Protocol of the Session on November 5, 2009

Zweite Zusatzfrage der Frau Abg. Berroth.

Ich möchte nur noch einmal kurz nachfragen. Selbstverständlich liegt es dann bei dieser Firma, zu entscheiden, was sie dann macht. Ich wollte jedoch grundsätzlich fragen, ob Sie es als positiv erachten würden, wenn dort mehr passiert.

Wir wollen hier vorab weder dieser Firma noch der Gemeinde – soweit die kommunale Selbstverantwortung angesprochen ist, insbesondere im Hinblick auf ihre Planungshoheit – irgendwie vorgreifen. Das ist zunächst Sache derer, die die Zuständigkeit hierfür besitzen.

Bitte, Herr Abg. Jägel.

Meine Fragen an Herrn Staatssekretär Fleischer lauten wie folgt:

Hält es die Landesregierung nicht für wichtiger, auf dem Gelände, auf dem sich die Pferderennbahn Iffezheim befindet, mit dem Betrieb der Pferderennbahn dreimal im Jahr, wie es der Herr Staatssekretär schon dargestellt hat, ein sogenanntes Event für die gesamte Region stattfinden zu lassen? Dabei ist mit 250 000 Besuchern zu rechnen, und in der Region würde eine erhebliche Kaufkraft entstehen. Hält die Landesregierung dies nicht für etwas wichtiger, als sich nur dafür einzusetzen, dass dieses Gelände wirtschaftlich verwertet wird, jedoch nur einmal und damit so, dass es für die Region hinterher dann nichts mehr bringt?

Ich darf bei der Antwort auf diese Frage auch noch einmal auf Sie, verehrte Frau Kollegin Berroth, und Ihre Frage zurückkommen. Grundsätzlich ist es seit jeher unsere Politik, bei Sportveranstaltungen – um solche handelt es sich hier – eine möglichst optimale Ausnutzung anzustreben und auch zu wollen. Meine Aussage von vorhin sollte lediglich zum Ausdruck bringen, dass ich denen, die zunächst am Zuge sind, nicht vorgreifen will.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das ist ja rich- tig!)

Ich kann deshalb beide Fragen – für den Fall, dass sie auch vor Ort so gestellt werden – mit einem klaren Ja beantworten.

Es gibt keine weiteren Zusatzfragen. – Vielen Dank, Herr Staatssekretär.

Tagesordnungspunkt 5 ist damit abgeschlossen.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz über Einheitliche Ansprechpartner für das Land Baden-Württemberg (EAG BW) – Drucksache 14/5345

Das Präsidium hat Folgendes festgelegt: Nach der Begründung durch die Regierung erfolgt eine Aussprache mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion.

Für die Einbringung des Gesetzentwurfs erteile ich Herrn Wirtschaftsminister Pfister das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Gesetz über Einheitliche Ansprechpartner für das Land Baden-Württemberg werden organisationsrechtliche Grundlagen geschaffen, das heißt, Grundlagen für die Einrichtung und insbesondere für die Verortung von Einheitlichen Ansprechpartnern, wie es die EU-Dienstleistungsrichtlinie vorgibt.

Einheitliche Ansprechpartner werden in der Zukunft zentrale Anlaufstellen für Dienstleistungserbringer sein. Zu den Aufgaben dieser Einheitlichen Ansprechpartner gehört u. a., dass Verfahren und Formalitäten, die die Aufnahme und Ausübung von Dienstleistungstätigkeiten betreffen, vollständig durch sie als Verfahrensmittler abgewickelt werden können.

Eine Rollenbeschreibung dieses Einheitlichen Ansprechpartners im Einzelnen wurde bereits in das Landesverwaltungsverfahrensgesetz aufgenommen. Das heißt, zuständige Behörden und Einheitliche Ansprechpartner werden verpflichtet, ers tens alle notwendigen Verfahrensinformationen u. a. im Internet bereitzustellen, zweitens ein Verfahren innerhalb einer definierten Frist abzuarbeiten und drittens insbesondere zum Wohl des Kunden intensiv zusammenzuarbeiten.

