Protocol of the Session on May 5, 2010

Wenn die Landesverfassung und das Schulgesetz von BadenWürttemberg ernst genommen werden sollen, dass jeder jun ge Mensch ein seiner Begabung entsprechendes Angebot be kommt, also einen Anspruch auf dieses Angebot hat, dann ist es überfällig, dass wir in den beruflichen Gymnasien die Gleichstellung mit den allgemeinbildenden Gymnasien her beiführen. Das ist das Ziel unseres Antrags, und wir werden Sie aus dieser Diskussion nicht entlassen. Wir wissen, dass wir die Eltern hinter uns haben, die Lehrerschaft hinter uns haben und auch die Schulträger hinter uns haben; denn das Raumthema stellt sich binnen Kurzem überhaupt nicht mehr. Wir haben zurückgehende Schülerzahlen in den Berufsschu len; da gibt es jetzt Räume zuhauf, in denen man das machen kann. Wir haben auch Berufskollegs. Man muss nur umschich ten.

(Unruhe bei der CDU)

Ihnen fehlt der Wille, die Realschüler an dieser Stelle mit den Gymnasialschülern gleichzustellen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Sie wollen für die jungen Leute planen; wir wollen die Frei heit.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das ist der Punkt! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: So ein „Geschmie del“!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Ber roth.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sowohl das berufliche Gymnasium als auch die du

ale Ausbildung sind Schmuckstücke der Bildungslandschaft in Baden-Württemberg.

(Beifall der Abg. Hagen Kluck FDP/DVP und Hel mut Walter Rüeck CDU)

Ich halte es für völlig unangemessen, wenn einzelne Redner versuchen, diese beiden Ausbildungsgänge gegeneinander auszuspielen.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Das macht nur die Frau Schick!)

Nein, Sie haben damit angefangen. – Um es einmal klar zu sagen: Beide brauchen den Ausgleich des strukturellen Lehrer stundendefizits, das an unseren beruflichen Schulen besteht. Es ist eine wichtige Aufgabe für die nächsten Jahre, dass wir das hinbekommen.

Noch einmal, Herr Schmiedel: Ich habe mich deutlich dage gen ausgesprochen, Rechtsansprüche, egal welcher Art, wei ter zu konstruieren, weil sie uns nicht weiterhelfen. Diese ma chen Probleme, sind unflexibel und kosten weit mehr Geld, als sie Nutzen bringen. Deswegen sind wir generell gegen Rechtsansprüche.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Sie haben doch selbst ge sagt, es koste nichts!)

Aber was ein Rechtsanspruch später kostet, wenn er einmal im Gesetz steht, weiß man nicht.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich bin generell dagegen, Rechtsansprüche zu verankern. Ich bin dafür, vernünftige Politik zu machen. Das traue ich unse rer Regierung durchaus zu.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Claus Schmiedel: Wenn es kein Problem gäbe, müssten wir keinen Rechtsanspruch machen!)

Es liegen keine weiteren Wortmel dungen vor.

Der Berichtsantrag Drucksache 14/6037 ist mit der heutigen Aussprache erledigt.

Der Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes, Druck sache 14/6247, wird zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Schule, Jugend und Sport überwiesen. – Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Den können wir auch gleich ablehnen! – Gegenruf der Abg. Andrea Krue ger CDU: Genau! Wir können ihn auch gleich ableh nen!)

Damit ist Tagesordnungspunkt 1 erledigt.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Die Auswirkungen der Krise in Grie chenland auf Baden-Württemberg und die politische Ver antwortung des Landes – beantragt von der Fraktion GRÜNE

Es gelten die üblichen Redezeiten: fünf Minuten für die ein leitenden Erklärungen und fünf Minuten für die Redner in der zweiten Runde.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kretschmann.

Herr Präsident, mei ne Damen und Herren! Die Krise in Griechenland ist nicht nur eine Krise des Euro. Es ist eine Krise Europas. Am europäi schen Haus tun sich vor allem an der Südseite Risse auf. Wir Europäer müssen jetzt nicht nur die Risse kitten, sondern wir müssen auch das Fundament und die Strukturen stärken, wenn wir Europa vor dem Abbröckeln und vor dem Einsturz bewah ren wollen.

Mehr noch als andere hat Deutschland und hat insbesondere Baden-Württemberg als außenwirtschaftlich dicht verflochte nes Land gute Gründe, die Stabilität der gemeinsamen Wäh rung, den Wert des gemeinsamen Wirtschaftsraums zu schät zen und zu schützen. Nebenbei bemerkt ist unsere Landes bank mit 2 Milliarden € in Griechenland engagiert. Die deut schen Banken zusammen sind es mit 40 Milliarden €. Es wird noch zu klären sein, ob das Engagement der Landesbank in Griechenland dem Geschäftsmodell entspricht, das wir für sie propagieren, oder nicht.

(Beifall bei den Grünen)

Würden die Eurostaaten jetzt nicht helfen, so wäre das auch ein negatives Signal an die Finanzmärkte. Das beträfe auch andere Länder wie Portugal, Spanien oder Irland. Ein weite res Zögern hätte die Krise verschärft. Wenn sich die Finanz märkte von den Anleihen dieser Länder auch unter Wert ge trennt hätten, hätte dies zu einer unabsehbaren Gefahr und La wine für die gesamte Eurozone führen können. Deswegen war es richtig, so zu handeln.

Die Europäer müssen in der ersten großen Krise seit Beginn der Währungsunion zusammenstehen. Sonst wird Europa nicht nur ein wirtschaftliches, sondern auch ein politisches Rollback erleben. Die nationalistischen Geier warten schon auf das Scheitern des Euro.

Zusammenstehen heißt aber nicht, dass nun alle paar Monate eine Rettungsaktion im dreistelligen Milliardenbereich not wendig wird. Im Gegenteil: Einen zweiten Fall wie in Grie chenland darf es nicht geben. Die Rettungsaktion für Grie chenland hat u. a. auch genau diesen Zweck.

Griechenland und alle anderen müssen auf den Pfad der fi nanzpolitischen Nachhaltigkeit zurückfinden und zurückge führt werden. Ich sage deutlich: Wer am europäischen Tisch sitzen will, muss sich auch an die europäischen Tischsitten halten. Das gilt für alle.

(Beifall bei den Grünen und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Im Zusammenhang mit der Krise in Griechenland gibt es nun von allen Seiten Rufe nach einer strengeren Regulierung der Finanzmärkte. Diese sind richtig. Aber dies ist nicht der Kern des griechischen Problems.

Spekulanten können nur dort aufspringen, wo es schon Schief lagen und Risiken gibt. Die Spekulation an den Finanzmärk

ten hat die Krise nicht ausgelöst, sondern ausgenutzt, verstärkt und beschleunigt. Die Notwendigkeit einer wirksamen Regu lierung der Finanzmärkte war schon vor dem Fall Griechen land längst offenkundig. Diese Regulierung ist ein absolutes Erfordernis – jetzt natürlich umso mehr.

(Beifall bei den Grünen)

Das beste Rezept gegen Spekulation heißt daher nachhaltige Finanzpolitik und stabile Staatsfinanzen. Das heißt, die Aus gaben müssen sich an den Einnahmen ausrichten.

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Verursacher der Schieflage in Griechenland ist in erster Linie natürlich der griechische Staat selbst. Die Hauptursachen lie gen dort in einer Klientelpolitik, in einem aufgeblähten öffent lichen Sektor mit maßlosen Privilegien, finanziert auf Pump. Die Folge ist eine Neuverschuldung in Höhe von 14 % des Bruttoinlandsprodukts. Das hat natürlich die Finanzmärkte aufgeschreckt.

In Griechenland liegt das effektive Aufkommen der Einkom mensteuer bei 4,7 % des Bruttoinlandsprodukts, verglichen mit 10,4 % im EU-Durchschnitt und 7 % in Deutschland. Nach dem Weltbild der FDP herrschen also in Griechenland offenbar paradiesische Verhältnisse.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Hier sehen Sie, Herr Rülke, wohin Ausbeutung des Staates und Finanzierung auf Pump, maßlose Steuersenkungen auf Pump führen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zurufe der Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP und Jürgen Walter GRÜNE)

Ein Punkt, der in der Debatte über die Ursachen häufig ver gessen wird, sind die exorbitanten Rüstungsausgaben in Hö he von fast 5 % des Bruttoinlandsprodukts. Das sind zwei Pro zentpunkte mehr als im Durchschnitt der OECD.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Sind das auch Vorschläge der FDP?)

Das Volumen beträgt ungefähr 5 Milliarden €. Das entspricht ungefähr den Zinsausgaben für Darlehen von 120 Milliarden € bei einem normalen Zinsniveau. Man muss auch sagen: Un sere Rüstungsexporte, die ja die höchsten in Europa sind, sind ebenfalls ein Grund für diese griechische Schieflage.

(Beifall bei den Grünen)