Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Fraktion GRÜNE – das wurde schon gesagt – ist ein Jahr alt. Mittlerweile hat sich die Situation an unseren Hochschulen, insbesondere in finanzieller Hinsicht, dramatisch verändert.
Der Antrag aus dem letzten Jahr versucht, akribisch Nachweis zu führen, warum welche Planzahlen unzutreffend sind, warum welche Planzahlen nicht erreicht werden können und warum und um welche Zehntelprozentpunkte die baden-würt tembergische Situation von der in anderen Ländern abweicht. Das sind richtige Fragen, berechtigte Fragen. Aber die Fragen und Antworten stammen eben aus dem Jahr 2008.
Die Situation bei den Hochschulen, die wir im Wintersemes ter 2009/2010 erleben, ist demgegenüber verändert.
Ich denke, dass wir hier nun breiter darüber diskutieren müssen und uns nicht mit Erbsenzählerei aufhalten sollten.
Wir haben an diesem Ort bereits vor zwei Wochen in einer Aktuellen Debatte über die Situation an unseren Hochschulen diskutiert. Ich will diesen Tagesordnungspunkt nutzen, um auf ein paar wichtige Punkte, existenzielle Probleme unserer Hochschulen, hinzuweisen.
Wir haben z. B. das Problem, dass der Bologna-Prozess wirklich außer Kontrolle geraten ist. Wir haben Studienangebote, die oft unstudierbar geworden sind. Die Wissenschaftlichkeit des Studiums ist nicht mehr überall gewährleistet. Wir werden große Probleme – das hat jetzt wieder mit Zahlen zu tun – beim Übergang vom Bachelor- zum Masterstudium bekommen, und – es wurde oft gesagt, aber daran hat sich nichts geändert – unsere Hochschulen sind chronisch unterfinanziert.
Meine Damen und Herren, auch das Thema Studiengebühren will ich Ihnen nicht ersparen. Studiengebühren sind eine Zugangshürde, und sie haben in diesem Bundesland eine Selektionswirkung. Der Solidarpakt wurde hier einseitig durch die Einführung der Geschwisterregelung gebrochen. Das Projekt „Unternehmerische Hochschule“ ist gescheitert. Der Prozess führte zu einer Entfremdung von der Institution Hochschule.
Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen. All diese Punkte führen sogar dazu, dass sich Rektoren mit Hörsaalbesetzern solidarisieren.
Jetzt hat man ein wenig den Eindruck, dass die Verantwortlichen im Land und im Bund versuchen, den Protest mit einer Art Wattetaktik einzulullen. Aber, meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Watte hilft auf Dauer nicht gegen eine grundsätzlich verfehlte Hochschulpolitik.
Herr Minister, Sie haben nach unserer letzten Debatte sehr medienwirksam mit anwesenden Studierenden gesprochen und diskutiert; es gab ein fast zweistündiges Gespräch. Wir waren als AK-Vertreter mit dabei. Sie haben den Studierenden versprochen, einige Punkte, die ihnen wichtig waren, zu prüfen und dann entsprechend zu reagieren.
Ich will hier einige Punkte, die dort angesprochen worden sind, ohne Anspruch auf Vollständigkeit aufführen:
Sie wollen sich dafür einsetzen, dass erstens die Arbeit der Studierendenvertreter durch Globalbudgets erleichtert wird und dass zweitens hochschulpolitische Aktivitäten als Grund für ein Urlaubssemester anerkannt werden. Des Weiteren haben Sie in Aussicht gestellt, dass Modelle des Studiums unterschiedlicher Geschwindigkeiten ausprobiert werden.
Sie haben zudem zugesagt – das ist jetzt eine interessante Forderung –, sich dafür einzusetzen, dass die Fünfjahresfrist als Regelstudienzeit aufgeweicht wird. Es gab wohl gestern einen KMK-Beschluss, dass an dieser Fünfjahresfrist festgehalten wird. Insofern ist es besonders interessant, wie Sie Ihre Ankündigung jetzt umsetzen wollen.
Schließlich wollen Sie sich auch dafür einsetzen, dass beim BAföG Bachelor und Master als Einheit gesehen werden.
Dies sind einige aktuelle Fragen, die die Studierenden und die Lehrenden an unseren Hochschulen im Moment, im Jahr 2009, bewegen. Herr Minister, ich möchte Sie bitten, nachher auf diese Punkte einzugehen und uns zu sagen, wie Sie die Zusagen, die Sie den Studierenden in dem Gespräch vor zwei Wochen gemacht haben, umsetzen wollen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Grünen – das haben hier schon alle gesagt – stammt vom Herbst 2008. Aus ihrer Zeit heraus sind die Fragen verständlich, denn im Sommer 2008 gab es tatsächlich eine kurze Durststrecke in Sachen Hochschulausbau. Auch wir waren von den damaligen Zahlen enttäuscht.