Die vom Landtag im Juli dieses Jahres beschlossenen Regelungen im Verwaltungsverfahrensrecht sind also so etwas wie das rechtliche Betriebssystem für das Zusammenspiel von Einheitlichen Ansprechpartnern und zuständigen Behörden. Dabei ist bemerkenswert, dass sich zwischenzeitlich alle Bundesländer und auch der Bund auf das gleiche Betriebssystem geeinigt haben.

Die Frage ist, auf welchen Rechnernetzen dieses Betriebssys tem nun zum Einsatz kommen soll. Darüber hat man nicht nur in Baden-Württemberg, sondern auch in allen anderen Bundesländern kräftig gestritten. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass erst in fünf von 16 Bundesländern die parlamentarischen Verfahren hierzu abgeschlossen worden sind. Wenn Sie diesem Gesetzentwurf zustimmen, wird Baden-Württemberg das sechste Bundesland sein. Es gibt Bundesländer, von

denen man weiß, dass sie in diesem Jahr und auch auf absehbare Zeit, also bis zum kommenden Frühjahr, nicht zu Potte kommen werden. Dazu gehören Bayern und das Saarland.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Unglaublich!)

Ich verhehle nicht, dass mir eine reine Kammerlösung sympathischer gewesen wäre. Diese war jedoch, wie Sie wissen, politisch nicht durchsetzbar. Ich finde es aber völlig in Ordnung, dass wir die Frage „Kammern oder Kommunen?“ dahin gehend pragmatisch beantwortet haben, dass wir sagen: Kammern und Kommunen.

Die eigentliche Streitfrage, vor der wir standen und vor der viele andere Bundesländer noch immer stehen, ist, ob wir bei der Verortung eines Einheitlichen Ansprechpartners eher zu einem zentralistischen System kommen wollen, also außerhalb der Kommunen, außerhalb der Kammern, wie es einige Bundesländer auch machen. Es gibt sechs oder sieben Bundes länder – darunter beispielsweise Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und auch Rheinland-Pfalz –, die ganz bewusst einen zentralistischen Ansatz gewählt haben, indem sie den Einheitlichen Ansprechpartner an einem Ministerium, an einer der obersten Landesbehörden oder an einem Regierungspräsidium angesiedelt haben.

Das haben wir in Baden-Württemberg nie gewollt. Eine solche zentralistische Lösung würde auch nicht in das Land Baden-Württemberg passen. Wir sind ein Flächenland. Wir verfügen über eine ausgeprägte Selbstverwaltungskultur. Wir verfügen über ein funktionierendes Selbstverwaltungssystem. Zentralistische Lösungen vertragen sich nach meinem Geschmack nicht mit unserem Verständnis von Bürger- und Wirtschaftsnähe.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Deshalb sieht dieser Gesetzentwurf vor, dass sowohl die von der Dienstleistungsrichtlinie betroffenen Kammern, also die Wirtschaftskammern und die Kammern der freien Berufe, als auch die Stadt- und Landkreise die Aufgabe dieses Einheitlichen Ansprechpartners übernehmen sollen. Das ist eine gute Kombination, denn die kommunalen Landesverbände haben darüber hinaus ausdrücklich erklärt, dass sie die Kosten, die durch die Übernahme der Tätigkeit als Einheitliche Ansprechpartner anfallen, nicht gegenüber dem Land abrechnen wollen. Bei den Kammern geschieht dies sowieso nicht.

Diese gesetzliche Regelung, die jetzt vorliegt, trägt dem Rechnung. Die Aufgaben des Einheitlichen Ansprechpartners können von den Stadt- und Landkreisen freiwillig und damit im Rahmen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit übernommen werden. Das bedeutet, der Dienstleister kann selbst entscheiden, ob er sich an eine Kammer oder einen Stadt- oder Landkreis als Einheitlichen Ansprechpartner wendet. Wichtig ist vor allem, dass diese Kombinationslösung die Vorteile beider Selbstverwaltungssysteme miteinander vereint. Das sind die Angebote der Kammern im Bereich der Gründungsberatung – da haben sie nun einmal die besten Erfahrungen – auf der einen Seite und die Kompetenz der Stadt- und Landkreise auf dem Gebiet der Wirtschaftsförderung auf der anderen Seite. All diese Kompetenzen können so ideal in die Aufgabenerfüllung des Einheitlichen Ansprechpartners einfließen.

Meine Damen und Herren, im Rahmen des Anhörungsverfahrens konnten sowohl die Interessen der Kammern als auch die der Stadt- und Landkreise Berücksichtung finden.

Schließlich wurde insbesondere bei der elektronischen Verfahrensabwicklung und bei der elektronischen Informationsbereitstellung ein Kompromiss gefunden, der allen Beteiligten ein hohes Maß an Freiheit und auch an Selbstverantwortung gewährt: Sie können auf dieses System zurückgreifen, aber sie müssen es nicht. Der Kompromiss bietet aber auch die Möglichkeit, das Dienstleistungsportal des Landes „servicebw“ zur Erfüllung der neuen Aufgaben zu nutzen.

Noch eines ist wichtig, meine Damen und Herren: Die Dienstleistungsrichtlinie verlangt eigentlich nur, dass der Einheitliche Ansprechpartner EU-Ausländern zur Verfügung steht. Der vorliegende Gesetzentwurf geht bewusst darüber hinaus. Auch inländische Dienstleistungserbringer sollen von den Einheitlichen Ansprechpartnern als Verfahrenslotsen profitieren, wenn sie dies wollen.

Die Mitgliedsstaaten sind verpflichtet – ich habe es bereits gesagt –, die Dienstleistungsrichtlinie bis Ende des Jahres 2009 umzusetzen. Nicht alle werden das schaffen, aber wir sind sehr zuversichtlich, dass trotz der knappen Zeit eine Umsetzung noch bis zum Ende des Jahres 2009 möglich sein wird. Ich bin sicher, dass wir das schaffen können.

Ich bin eigentlich auch sehr hoffnungsvoll, dass das System der europaweiten Einheitlichen Ansprechpartner dem grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr und damit letztlich auch der Wirtschaft in Baden-Württemberg nachhaltige Impulse geben wird.

Sie haben recht: Wir haben lange um diese Möglichkeit, um eine sinnvolle Lösung gerungen. Ich möchte allen, auch wenn sie zum Teil andere Vorschläge gemacht haben, danken – hier im Haus und auch darüber hinaus –, die geholfen haben, hier letzten Endes zu einem sinnvollen Ergebnis zu kommen.

(Beifall des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP)

Jetzt wird es darauf ankommen, meine Damen und Herren, dass wir dies rasch umsetzen. Für diejenigen, die nicht mit allem einverstanden sind, was in diesem Gesetzentwurf steht, habe ich noch einen Trost: Wir haben Wert darauf gelegt – das ist auch ein Ergebnis aus der Anhörung –, dass wir nach drei Jahren überprüfen, evaluieren und schauen wollen, ob das alles gut funktioniert. Natürlich besteht dann auch die Möglichkeit der Korrektur; das ist klar. Das alles erfolgt ergebnisoffen.

Ich glaube, dass wir hier insgesamt einen guten Weg gefunden haben. Ich möchte Sie herzlich bitten, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen, damit er rasch, und zwar noch bis zum Ende des Jahres, umgesetzt werden kann.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Schwehr.

(Zuruf von der FDP/DVP: Jetzt wird’s „schwehr“! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Ein politisches „Schwehr“-Gewicht!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Was lange währt, wird nun wahr. Man könnte auch sagen: Gut Ding braucht Weile. Es ist ein trockenes Thema mit insgesamt weitreichenden Auswirkungen.

Die Forderung der Europäischen Union ist, dass jährlich ein Wachstum von 3 % erreicht werden soll. Das Wachstum insgesamt soll Arbeitsplätze schaffen. Wachstum erfordert aber auch: Alle bürokratischen Hemmnisse, die einen gemeinsamen Markt behindern, müssen verschwinden. Die Wachstumslokomotive in den Dienstleistungssektoren muss wieder Fahrt aufnehmen.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

Volkswirtschaftlich gesehen ist das auf jeden Fall der richtige Ansatzpunkt. Fast alle Arbeitsplätze, die in der Europäischen Union in den vergangenen Jahren entstanden sind, entfallen auf den Dienstleistungssektor. Das gilt auch im stark vom produzierenden Gewerbe geprägten Baden-Württemberg. Nach den Zahlen des Statistischen Landesamts werden heute rund zwei Drittel der gesamten realen Wirtschaftsleistung vom Dienstleistungsbereich erbracht. Es ist also richtig, den dynamischsten Teil des Wirtschaftsgeschehens nun auch für den Zwischenhandel nutzbar zu machen.

Es folgten mehrere Richtlinienvorschläge mit dem Ziel, dass alle Dienstleistungen nach dem Recht des Herkunftslands in jedem anderen Land der Europäischen Union angeboten werden dürfen. Eines der Kernelemente der Dienstleistungsrichtlinie ist: Ein Einheitlicher Ansprechpartner soll als Frontoffice oder als One-Stop-Agency

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Wow!)

für die Aufnahme und Ausübung von Dienstleistungen alle Informationen abfragen und alle Formalitäten zeitnah abwickeln, wenn ein EU-Ausländer eine Dienstleistung bei uns in Baden-Württemberg anbieten will.

Diese zentrale Anlaufstelle kontrolliert das Verfahren. Die Verwaltung ist Dienstleister, der Bürger ist Kunde – kein schlechter Gedanke. Ich denke, dass das Sympathiewerte bei uns allen schafft.

Das neue Genehmigungsverfahren bekommt eine Zeitvorgabe. Es wird transparenter und arbeitet mit Genehmigungsfiktionen. Aktenstaub war gestern: Nacheinander die Handwerkskammer, die Gewerbeaufsicht, das Finanzamt, das Eichamt, die Bundesagentur für Arbeit, die Berufsgenossenschaft und die Zollverwaltung einzuschalten, die Arbeitnehmer bei der Sozialversicherung zu melden und vielleicht noch Aufenthaltserlaubnisse einzuholen, das wird künftig so nicht mehr funktionieren. Die Verwaltung wird neue Organisationsstrukturen und -prozesse entwickeln müssen. Sie muss die Verfahrenskorrespondenz optimieren und die Bearbeitungszeit insgesamt verkürzen, also ihrerseits Dienstleistung anbieten. Auch wenn dafür von Bund und Land eine elektronische Infrastruktur aufgebaut wird, wird dies eine Umstellung bedeuten. Vielleicht wird die lang angestrebte Modernisierung der Verwaltung nun endlich auch angepackt.

Wir haben ein gemeinsames Thesen- bzw. Aktionspapier zur Dienstleistungsrichtlinie herausgegeben und darin Ziele formuliert. Nirgends soll es für Dienstleistungsanbieter aus der Europäischen Union leichter sein als bei uns in Baden-Würt

temberg, ihre Dienstleistung anzubieten. Die Verortung des Einheitlichen Ansprechpartners und sein Leistungsprofil sollen für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg den bestmöglichen Nutzen bringen. Es darf – der Minister hat es angesprochen – nicht zur Diskriminierung von Inländern kommen; das war für uns sehr wichtig.