll ten wir auch gar nicht wissen!)
Eine Frage, Herr Kollege Kretschmann, habe ich aber schon, nämlich: Warum führen wir heute diese Debatte hier im ba den-württembergischen Landtag?