Die sich überlagernden Effekte, auf die das Ministerium in seiner Stellungnahme zu Recht eingeht, ließen damals noch nicht erkennen, wie erfolgreich unser Ausbauprogramm „Hochschule 2012“ sein würde. Im Gegensatz zu den Grünen haben wir aber mit dem uns eigenen unerschütterlichen Optimismus an den Erfolg geglaubt. Die Grünen dagegen reden mit ihrem ständigen Pessimismus das Land und den Standort schlecht.
Aber wir sagen Ihnen klipp und klar mit Theodor Heuss – auch wenn jetzt kein Grüner da ist; richten Sie es ihnen bitte aus –:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, als Optimisten hatten wir die Hoffnung nicht aufgegeben, dass auch die Grünen dazulernen. Leider ist davon in der heutigen Debatte nichts zu spüren, und die Fakten werden, wie bei den Grünen üblich, so lange zurechtgebogen, bis sie ins eigene schiefe Weltbild passen.
Erstens: Tatsache ist, dass wir im kommenden Jahr 70 % der bis zum Jahr 2012 vorgesehenen Plätze bereits geschaffen haben werden. Im Jahr 2010 werden 2 900 Plätze neu eingerichtet, sodass insgesamt 11 500 der geplanten 16 000 neuen Studienplätze schon zur Verfügung stehen.
Zweitens: Der Bund wird in dem Antrag der Grünen und auch in der heutigen Debatte wieder für den Hochschulpakt gelobt. Kollegin Bauer sagte wörtlich, das sei die große Schwester des Programms „Hochschule 2012“. Im Grundsatz ist es richtig, den Bund zu loben. Denn jeder neue Platz, der vom Bund aus diesem Programm geschaffen wird, wird mit insgesamt 8 525 € gefördert. Absurd ist es aber, die Landesregierung und die sie tragende Koalition nicht noch mehr zu loben. Denn in Baden-Württemberg wird jeder neu geschaffene Studienplatz mit 9 375 € gefördert.
Drittens: Völlig absurd ist dann der Vorwurf, wir würden nicht genug für die MINT-Fächer tun. Zunächst einmal ist darauf hinzuweisen, dass 43 % der neuen Studienplätze in den Bereichen Mathematik, Ingenieur- und Naturwissenschaften eingerichtet werden. Jeder dieser neuen Studienplätze wird zu
dem in überdurchschnittlichem Umfang, nämlich mit 12 000 € bezuschusst. Wir tun dies aus voller Überzeugung, weil wir die Ingenieur- und die Naturwissenschaften für das Rückgrat von Wirtschaft und Wohlstand halten.
Merkwürdig ist der Vorwurf der Grünen vor allem deshalb, weil wir nicht genau wissen: Ist es denn nun richtig, MINT zu fördern – der Antrag und die heutige Debatte deuten irgendwie an, wir müssten da mehr tun –, oder ist das richtig, was in der letzten Debatte gesagt wurde, dass wir zu einseitig auf MINT schauen? Liebe Kollegin Bauer, nur ein Vorwurf kann stimmen. Entweder wir tun zu viel, oder wir tun zu wenig. Es wäre hilfreich, wenn Sie sich einig würden, was Sie uns zum Vorwurf machen wollen. Dann könnten wir damit auch vernünftig umgehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Programm „Hochschule 2012“ hat sich zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt. Unsere Universitäten stehen außerdem in der Exzellenz ganz vorn. Kein anderes Land gibt einen so hohen Anteil seines Bruttoinlandsprodukts – derzeit 4,2 % – für Forschung und Entwicklung aus.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist die Industrie, nicht das Land! So ein Käse! – Zuruf der Abg. Ursu- la Haußmann SPD)
Jeder Vernünftige sieht, dass wir in Sachen Wissenschaft ganz vorn stehen. Jedem patriotischen Baden-Württemberger geht das Herz auf, wenn das Landesmotto „Wir können alles“ so eindeutig erfüllt ist.
Jeder Anständige tut das, was wir als Koalition, wir als FDP/ DVP-Fraktion, heute aus voller Überzeugung wieder einmal tun: Wir danken Herrn Professor Dr. Frankenberg und seiner Mannschaft für ihre Arbeit.
(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Zum ersten Mal, dass die CDU auf- wacht!)
Aber als unverbesserliche Optimisten geben wir auch bei den Grünen die Hoffnung nicht auf. Auch bei ihnen könnte ein Erkenntnisprozess einsetzen, wie ihn Immanuel Kant einmal beschrieben hat: