Protocol of the Session on March 10, 2010

mit den vier großen christlichen Kirchen geschlossen haben. Mit den Geldern, die in den Staatshaushaltsplan des Landes Baden-Württemberg eingestellt wurden, verdoppeln sich fast die Finanzmittel, die den Israelitischen Religionsgemeinschaften zur Verfügung gestellt werden.

Die CDU-Landtagsfraktion begrüßt diese Regelungen, hält auch die über die Finanzen hinausgehenden Bestimmungen des Vertrags für richtig und stimmt deshalb dem Zustimmungsgesetz zu.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Frau Abg. Grünstein das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesem Punkt sind wir uns, glaube ich, alle einig: Das ist ein harmonischer Tagesordnungspunkt. Ich denke, dass es deshalb nicht allzu vieler Worte bedarf.

Durch den neuen Staatsvertrag, den die Israelitische Religionsgemeinschaft Württembergs und die Israelitische Religionsgemeinschaft Baden mit der baden-württembergischen Landesregierung geschlossen haben, wird die jüdische Gemeinschaft den christlichen Kirchen gleichgestellt. Der Vertrag wird

im Bewusstsein der besonderen geschichtlichen Verantwortung vor den jüdischen Bürgerinnen und Bürgern

geschlossen. Er dient dazu, das jüdische

Gemeindeleben in seinen religiös-kulturellen Belangen zu unterstützen und zur Erhaltung, Pflege und Entwicklung des gemeinsamen deutsch-jüdischen Kulturerbes beizutragen.

So heißt es in der Präambel des geschlossenen Vertrags.

Im Staatsvertrag sind auch der Schutz der Glaubensausübung und der jüdischen Feiertage, der Rechtsanspruch auf schulischen Religionsunterricht und die Seelsorge verankert. Jüdische Kinder bekommen an ihren Feiertagen schulfrei. Außerdem verpflichtet sich das Land, die Israelitischen Religionsgemeinschaften finanziell zu unterstützen. Neben einer Pauschale erhalten die Israelitische Religionsgemeinschaft Württembergs und die Israelitische Religionsgemeinschaft Baden je Landesverband 500 000 €.

15 Bundesländer haben schon vor vielen Jahren einen Staatsvertrag mit ihren israelitischen Kultusgemeinden abgeschlossen. Baden-Württemberg war da bisher ein weißer Fleck auf der Landkarte. Manchmal brauchen wir eben etwas länger als die anderen Länder. Ich bin sehr froh, dass sich das nun ändern wird.

Aus eigenem Erleben weiß ich, dass besonders in jüdischen Familien die eigene Religion einen hohen Stellenwert hat. Dass gerade in Deutschland wieder ein geregeltes und normales jüdisches Leben möglich ist, erfüllt mich mit Stolz.

Schon 1343 wird in Stuttgart der erste Jude erwähnt. Damals gab es schon eine Judengasse und eine Judenschule. Die wech

selvolle und auch qualvolle Geschichte der Juden in Baden und in Württemberg ist lang. Aber sie zeigt auf, dass jüdische Menschen seit vielen Jahrhunderten ein Teil unserer Gesellschaft sind.

Die Einweihung der Jüdischen Grundschule Stuttgart vor zwei Jahren war ein ganz besonderer Glanzpunkt in der deutschjüdischen Zusammenarbeit in Baden-Württemberg. Diese Schule steht 60 Kindern aller Konfessionen offen. Auch dürfen wir nicht die Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg vergessen. Sie ist eine Institution, die sich weltweit größter Wertschätzung erfreut.

Darüber hinaus leisten die Israelitischen Religionsgemeinschaften an ihren verschiedenen Standorten auch auf dem sozialen Sektor einen nicht zu unterschätzenden Dienst für die Gemeinschaft. So werden z. B. in Mannheim und an vielen anderen Orten Neubürger ganz besonders intensiv betreut. Es werden Sprachkurse angeboten, man kümmert sich um die Kinder, aber auch um die älteren Menschen, die aufgrund ihrer jüdischen Herkunft zu uns gekommen sind.

Viele soziale Aufgaben, die andernorts von den politischen Gemeinden übernommen werden müssen, werden durch die Israelitischen Religionsgemeinschaften umgesetzt. Das alles wird nun durch den Staatsvertrag auf politisch fundierte Beine gestellt. Das war höchste Zeit.

Die SPD-Landtagsfraktion wird diesem Vertrag gern zustimmen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der CDU, der Grünen und der FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Herrn Abg. Kretschmann das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir beschließen heute per Gesetz einen Staatsvertrag zwischen dem Land Baden-Württemberg und den Israelitischen Religionsgemeinschaften von Baden und Württemberg. In der gemeinsam formulierten Präambel heißt es, dass wir dies im Bewusstsein der geschichtlichen Verantwortung vor den jüdischen Bürgerinnen und Bürgern und von dem Wunsch und Willen geleitet tun, das freundschaftliche Verhältnis mit den jüdischen Gemeinden zu festigen und zu fördern, das jüdische Gemeindeleben in seinen religiös-kulturellen Belangen zu unterstützen und das gemeinsame deutsch-jüdische Kulturerbe zu pflegen und zu entwickeln.

Nach den monströsen Verbrechen der Nazis an den Juden und über 60 Jahre nach der Schoah ist es heute ein guter Tag, um das freundschaftliche Verhältnis unseres Landes mit den jüdischen Gemeinden zu besiegeln. Mit diesem Vertrag betonen wir noch einmal die ungestörte Religionsausübung der jüdischen Gemeinden in unserem Land. Ihre Feiertage werden geschützt; insbesondere können jüdische Schüler und Kinder an diesen Feiertagen vom Schulunterricht befreit werden. Wir stellen die jüdischen Friedhöfe mit Gemeindefriedhöfen und kirchlichen Friedhöfen gleich. Der jüdische Religionsunterricht ist wie bisher ordentliches Lehrfach. Die freiwilligen Leistungen an die jüdischen Gemeinden werden nun vertragsmäßig gesichert.

Nachdem wir im Jahr 2007 solche Verträge mit den Kirchen geschlossen haben, schließen wir diesen Vertrag heute auch mit den Synagogen. Damit kommt die Gleichstellung der Synagogen mit den Kirchen ganz sichtbar zum Ausdruck.

Ich glaube, dass diese Gleichstellung uns wirklich freuen kann und auch Ausdruck dafür ist, dass auch kleine Religionsgemeinschaften die Möglichkeit haben, an der kooperativen Art der Trennung von Staat und Kirche unserer Verfassungsordnung zu partizipieren. Dieser Vertrag ist uns natürlich zugleich auch Auftrag, gegen jede offene und versteckte Form des Antisemitismus in diesem Land entschieden anzugehen.

Auch möchte ich bei dieser Gelegenheit meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass wir vielleicht in nicht allzu ferner Zukunft auch mit den Muslimen einen solchen Vertrag abschließen können.

Heute aber dürfen wir für dieses Dokument dankbar sein, das das freundschaftliche Verhältnis mit den israelitischen Gemeinden unseres Landes besiegelt. Mögen die jüdischen Gemeinden wachsen und gedeihen! Das wünsche ich ihnen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord- neten der CDU)

Für die FDP/DVP-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Kleinmann das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Staatsvertrag des Landes Baden-Württemberg mit den Israelitischen Religionsgemeinschaften Baden und Württembergs ist im Grunde die Folge eines längeren Prozesses. Er ist auch die Folge der beiden Staatsverträge, die wir mit der badischen und der württembergischen Landeskirche sowie mit der Diözese Rottenburg-Stuttgart und der Erzdiözese Freiburg geschlossen haben. Er ist auch Ausdruck einer Besinnung auf unser christlich-jüdisches Abendland und die damit verbundene Tradition, und er ist auch – wie es die Vorredner alle schon ausgeführt haben – Folge der geschichtlichen Bedeutung, der wir alle uns verpflichtet wissen.

Meine Damen und Herren, nach einem längeren Prozess ist es nun gelungen, diesen Staatsvertrag unter Dach und Fach zu bringen. Er hat wie auch die anderen Staatsverträge Altes und Neues als Inhalt. Jüdischen Religionsunterricht gibt es schon seit Langem, und auch der Status der Körperschaft des öffentlichen Rechts ist nichts Neues. Staatsleistungen an die Israelitischen Religionsgemeinschaften gab es ebenfalls schon bisher, allerdings auf freiwilliger Basis. Jetzt sind diese Staatsleistungen vertraglich festgelegt, und auch die Dynamisierung dieser Leistungen ist nun in den Vertrag mit eingebaut.

Neu ist, dass die jüdischen Feiertage wie die kirchlichen Feiertage in das Feiertagsgesetz integriert sind. Sie sind somit geschützt. Das war bisher noch nicht der Fall.

Auch die Vertretung im Rundfunkrat und im Medienrat war bisher noch nicht geregelt. Dies soll analog zur Vertretung der Kirchen nun geschehen.

Auch für die jüdischen Friedhöfe gilt, dass sie in einen bestimmten Schutzrahmen kommunaler und kirchlicher Friedhöfe mit einbezogen werden.

Besonders wichtig ist – das wird deutlich, wenn man diesen langen Prozess noch einmal Revue passieren lässt; bei den meisten Diskussionen war ich dabei –, dass man die Denkmalpflege neu angedacht hat und neu regelt, analog zu dem evangelischen Kirchenvertrag, sodass man hier auch sieht, dass man sich einer gewissen geschichtlichen Verantwortung, aber auch einer gewissen Kultur verpflichtet weiß. Ich erinnere daran: Früher war folgende Finanzierung vorgesehen: 50 % Eigenmittel, 50 % aufgeteilt in 25 % Landesmittel und 25 % kommunale Mittel. Jetzt haben wir feste Beträge, die hier vorgesehen sind. Wir ermöglichen damit, den bestehenden Denkmalen und insbesondere deren Pflege angemessen Rechnung zu tragen.

