Protocol of the Session on November 4, 2009

Sie haben gesagt: „eine gute, ausgewogene, angemessene Würdigung des Verstorbenen“.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Wir wissen es noch!)

Herr Kollege Mappus, jetzt – bevor Sie im Amt sind – haben Sie noch die Chance, sich von dieser Äußerung zu distan zieren.

(Widerspruch bei der CDU – Zuruf des Abg. Stefan Mappus CDU)

Sonst wird dieses Thema Sie genauso begleiten, wie es den Ministerpräsidenten begleitet hat.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Unruhe)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kretschmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Knall auf Fall hat Ministerpräsident Oettinger das Schiff hier verlassen

(Widerspruch bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Da sitzt er doch!)

oder möchte es verlassen –, und das in einer Situation, in der die Steuereinnahmen nicht mehr sprudeln, er aber aufgrund des Steuersegens durch die Mehrwertsteuererhöhung ausgeglichene Haushalte vorzeigen konnte, in einer Situation, in der wir vor einer Haushaltslage stehen, wie wir sie noch nie hatten. In einer solchen Situation verlässt er das Schiff und geht nach Brüssel.

Wir erinnern uns noch, dass wir hier vor zwei Jahren eine Debatte über die CO2-Richtlinie für Kraftfahrzeuge hatten. Da ging es um eine Obergrenze von 120 g/km. Damals ist er hier an das Rednerpult gegangen, hat das bekämpft und hat auch Frau Merkel in ihrem Kampf gegen die Richtlinie unterstützt und gesagt: Hier soll der Standort Deutschland mit der Umweltkeule kaputt gemacht werden. Deswegen hat er sich dagegen ausgesprochen.

Ich frage mich: Ist das jetzt eigentlich die Aufbruchstimmung für Europa, wenn man jemanden nach Brüssel schickt, der eine ganz alte Wirtschaftspolitik macht und von der neuen völlig unbeleckt ist?

Sie können heute im „Handelsblatt“ Folgendes nachlesen:

Wirtschaft pocht auf strengen Klimaschutz. Deutsche Unternehmen erhoffen sich von international verbindlichen Zielen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen Schub für ihr Geschäft. Mit Sorge betrachten sie daher die schwierigen Verhandlungen im Vorfeld des Gipfels von Kopenhagen.

Siemens-Chef Peter Löscher sagt, Umwelt- und Klimatechniken hätten das Potenzial, Wachstumstreiber des 21. Jahrhunderts zu werden. Weiter heißt es, dass die grüne Industrie und die Schonung der Ressourcen inzwischen „Big Business“ seien.

(Beifall bei den Grünen)

Aber wen schicken wir nach Brüssel?

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Den Besten!)

Jemanden, der noch vor zwei Jahren überhaupt keinen Weitblick in der Sache bewiesen hat, wohin es mit unserer Wirtschaft eigentlich geht. Sie treten Ihr Amt also schon mit einer schweren Hypothek an.

Ich empfehle Ihnen einmal einen Schnellbleichkurs bei der Fraktion GRÜNE, bevor Sie nach Brüssel gehen.

(Beifall bei den Grünen – Lachen bei der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Zu welchem Thema?)

Jetzt soll Kollege Mappus Ministerpräsident werden.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Er wird es auch!)

Ich möchte mich jetzt nicht in Spekulationen verlieren, was da alles auf uns zukommt und was nicht. Ich halte mich einmal an das, was klare und erkennbare Unterschiede zwischen Ministerpräsident Oettinger und Ihnen sind, Kollege Mappus.

Ministerpräsident Oettinger ist schon zu Beginn der Arbeit der Föderalismuskommission dafür eingetreten, dass es keine Steuersenkung auf Pump geben darf. Sie dagegen, Herr Kollege Mappus, haben immer auf der Linie der FDP argumentiert: Steuersenkungen sind nötig, egal, wie die Haushaltslage des Landes ist.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dieter Hillebrand CDU: Das hat er nicht gesagt! – Abg. Stefan Mappus CDU: Das stimmt nicht! Das habe ich nicht gesagt!)

Sie sind auch jetzt im Interview wieder für Steuersenkungen eingetreten, und das bei einer Situation mit einer Deckungslücke von 7,5 Milliarden € im Doppelhaushalt. Davon sind jetzt vielleicht 2,3 Milliarden €, wie wir hören, abgearbeitet. Wir haben also nach wie vor ein Loch von ca. 5 Milliarden €. Wenn wir uns die Fehlbeträge in der mittelfristigen Finanzplanung anschauen, dann sehen wir, dass in jedem Jahr 2 Milliarden € dazukommen. Das heißt, wir haben bis zum Jahr

2012 einen kumulativen Aufwuchs von 6 Milliarden €. Dazu kommen natürlich die Deckungslücken, die schon vorher da waren.

Das heißt, der Haushalt läuft schon jetzt, ohne Berücksichtigung der Steuersenkung durch Schwarz-Gelb, aus dem Ruder. Wir werden eine Neuverschuldung bekommen, wie wir sie noch nie hatten. Sie werden selbst den Ministerpräsidenten Teufel toppen. Der war schon ein Schuldenmacher par ex cellence. Er hat, als er Ministerpräsident wurde, seine Amtszeit mit 20 Milliarden Schulden begonnen und dann auch mit 20 Milliarden Schulden beendet, allerdings mit D-Mark begonnen und mit Euro beendet.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das ist offensichtlich die Tradition, in die Sie sich stellen wollen. Nach dem, was wir schon jetzt an katastrophaler Entwicklung haben, wollen Sie mit einer weiteren Steuersenkung durch die neue Bundesregierung den Haushalt vollends an die Wand fahren.

Herr Kollege Mappus, dazu müssen Sie sich erklären. Wollen Sie weitere Steuersenkungen auf Pump machen – zulasten der kommenden Generationen –, oder wollen Sie sich einer seriösen, nachhaltigen Finanzpolitik verschreiben, die im Auge hat, dass wir auch noch in zehn Jahren handlungsfähig sind und die Kernaufgaben unseres Landes erfüllen können, z. B. in der Bildung und in der Kinderbetreuung? Das sind die entscheidenden Herausforderungen, vor denen wir stehen. Das haben Sie selbst kürzlich gesagt. Aber jeder, der auch nur die vier Grundrechenarten beherrscht

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das sagt noch nichts!)

das tun wir beide; wir beide, Kollege Mappus, haben ja in Hohenheim studiert, wenn auch unterschiedliche Fächer –,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Da kann man dann rechnen!)

müsste wissen, dass der Schuldenstopp, den wir ab dem Jahr 2020 haben werden, die Steuersenkung und das Investieren in die Kernbereiche unserer Landespolitik die Quadratur des Kreises sind, und den Kreis kann man bekanntlich nicht quadrieren, Herr Kollege Mappus. Deswegen: Kommen Sie auf den Pfad der Vernunft zurück.

(Beifall bei den Grünen)

Es wird an Ihnen liegen, ob Sie selbst auf der populistischen Welle der bürgerlichen Protestpartei FDP reiten,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU zur FDP/DVP: Jetzt wisst ihr es endlich! – Gegenruf von der FDP/DVP)

die wie die Linke alles verspricht, was man hören will. Das sind zwei Wünsch-dir-was-Parteien. Wollen Sie auf dieser Linie fahren? Wackelt der Schwanz mit dem Hund, oder nehmen Sie Verantwortung für das Land wahr?

(Abg. Volker Schebesta CDU: Machen Sie ihm nicht solche Angst! – Heiterkeit)

Ich habe den Zwischenruf leider nicht gehört.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie sollen Herrn Rülke keine Angst machen!)

Hast du ein Problem, mach Witze.

(Heiterkeit – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das ist das Leitmotiv Ihrer Rede!)

Herr Kollege Mappus, Ministerpräsident Tillich von Sachsen hat diese Steuersenkung als unverantwortlich bezeichnet. Die Ikone der FDP, Graf Lambsdorff, ging in dieselbe Richtung. Erste FDP-Landespolitiker wie Kubicki in Schleswig-Holstein und Hahn in Hessen setzen sich von dieser verheerenden Steuersenkungspolitik zulasten Dritter, nämlich des Landes und der Gemeinden, ab.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Stimmt doch alles nicht!)

Da ist die erste Frage, die sich jetzt hier stellt: Setzen Sie den Kurs Ihres Vorgängers durch? Der hat allerdings auch nur die Backen aufgeblasen und nicht gepfiffen.

(Heiterkeit bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Aber man hält Sie ja für durchsetzungsfähig. Die Frage ist nur: Setzen Sie sich in den richtigen Dingen durch?

(Heiterkeit bei den Grünen)