Protocol of the Session on December 9, 2009

Ich bin mir sicher: Es ist ein Glück, dass es gelungen ist, wenigstens diese beiden Pakete zu schnüren, dass Bund und Länder miteinander vereinbart haben, über einen längeren Zeitraum – vorläufig bis zum Jahr 2016 – diese zusätzlichen Gel der in die Verbesserung von Studium und Lehre zu stecken. Ich bin froh, dass es trotz der Föderalismusreform auch gelungen ist, dass der Bund Geld in die Verbesserung der Lehre der Hochschulen steckt.

Ich hoffe und erwarte, dass sich alle Beteiligten, Bund und Länder, auch in dieser schwierigen finanziellen Situation nicht aus dieser Verantwortung zurückziehen werden, z. B. durch irgendwelche Taschenspielertricks, Rechentricks, neuen Verbuchungen von irgendwelchen Haushaltszahlen, sondern dass alle miteinander dafür sorgen, dass wirklich zusätzliches Geld in die Hochschulen fließt. Das haben diese nämlich bitter nötig.

(Anhaltende Unruhe)

Der Antrag, über den wir heute reden, ist über ein Jahr alt. Die Stellungnahme dazu ist ebenfalls über ein Jahr alt. Es ging darum, eine erste Zwischenbilanz dazu zu ziehen, wie BadenWürttemberg bei der Umsetzung des Hochschulpakts I abschneidet.

Die Antworten auf die im Antrag gestellten Fragen, die vor einem Jahr gegeben wurden, waren noch sehr vorläufig. Man konnte noch nicht viel vergleichen. Deswegen ist es, glaube ich, aussagekräftiger, auf aktuelleres Zahlenmaterial zu rekurrieren. Das gibt es auch; das nämlich hat das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) vorgelegt. Es hat im Frühjahr dieses Jahres, im April, eine vergleichende Bewertung darüber durchgeführt, wie gut es den Bundesländern gelingt, im Hochschulbereich zu wachsen und die Ziele des Hochschulpakts umzusetzen.

(Fortgesetzte Unruhe)

Ich finde deren Ergebnisse sehr lesenswert. Ich würde mir wünschen, dass wir für hochschulpolitische Debatten – auch wenn es das Plenum anscheinend nicht besonders interessiert; dann eben für diejenigen, die es interessiert – gute, aussagekräftige Zahlen vorgelegt bekommen. Denn ich habe nach wie vor den Eindruck, dass wir mit der Landesregierung um die Wette laufen müssen, weil sie mit den Zahlen im Hochschulbereich eher ein Versteckspiel betreibt, anstatt sie auf den Tisch zu legen und eine gescheite Bewertungsgrundlage für uns alle herzustellen.

(Fortgesetzte Unruhe)

Eine Variante dieses Versteckspiels wird z. B. bei der Frage gespielt, wie man den Aufwuchs beziffert. Beziffern wir ihn in Studienplätzen, oder beziffern wir ihn in Köpfen? Man kann es auch andersherum formulieren: Beziffern wir ihn in realen Menschen, die ein Studium aufnehmen, oder zählt eher die Infrastruktur, die zur Verfügung gestellt wird?

Jetzt kann man beim Heranziehen der Zahl der Plätze einwenden, dass es nichts nützt, Plätze zu haben, wenn diese wegen Zugangsbeschränkungen nicht besetzt werden. Umgekehrt kann man fragen: Was nützt es, wenn wir immer mehr Studierende an die Hochschulen lassen, aber die Plätze nicht ausreichen? Man sollte aufhören, mit diesen Methoden um den heißen Brei herumzureden. Wir sollten uns darauf verständigen, dass dem Wissenschaftsausschuss und dem Parlament – egal, ob wir angebotsorientiert oder nachfrageorientiert denken – insgesamt die Zahlen in beiden Varianten zur Verfügung gestellt werden. Dann kann man seine Schlüsse daraus ziehen, dann kann man vergleichen, und dann müssen wir hier nicht ewig Zahlen interpretieren und im Nebel stochern.

(Beifall bei den Grünen)

Lassen Sie mich in der Kürze der Zeit nur fünf Aspekte anreißen, auf die wir achten müssen, wenn wir die Herausforderung des Studienplatzausbaus wirklich bewältigen wollen.

Erstens: Nach meiner Lesart der Zahlen gelingt es in BadenWürttemberg nicht, den quantitativen Aufwuchs ausreichend schnell zu bewerkstelligen.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Falsch!)

Herr Dr. Birk, Sie kennen die Studie des CHE bestimmt auch. Das sind die aktuellsten Zahlen, die mir vorliegen. Das CHE kommt zu der Einschätzung, dass es in den Jahren 2007 und 2008 in Baden-Württemberg nicht gelungen ist, den angekündigten Aufwuchs zu bewältigen. Wir haben vom Bund

Geld für die Jahre 2007 und 2008 bekommen. Wir müssen schauen, ob wir nicht auch in ein Haushaltsrisiko hineinlaufen, wenn wir nicht schnell genug mit den realen Aufwüchsen vorankommen. Vielleicht können Sie uns aber eines Besseren belehren. Legen Sie uns die Zahlen einfach vor. Dann muss ich hier nicht das CHE zitieren.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Können wir machen!)

Das Zweite – das steht vielleicht damit in Verbindung – ist: Ich wundere mich schon, wie es in der jetzigen Situation, in der wir neue Studienplätze aufbauen, passieren kann, dass es Universitäten im Land gibt, in denen die Studienanfängerzahlen schon wieder zurückgehen. In diesem Jahr – das sind die aktuellsten Zahlen, die vorliegen – sind in den Universitäten Stuttgart, Karlsruhe und Ulm die Anfängerzahlen, anstatt weiter zu wachsen, schon wieder rückläufig, obwohl sie am Mas terplan 2012, dem Programm „Hochschule 2012“, partizipieren.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Aber die kommen doch erst jetzt! Frau Kollegin, Sie kennen doch die Aus- bauplanungen! Was soll das?)

Herr Dr. Birk, die Erklärung liefert Ihnen auch das CHE. Von diesem lassen Sie sich doch ansonsten gern beraten. Die Erklärung ist ganz einfach: Wenn man eine rein angebotsorientierte Politik macht, dann werden sich die Hochschulen immer wieder neue Maßnahmen überlegen, wie sie über Zulassungsbeschränkungen an einer anderen Stelle die Zugänge wieder versperren. Nur dann, wenn man eine Finanzierung aufbaut, die verstärkt nach dem Prinzip „Geld folgt Studierenden“ funktioniert, gibt es einen wirklichen Anreiz für die Hochschulen, die Plätze, die durch den Ausbau geschaffen werden, auch zu besetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Das CHE wird da in seiner Studie sehr deutlich und zitiert Wirtschaftsverbände und den Stifterverband, die alle in das gleiche Horn pusten und sagen: Die Politik muss in ihrer Hochschulfinanzierung die Prioritäten anders setzen und muss weg von der reinen Angebotsorientierung, wie sie auch hier in Baden-Württemberg gemacht wird.

Zwei weitere Stichworte: Es gelingt offensichtlich bislang noch nicht ausreichend, den gewollten Aufwuchs in den Bereichen Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften und Mathematik zu schaffen. Wir hatten in den Jahren 2007 und 2008 in diesem Bereich sogar einen Rückgang der Zahl der Studienanfänger. Das hat sich jetzt verändert. Wir haben einen Aufwuchs bei Ingenieurwissenschaften, aber im Gegenzug wiederum Schwierigkeiten bei Naturwissenschaften und Mathematik, sodass die Anstrengungen zu verstärken sind, junge Menschen zu motivieren, diese Studiengänge zu absolvieren.

Das wird nur dann funktionieren, wenn es uns gelingt, die Abbrecherquoten zu senken und den Ruf dieser Fächer zu verbessern; denn sie gelten als so hart, dass man die ersten Semester nur mit Mühe überstehen kann. Wir müssen mit den Hochschulen zusammen daran arbeiten, mehr Menschen davon zu überzeugen, dass es Sinn macht, diese Studiengänge zu wählen.

Ein letzter Punkt: Der Hochschulpakt hat – was ich sehr gut finde – ein deutliches Gewicht darauf gelegt, den Aufwuchs dafür zu nutzen, den Anteil von Frauen beim Hochschulpersonal zu erhöhen. Baden-Württemberg gehört da bundesweit zu den Schlusslichtern. Wir haben erheblichen Nachholbedarf bei der Steigerung des Frauenanteils an Professoren. Die ers ten Zahlen, die mir vorliegen, zeigen leider, dass die badenwürttembergischen Hochschulen trotz dieser einmaligen Chance, zusätzliches Personal zu bekommen, wiederum nicht ausreichend vorangekommen sind, um dieses Defizit zu verringern.

Ich weiß, dass das Ministerium da Anstrengungen unternimmt. Das finde ich auch sehr gut. Sie müssen sie aber offensichtlich weiter verstärken, damit wir relevante und in Zahlen nachlesbare Verbesserungen bei der Steigerung des Frauenanteils in Hochschulen erleben.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Dr. Schüle das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Bauer, in Ihrem Antrag ging es um zwei Programme: zum einen um das Ausbauprogramm „Hochschule 2012“ des Landes und zum anderen um den „Hochschulpakt 2020“ des Bundes. Das sind zwei verschiedene Programme, die man auseinanderhalten muss. Dann haben Sie isoliert die Studierendenzahlen von 2005 bis 2007 in diesen Antrag eingebracht und sind zumindest in Ihrem Antrag zu nicht zutreffenden Schlüssen gekommen. Sie haben das jetzt gerade relativiert, was ich gut finde.

Sie haben damals gemeint, dass die Ziele des Programms „Hochschule 2012“ des Landes, aber auch des „Hochschulpakts 2020“ des Bundes nicht erreicht werden und dass die Studierendenzahlen zurückgehen.

Ich kann hier feststellen: Genau das Gegenteil ist der Fall. Den „Hochschulpakt 2020“ des Bundes werden wir übererfüllen. Ich werde gleich zu den Zahlen kommen. Beim Ausbauprogramm des Landes „Hochschule 2012“ liegen wir voll im Plan. Wir haben in diesem Jahr Rekordzahlen von Studierenden in Baden-Württemberg. Das ist die Realität.

Die Fehlschlüsse, Frau Bauer – deswegen gehe ich darauf ein –, kommen vielleicht wegen der Unterschiedlichkeit der beiden Programme zustande. Deswegen wollen wir uns diese noch einmal genau anschauen. Beim Ausbauprogramm „Hochschule 2012“ des Landes geht es um Studienplätze. Das heißt, in Abstimmung mit den Hochschulen und der regionalen Wirtschaft wird die entsprechende Ausstattung zur Verfügung gestellt: Personal, Technik, Sachmittel.

Beim „Hochschulpakt 2020“ des Bundes geht es „lediglich“ darum – es ist aber eine gute Sache –, pro Kopf der Studierenden einen Zuschuss zu geben, damit die Quantität stimmt, vor allem aber auch, damit man Unterstützung für eine hohe Qualität gibt.

Das sind ähnliche Programme. Zwischen beiden gibt es einen Zusammenhang, aber konzeptionell auch einen klaren Unterschied. Das sieht man konkret an den Zahlen: Beim Ausbau

programm „Hochschule 2012“ des Landes werden 16 000 neue Studienplätze bis zum Jahr 2012 aufgebaut.

Die erste Stufe ist bereits umgesetzt: Zum Wintersemester 2007/2008 gab es 5 000 neue Plätze. Da lag der Schwerpunkt bei der Dualen Hochschule. Dies ist wichtig; zu den Universitäten kommen wir gleich.

Im ersten Teil der zweiten Ausbaustufe haben wir 3 600 Plätze aufgebaut. Da lag der Schwerpunkt bei den Fachhochschulen.

Am 6. Oktober hat das Kabinett die Schaffung von 2 917 neuen Studienplätzen mit dem Schwerpunkt bei den Universitäten beschlossen. Dieses Vorhaben befindet sich gerade in der Umsetzung. Das heißt: Wir sind bei diesem Thema voll im Plan. Baden-Württemberg wird bis zum Jahr 2012 zusätzlich 485 Millionen € ausgeben.

Jetzt zum „Hochschulpakt 2020“. Die Gesamtzahl der Studierenden soll in Deutschland bis zum Jahr 2015 um 275 000 steigen. In der ersten Phase – das haben Sie genannt – von 2007 bis 2010 soll es in Deutschland 91 000 Studienplätze mehr geben. Heruntergerechnet auf Baden-Württemberg sind das 15 500. Davon haben wir jetzt 11 557 erreicht. Im nächs ten Jahr erreichen wir dann auch diese 15 500.

In der zweiten Phase wird die Zahl der zusätzlichen Studienanfänger am Ende bei voraussichtlich 78 000 liegen anstatt bei 52 000, wie sie nach dem Hochschulpakt vereinbart sind, weil man die Plätze pro Jahr addieren muss. So rechnet der „Hochschulpakt 2020“. Das muss man wissen. Dann wirft man die Zahlen auch nicht durcheinander.

Jetzt kommt ein entscheidender Punkt – Frau Kollegin Bauer, Sie haben es angesprochen –: Das Geld folgt den Studierenden. Jetzt muss man wissen, dass die Hochschulen die Mittel des „Hochschulpakts 2020“, also die Bundesmittel, nur dann bekommen, wenn sie die Studienplätze auch tatsächlich mit Studierenden besetzt haben. Dies ist ein Anreiz für die Hochschulen, nicht irgendwelche Studienplätze zu schaffen, sondern solche, die bei den Studierenden auch wirklich Akzeptanz finden. Das ist einmalig. Das macht nur Baden-Würt temberg. Das hat dazu geführt, dass keine Leerstände produziert werden, sondern dass alle neuen Studienplätze auch tatsächlich besetzt worden sind. Deswegen liegen wir bei den Zahlen so gut.

Abschließend: Völlig entgegen Ihrer damaligen Annahme haben wir in Baden-Württemberg mit 55 638 Studienanfängern zum Wintersemester 2009/2010 Rekordzahlen bei den Studierenden.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Einen Rekord an Abi- turienten! Das ist doch keine Kunst!)

Wenn in dem Antrag, Herr Kollege Schmiedel, steht, die Zahl gehe zurück, wir aber jetzt auf Rekordniveau sind, ist das ein Unterschied, den man feststellen darf.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Wenn es eine Abituri- entenschwemme gibt, gibt es auch eine Studenten- schwemme! – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Wieso „Schwemme“? Seien Sie doch froh, wenn die Menschen studieren! – Zuruf der Abg. The- resia Bauer GRÜNE)

Darüber freuen wir uns, weil wir im Jahr 2007 und im Jahr 2008 eine Zunahme hatten. Dies zeigt: Den Studierenden gefällt es in Baden-Württemberg, weil wir hier die besten Hochschulen haben. Wir sind auf einem guten Weg.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Dank der guten Poli- tik der Landesregierung!)

Da machen wir weiter.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Werner Pfisterer CDU: Sehr gut erklärt!)