Meine Damen und Herren, die FDP/DVP begrüßt zum einen, dass es nun zu diesem Staatsvertrag gekommen ist. Zum anderen stimmen wir selbstverständlich zu. Wir sind der Meinung, wie es mein Freund Tenné einmal gesagt hat, dass der Vertrag die beiden Israelitischen Religionsgemeinschaften auf eine sehr solide finanzielle Basis stellt.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU, der SPD und der Grünen)

Für die Landesregierung erteile ich Frau Kultusministerin Professorin Dr. Schick das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Deutlich wie kaum ein anderes Verfassungsdokument in Deutschland anerkennt die Landesverfassung von BadenWürttemberg ausdrücklich die Bedeutung der Religionsgemeinschaften für die – ich zitiere – „Grundlagen des menschlichen Lebens“.

Religionsgemeinschaften leben ihren Glauben, und sie vermitteln Werte. Weil wir genau um diese Bedeutung der Religionsgemeinschaften für das menschliche Zusammenleben wissen, pflegen wir, pflegt unser Land seit seinen Anfängen gute Beziehungen zu allen Kirchen und Religionsgemeinschaften. Dies findet seinen besonderen Niederschlag – es wurde schon erwähnt – in der Staatskirchenvereinbarung aus den Jahren 2007/2008.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Ja!)

In den zugrunde liegenden Vereinbarungen wurden die vielfältigen Bereiche des Miteinanders von Staat und Kirchen bereits geregelt.

Heute nun können wir den mit den Israelitischen Religionsgemeinschaften verhandelten Staatsvertrag hier zum Abschluss bringen. Es hat mich sehr gefreut, dass einer von Ihnen im kurzen Gespräch vorhin von einer historischen Stunde gesprochen hat. Als solches sollten wir sie auch sehen, aber nicht als Abschluss einer Entwicklung, sondern sozusagen als Zwischenschritt und vielleicht als den Beginn einer noch intensiveren Zusammenarbeit und Entwicklung. Ich würde mir dieses wünschen.

Die Einmütigkeit, die im gesamten Verhandlungsprozess zum Ausdruck kam und auch in der heutigen Aussprache zum Ausdruck kommt, zeigt Ihnen und uns allen, mit welchem Rückhalt, mit welcher klaren Orientierung und welch klarem Be

kenntnis wir diesen Schritt tun und dass wir uns hier tatsächlich einig darin sind, die Partnerschaft zwischen den israelitischen Kultusgemeinden und dem Land in einer neuen Form weiterzuführen. Das ist auch nicht neu; wir leben sie seit vielen, vielen Jahrzehnten intensiv und gut, aber wir stellen sie auf eine neue Basis. Es gibt eine Partnerschaft, von der beide profitieren. Ich denke, sie geht weit über das hinaus, was man vielleicht originär mit der Tätigkeit von Religionsgemeinschaften verbindet.

Ich darf in diesem Zusammenhang nur kurz daran erinnern: Die Leistungen, die z. B. die israelitischen Gemeinden bei der Integration von Zuwanderern erbracht haben, sind eine originäre gesellschaftliche Leistung, die hier auch erbracht wird. Es gibt eine Partnerschaft, die den Dialog braucht, die auf dem Dialog aufbaut. Ich denke, auch diesen Dialog werden wir künftig verstärken, nun auf einer neu geregelten rechtlichen Grundlage.

Die Regierung wird diesen Vertrag selbstverständlich mit Leben erfüllen. Die rechtliche Grundlage, die wir jetzt schaffen, ist auch ein Stück weit Verpflichtung für uns, uns nicht sozusagen auf dem bisherigen Stand auszuruhen, sondern dies als Auftrag zu verstehen, diese Partnerschaft mit weiterem Leben zu erfüllen.

Die Israelitischen Religionsgemeinschaften werden durch diesen Vertrag eine verlässliche Planungsgrundlage bei der Erfüllung der Anforderungen in der religiösen Betreuung und vor allem bei der Sicherstellung der infrastrukturell notwendigen Grundlagen haben, dazu finanzielle Planungssicherheit. Dies ist übrigens für beide Seiten ein wichtiges Thema. Mit diesem Vertrag stellen wir diese her.

Ich danke heute an dieser Stelle den israelitischen Kultusgemeinden für ihren Beitrag im religiösen und gesellschaftlichen Leben und würde mich sehr freuen, wenn wir vor allem z. B. im Schulbereich gemeinsam noch weitere Initiativen entwickeln könnten, damit neue Potenziale für den Austausch sozusagen mit ein Thema des heutigen Tages sind –

(Beifall des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP)