Protocol of the Session on October 11, 2006

Die Gewerbesteuer, die die Einzelunternehmen bezahlen, kann in Zukunft bis zu einem Hebesatz von 380 % von der Einkommensteuerschuld abgezogen werden. Das heißt, das Einzelunternehmen wird zwar Gewerbesteuer zahlen, aber keine tragen – um auch das einmal mit aller Deutlichkeit zu sagen.

Noch einmal: Wenn ein Einzelunternehmen eine bestimmte Summe an Gewerbesteuer zahlt, wird diese von der Einkommensteuerschuld abgezogen, sodass die Gesamtbelastung nicht höher als die Einkommensteuerschuld sein kann.

Das ist sogar noch eine ganz witzige Sache: Es wird bis zu einem Hebesatz von 380 % abgezogen. Der Durchschnittshebesatz in Baden-Württemberg beträgt aber 360 %. Das heißt, wenn da nicht noch nachjustiert wird, werden manche von der ganzen Sache bei der Gewerbesteuer – ein Gewerbesteuerzahler bzw. Gewerbesteuerempfänger hier nickt schon – eventuell sogar profitieren. Darüber wird sicher noch zu sprechen sein.

Ein letztes Problem – das ist eines, das noch nicht ganz gelöst ist – ist die Frage der Verbreiterung der Bemessungsgrundlage. Zunächst einmal: Es freut mich, Herr Schmid, dass Sie gesagt haben, man sei mit den 5 Milliarden € einverstanden. Ich hatte den Eindruck, dass Teile der SPD dem noch nicht zugestimmt haben.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Sie wollten immer 8 Milliarden €!)

Ja, ja. Aber Sie haben vorhin gesagt – – Wir wollen es eigentlich nicht. Wir haben gedacht, es wäre notwendig, damit die Reform wirklich wirkt. Ich habe kein Interesse an Steuerausfällen – damit wir uns richtig verstehen. Unsere Hoffnung ist aber, dass sich die konjunkturelle Lage eben verbessert und mehr in Deutschland versteuert wird. Vielleicht sollte man gar nicht so sehr auf den Konjunkturverlauf hoffen, sondern darauf, dass in Deutschland mehr versteuert wird, dass, wie es so schön heißt, mehr Steuern zurückgeholt werden. Denn dann sind wir genau beim letzten Problem, bei dem – –

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Wie ist denn das jetzt mit der Abgeltungssteuer?)

Ja, ja. Die Abgeltungssteuer ist aber das geringste Problem.

Jetzt muss ich doch noch einmal auf die Finanzierungskosten zurückkommen. Da bringt z. B. – das kann man hier sagen, weil es in allen Zeitungen stand – der Finanzsenator von Hamburg immer das Beispiel, dass ganz große Unternehmen, die hier bei uns angesiedelt sind, hier keine Steuern zahlen müssen, weil sie sich durch ein verbundenes Unternehmen auf den Cayman-Inseln oder sonst irgendwo Geld leihen, denen dann die Zinsen überweisen, und dort werden die Zinsen so gut wie nicht versteuert, während bei uns kein Gewinn oder nur ein sehr geringer Gewinn anfällt. Es ist ein Riesenproblem, wie man das in den Griff bekommen soll.

Dazu ist von Steinbrück etwas vorgeschlagen worden. Da hat zunächst auch ein Ministerpräsident der Union mitgemacht. Viele Köche und so. Gut.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Die falschen Köche, meinen Sie wohl! – Heiterkeit des Abg. Oswald Metzger GRÜNE – Abg. Oswald Metzger GRÜ- NE: Wenn die „Koch“ heißen!)

Da besteht natürlich das Riesenproblem, dass eventuell auch dann Gewinnsteuern zu zahlen sind, wenn keine Gewinne anfallen, und dass es gerade Unternehmen, die wenig Eigenkapital und wenig Gewinn haben, in der Tat passieren könnte, dass sie dann, wenn sie keinen Gewinn haben, Körperschaftsteuer zahlen müssen. Das hat man dann etwas abzumildern versucht, indem man gesagt hat, man könne die Verluste dann auf die kommenden Jahre übertragen und verrechnen. Ich habe aber den Eindruck, dass man in der Zwischenzeit davon abgekommen ist. Die Versteuerung der Zinsen möchte auch Herr Steinbrück nicht mehr, wenn ich ihn kürzlich in Mannheim richtig verstanden habe. Das Ganze ist kompliziert. Ich will jetzt nicht in Einzelheiten gehen.

Deswegen hat man heute wohl eher die Absicht, die sogenannte Gesellschafterfremdfinanzierung nach § 8 a des Körperschaftsteuergesetzes zu verschärfen. Aber das wird sehr technisch. Man will eventuell eine Grundsteuer C, die Sie vorhin genannt haben, einsetzen, sodass im Grunde genommen ertragsunabhängige Bestandteile besteuert würden.

Alles in allem, meine Damen und Herren, glaube ich, dass diese Steuerreform durchaus für Deutschland etwas bringen wird. Ich möchte aber doch am Ende noch einen Satz sagen. Meines Erachtens ist die Steuer wichtig. Aber viel wichtiger wäre, dass auf dem Arbeitsmarkt einiges geschieht. Wenn ich unsere gesamte Situation sehe, denke ich: Man ist auf dem richtigen Weg. Man ist sich meines Erachtens aber noch nicht in allen Punkten einig.

Zur Erbschaftsteuer: Auch da ist der Weg richtig. Ich glaube nicht, dass es funktionieren wird, wenn man eine Betriebsfortführung über zehn Jahre verlangt. Wer so etwas verlangt, der negiert, dass sich innerhalb von zehn Jahren in einem Unternehmen vieles ändert. Auf der anderen Seite kann man natürlich sagen – ich habe es am Anfang immer et

(Minister Gerhard Stratthaus)

was volkstümlich, aber verständlich ausgedrückt –: Es kann niemand eine riesige Mineralölgesellschaft erben – Royal Dutch oder sonst etwas – und anschließend eine Tankstelle weiterführen mit dem Argument, er hätte das Unternehmen weitergeführt.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Die wesentli- chen Bestandteile! – Zuruf des Abg. Rainer Sti- ckelberger SPD)

Da müssen wir eine vernünftige Lösung finden. Das ist schon wichtig. Natürlich liegt der Sinn, jemanden von der Erbschaftsteuer freizustellen, darin, dass das Unternehmen weiterarbeitet, und nicht, dass das Vermögen im Verhältnis zum anderen Vermögen gesichert wird. Aber da gibt es, wie mir meine Fachleute sagen, mit dem Umwandlungssteuerrecht Möglichkeiten, wie man das durchaus in den Griff bekommen kann. Aber jetzt würde es zu kompliziert werden.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich bin überzeugt, wir sind auf dem richtigen Weg.

(Beifall bei der CDU – Zurufe der Abg. Claus Schmiedel und Wolfgang Drexler SPD)

Herr Abg. Dr. Schmid hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die CDU schweigt. Ich will jetzt aber doch noch einmal etwas sagen, weil auch der Beitrag des Finanzministers deutlich gemacht hat, dass das, was Finanzminister Steinbrück an den Anfang der Diskussion über die Unternehmensteuerreform gestellt hat, richtig war, nämlich zu sagen: Wir gehen weg von diesen großen Fragen und großen Theoriegebäuden, die auch in verschiedenen Gutachten zum Tragen gekommen sind, hin zu einer problemorientierten Lösung, die die deutsche Wirtschaft im internationalen Wettbewerb, vor allem im europäischen Wettbewerb etwas stärker macht. Deshalb will ich zu ein paar dieser großen Fragen Stellung nehmen und meine Meinung dazu sagen.

Das erste große Thema, die Rechtsformneutralität der Besteuerung – derzeit gibt es eine unterschiedliche Besteuerung von Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften – hat man relativ weit zurückgestuft. Da ist man auf einem pragmatischen Weg. Weshalb? Weil man festgestellt hat, dass über 90 % der Personengesellschaften weit weniger Steuern zahlen, als selbst bei einer reformierten Körperschaftsteuer zu zahlen wären, nämlich deutlich unter 30 %, sodass eine Einbeziehung der Personengesellschaften in ein reformiertes Unternehmensteuerrecht auf Basis der Körperschaftsteuer ohne Freibeträge, mit Zugriff auf den ersten Euro Gewinn gleich mit dem Definitivsteuersatz von meinetwegen 25 %, ein Nachteil für die Personengesellschaften wäre. Deshalb tun wir gut daran, das Thema Rechtsformneutralität etwas zurückzustufen und da pragmatische Lösungen zu finden.

Das zweite große Thema ist die Frage der Gleichbehandlung oder unterschiedlichen Behandlung von ausgeschütteten und von thesaurierten Gewinnen. Auch da ist man auf einem guten Weg. Wir sind uns nur noch uneinig über die genaue Wahl des Instruments. Wir wollen aber, dass Unternehmen – egal, ob Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft –

eine Möglichkeit zur Bildung einer Investitionsrücklage – wie auch immer das genannt wird – eingeräumt wird, damit sie die Möglichkeit haben, Gewinne anzusparen, um dadurch Investitionskraft zu schöpfen.

Der dritte Punkt: die große Reform bei der Gewerbesteuer. Dazu muss ich sagen, dass wir uns in der Diskussion entfernt haben von dem Gedanken einer totalen Abschaffung der Gewerbesteuer, einem völligen Umlegen der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer. Darüber bin ich sehr froh, denn eines kann man nicht wollen: ins Ungewisse hinein einen derart großen Wurf zu machen.

Wir sind uns auch einig, dass alles gut ist, was die Hebesatzmöglichkeiten der Kommunen stärkt. Deshalb finde ich es richtig, über die Grundsteuer C und über eine Modernisierung der Bemessungsgrundlage bei der bestehenden Grundsteuer zu diskutieren. Ich persönlich halte es für vertretbar, das Ansinnen der Stiftung Marktwirtschaft aufzugreifen, auf die bestehenden Einkommensteuerzuweisungen, die die Kommunen pauschal schon erhalten, ein Hebesatzrecht in beschränktem Umfang einzuführen. Das ist kein völliges Umschwenken und bedeutet auch nicht die Abschaffung der Gewerbesteuer, sondern es würde nur eine bestehende Säule der Kommunalfinanzierung mit einem zusätzlichen Hebesatzrecht ausgestaltet werden – unter Beibehaltung einer Gewerbesteuer, die dann kommunale Unternehmensteuer heißt, aber auch ein Hebesatzrecht hat.

Somit stünde die Kommunalfinanzierung auf drei Beinen: der Einkommensteuer mit beschränktem Hebesatzrecht, einer reformierten Gewerbesteuer mit Hebesatzrecht und weiterhin einer Grundsteuer A, B, C oder nur B, C – ebenfalls mit Hebesatzrecht. Das wäre ein ganz tolles Instrumentarium für die Kommunen, eine sehr ausgewogene Finanzierung auf breiter Grundlage.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Dazu gehört aber auch, dass bei einer kommunalen Unternehmensteuer einem Verlust von Steuersubstrat entgegengewirkt wird. Genau an diesem Punkt muss die Große Koalition eifrig feilen. Denn selbst die Stiftung Marktwirtschaft hat in ihrem Modell, das angeblich alle ertragsunabhängigen Komponenten ausschließen soll, eine Lohnsummensteuer – im Ergebnis also doch wieder ein wie auch immer verstetigendes Element.

Wir sind uns also einig. Selbst mit denen, die groß tönen, sie seien massiv gegen ertragsunabhängige Elemente, sind wir uns einig: Auf kommunaler Ebene ist es sinnvoll, das Substrat der Unternehmensbesteuerung zu verstetigen, damit wir in der einen oder anderen Form ertragsunabhängige, stabilisierende Elemente hineinnehmen können. Denn die Kommunen halten Infrastruktur vor, die von der Gewinnsituation der Unternehmen unabhängig ist.

Lassen Sie uns deshalb darüber reden – die Grundsteuer C haben wir im Prinzip schon im Paket –, was wir zur weiteren Verstetigung des Substrats tun können. Ist diese berühmte Zinsschranke richtig? Ist es besser, eine Lohnsummenkomponente zu nehmen?

Für die SPD ist das Entscheidende – deshalb bin ich zufrieden mit dem, was in den Eckpunkten steht –, dass es eine

Verstetigung der kommunalen Unternehmensteuer gibt – heiße sie nun Gewerbesteuer oder nicht.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Metzger.

Herr Präsident! Nachdem die Debatte jetzt so fachlich geworden ist, will ich ein bisschen polemisch werden.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Oh!)

Die Debatte zeigt nämlich auch, wie wir das Steuerrecht – wenn auch durch gut gemeinte Veränderungen – jetzt weiter verkomplizieren.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Genau! So ist es! – Beifall der Abg. Heiderose Berroth FDP/ DVP)

Das ist eindeutig so.

Vor einem Jahr wurde im Bundestagswahlkampf ein Professor aus Heidelberg, der sich eine Steuervereinfachung auf die Fahne geschrieben hatte und der heute schon mehrfach in der Debatte genannt wurde, in der politischen Debatte geradezu verbrannt

(Abg. Ute Vogt SPD: Das darf man doch nicht mehr sagen!)

„verbrannt“ nicht nur von der SPD und uns Grünen, sondern auch von der Union; das muss man Ihnen sagen.

(Zuruf von der FDP/DVP: Genau!)

Sie habe ich ausgelassen; das haben Sie registriert.

(Zustimmung bei der FDP/DVP)

Generalsekretär Kauder von der Union war neben Ministerpräsident Wulff aus Niedersachsen der erste, der diesen Mann – nachdem Frau Merkel ihn in ihr Kompetenzteam geholt hatte – attackiert hat. In einer „Heute“-Sendung des ZDF sagte er am darauf folgenden Sonntag, es widerspräche dem deutschen Gerechtigkeitsempfinden, eine Flat-Tax einzuführen.

Ich sage Ihnen eines: Egal, wohin man auf diesem Globus schaut, und auch dann, Herr Schmid, wenn man zwischen tatsächlicher und nominaler Steuerlast differenziert, gilt: Menschen und Kapital in dieser einen Welt sind mobil. Immer mehr Leistungsträger, auch einkommensteuerpflichtige, verlassen dieses Land, und deren Ertragskraft für unser Steuersystem geht der Republik genauso verloren,