Protocol of the Session on October 7, 2009

(Beifall bei den Grünen)

Das ist eine Innovation, die schon lange gemacht wird, aber von Ihnen verschlafen und nicht wirklich durchgesetzt wird. Diese Innovation kann man in Zeiten knapper Kassen machen, um das Ziel zu erreichen, weil sie sich nämlich bei den hohen Energiepreisen, die wir haben, refinanziert.

Das sind Vorschläge, die wirklich Arbeitsplätze, Eigenkapital und Bildung in Handwerk und Mittelstand sichern, Vorschläge, was man realistischerweise tun kann. Aber das, was Sie machen – die Leute jetzt noch einmal mit einer Steuersenkung zu locken, was Ihnen ja leider gelungen ist –, kann nur in die Irrealität führen. Sie versprechen den Leuten, dass die Wachstumseffekte, die dadurch erzeugt werden, den Ausfall durch die Steuersenkung egalisieren, sogar überkompensieren. Die se Effekte sind durch nichts, aber auch durch gar nichts empirisch belegt.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Aber natürlich!)

Das hat in den USA unter Reagan nicht funktioniert. Als RotGrün eine solche Steuersenkung gemacht hat, hat es auch nicht funktioniert, und als die Mehrwertsteuer erhöht wurde, ging es mit der Wirtschaft trotzdem aufwärts. Mit diesem nationalen Drehen an der Steuerschraube kann man heute in der

globalisierten Wirtschaft keine wirksame Wirtschaftspolitik für Mittelstand und Handwerk machen. Diese macht man vielmehr dadurch, dass man das Produktportfolio ändert, z. B. im Fahrzeugbau andere Produkte auf den Markt bringt, die auch Chancen auf den Weltmärkten haben. Bei ressourcen- und energiesparenden Produkten besteht Nachfrage auf der ganzen Welt und im eigenen Land, bei den eigenen Liegenschaften. Da ist das Handwerk gut aufgestellt. Durch die Konjunkturprogramme haben wir sogar Preissteigerungen. Es liegt also sogar eine Überhitzung vor, die zu Mitnahmeeffekten führt.

Aber dort, wo Sie selbst etwas machen können, nämlich bei den Liegenschaften im eigenen Land – dort kann man etwas für die Handwerker tun, planbar und abschätzbar –, versagen Sie völlig und bringen nichts auf die Reihe.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Deswegen erwarten wir von Ihrer Regierungsbeteiligung in Berlin nichts Gutes.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Wirtschaftsminister Pfister.

(Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Jetzt wird aufge- räumt!)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wirtschaft ist, wie man weiß, zumindest zu 50 % Psychologie. Ich sage Ihnen voraus: Die neue Bundesregierung in Berlin ist das beste Konjunkturprogramm für Mittelstand und Handwerk, das man sich vorstellen kann.

(Beifall bei der FDP/DVP – Lachen bei der SPD und den Grünen – Zuruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

Das muss es auch sein, weil die Bedeutung des Handwerks für unsere Volkswirtschaft eigentlich unumstritten ist. Alle Redner haben sich zur Bedeutung von Handwerk und Mittelstand bekannt. Hier wurde gewissermaßen das Hohelied auf das Handwerk gesungen – ich finde, zu Recht. Ich sage Ihnen voraus, dass die Bedeutung von Handwerk und Mittelstand in der Zukunft eher noch höher wird, als dies in der Vergangenheit der Fall war.

Warum ist das so, Herr Kollege Kretschmann? Sie haben das als Einziger nicht begriffen.

(Heiterkeit bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Jawohl!)

Das ist deshalb so, weil wir aus der Wirtschafts-, der Finanz- und der Bankenkrise auch eine Konsequenz ziehen müssen. Deutschland ist ein starkes Industrieland. Deutschland wird auch in der Zukunft – nach der Krise – ein starkes Industrieland sein. Aber es gibt keine Garantie dafür, dass in den wirklich starken Industriebranchen – etwa Automotive oder Maschinenbau – in der Zukunft noch die gleiche Anzahl an Beschäftigten wie vor der Krise vorhanden sein wird. Dafür gibt uns niemand eine Garantie.

(Zuruf des Abg. Peter Hofelich SPD)

Aber wenn dies so ist, meine Damen und Herren, dann tun wir gut daran, in Deutschland gewissermaßen zur Abfederung der konjunkturellen Schwankungen, die wir jetzt allerdings in extremem Maß erlebt haben, ein zweites Standbein zu entwickeln. Nach Lage der Dinge kann das Handwerk hierbei in der Zukunft eine zentrale Rolle spielen. Deshalb, meine Damen und Herren, wird das Handwerk in der Zukunft gesellschaftspolitisch, aber auch konjunkturpolitisch eine wichtige Rolle spielen. Das ist das eine.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullin- ger FDP/DVP: Weiter spielen!)

Das Zweite: Herr Kollege Kretschmann, ich nehme gerade die klimapolitischen Entwicklungen sehr ernst. Gerade an den Beispielen Klimaschutz und Handwerkspolitik kann man überaus deutlich machen, dass es hier zu großen Schnittmengen kommt. Ich weise beispielsweise gern darauf hin, dass 75 % aller Gebäude in Baden-Württemberg älter als 25 oder sogar älter als 30 Jahre sind.

Wenn man weiß, welche technischen Möglichkeiten im energetischen Bereich heute vorhanden sind, dann liegt es geradezu auf der Hand, dass für das Handwerk im Bereich der energetischen Sanierung in der Zukunft unglaubliche Möglichkeiten bestehen. Dies gilt für Privatwohnungen, für Privatgebäude, aber selbstverständlich auch für öffentliche Gebäude.

Deshalb bin ich davon überzeugt: Wir sollten nicht den Fehler machen, Handwerkspolitik, also Wirtschaftspolitik auf der einen Seite und Klimaschutzpolitik auf der anderen Seite voneinander zu trennen. Vielmehr ergibt sich der Sinn daraus, dass beides zusammengeführt wird. Ökonomie und Ökologie sind keine Gegensätze, sondern lassen sich, wie sich an diesem Beispiel wunderbar darstellen lässt, miteinander vereinbaren.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Ich bin allerdings folgender Meinung, meine Damen und Herren: Wir sollten uns, wenn wir das Hohelied des Handwerks singen, auch die Rahmenbedingungen anschauen. Sind diese Rahmenbedingungen günstig oder nicht? Ich will nicht alles wiederholen, was schon gesagt wurde, aber doch auf ein paar Punkte eingehen.

Vorhin wurde gesagt, das Thema Handwerkspolitik habe mit Steuerpolitik nichts zu tun. Dieser Meinung bin ich nicht.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Sehr richtig!)

Ich bin der Meinung, dass dies sehr viel mit Steuerpolitik zu tun hat, und ich erwarte von der neuen Bundesregierung, dass zumindest die schlimmsten Giftzähne, die in der Vergangenheit gesetzt wurden, zugunsten des Handwerks gezogen werden.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jawohl! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Vorsicht!)

Meine Damen und Herren, was ist eigentlich falsch daran, wenn ich sage, dass wir alles, was in irgendeiner Form mit

Substanzbesteuerung zu tun hat, endlich abschaffen müssen?

(Beifall bei der FDP/DVP)

Wir haben in der Vergangenheit – da hat es gar keinen Unterschied gegeben – z. B. gemeinsam entschieden, dass die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft werden soll. Alle waren dieser Meinung. Warum waren wir dieser Meinung? Weil wir gesagt haben: Wenn wir schon Steuern bezahlen, dann bitte schön auf Gewinne, aber nicht auf Verluste oder auf Kosten oder auf Ausgaben. Die Gewerbekapitalsteuer ist abgeschafft worden, und der Finanzminister – Ihr Finanzminister, Kollege Schmiedel – hat in Berlin eine neue Substanzsteuer eingeführt,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Die Kanzlerin heißt Merkel!)

indem er z. B. dafür sorgt, dass Kosten, dass Auslagen wie Zinsen oder Leasingraten, Pachtraten und Ähnliches, zur Gewerbesteuer veranlagt werden. Damit hat er eine neue Substanzsteuer eingeführt, die insbesondere dem Handwerk schadet.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Pervers!)

Dieser Unsinn muss weg.

Was ist eigentlich, meine Damen und Herren, so falsch daran, wenn ich sage, dass die Abführung der Mehrwertsteuer bei einem Auftrag erst dann stattfinden soll, wenn die Rechnung bezahlt ist? Die Fachleute nennen dies den Übergang von der Soll- zur Istbesteuerung. Auch dieser Giftzahn von Berlin muss im Interesse des Handwerks gezogen werden.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Beate Fauser FDP/ DVP: Das war das Schärfste!)

Ich nenne ein drittes Beispiel. Irgendwann in der letzten Legislaturperiode wurde entschieden, dass die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr zum Monatsende erfolgen, sondern vorgezogen werden soll. Das hat nicht nur zu einer Belastung von rund 4 Milliarden € beim Handwerk und beim Mittelstand geführt, sondern, weil die Rechnungslegung gewissermaßen zweimal gemacht werden muss, auch einen gigantischen bürokratischen Aufwand verursacht.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jawohl!)

Das alles sind Tricksereien, meine Damen und Herren, durch die sich der Staat bedient, aber gleichzeitig das Handwerk belastet hat. Deshalb, Herr Kollege Kretschmann, müssen solche Tricksereien, müssen solche Giftzähne, die da gesetzt wurden, endgültig vom Tisch. Sonst meinen Sie es mit dem Handwerk nicht ernst.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Natürlich hat das alles auch mit dem Thema Mittelstandsfinanzierung zu tun. Nach allem, was ich weiß, glaube ich nicht, dass man generell von einer Kreditklemme im Handwerk sprechen kann. Alle Hinweise machen deutlich, dass es im Hand

werk wieder deutlich nach oben geht. Wir lesen heute in den Wirtschaftsteilen der Zeitungen, dass 50 % aller Handwerksbetriebe in Deutschland der Meinung sind, das vierte Quartal werde noch wesentlich besser sein als das dritte, und dieses war schon sehr gut, noch besser als das zweite. Aber gerade dann, wenn es aufwärts geht, müssen wir schauen, dass die notwendige Liquidität in den Unternehmen vorhanden ist. Die se notwendige Liquidität wollen wir schaffen. Ich schätze, wir kommen bei Punkt 2 der heutigen Tagesordnung näher darauf zu sprechen.

Aber eines will ich sagen: Ich bin froh, dass wir in einem Land leben, in dem wir zwar viel über Opel, viel über Arcandor, Quelle und andere Unternehmen lesen, in dem aber 99,5 % aller Bürgschaften, die vergeben werden, an kleine und mittlere Unternehmen gehen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Wenn heute das Handwerk im Wesentlichen nicht über Kreditklemmen klagt, dann hängt das auch damit zusammen, dass dieses Land Baden-Württemberg rechtzeitig eine offensive Bürgschaftspolitik gefahren ist, um die Liquidität dieser Unternehmen herzustellen.

Eine letzte Bemerkung möchte ich noch machen. Was ist – neben der Frage der Mittelstandsfinanzierung, neben den steuerlichen Rahmenbedingungen – noch ein wichtiger Baustein für die Zukunft des Handwerks? Das sind selbstverständlich die Fachkräfte. Der Fachkräftemangel ist kein Konjunkturproblem, sondern er ist ein Strukturproblem. Vieles wird im Augenblick möglicherweise verdeckt. Aber ich möchte Sie doch auf Folgendes hinweisen: Das Meinungsforschungsinstitut Prognos sagt uns, dass allein bis zum Jahr 2015 in Baden-Württemberg rund 280 000 Arbeitskräfte fehlen werden. 50 bis 60 % davon sind Arbeitskräfte, die eine Ausbildung im dualen System absolviert haben oder auch eine akademische Ausbildung haben. Das sind 280 000 Arbeitskräfte, die dem Arbeitsmarkt nicht mehr als Fachkräfte zur Verfügung stehen.

Angesichts dieser Zahlen muss man heute wirklich alles tun und muss alle Qualifikationen, die man hat, versammeln. Dies tun wir auch, beispielsweise indem wir eine offensive Ausbildungspolitik machen und indem wir dazu beitragen, dass Betriebe, die in Insolvenz gehen, ihre Auszubildenden nicht auf die Straße schicken müssen. Wir haben rechtzeitig Programme geschneidert, die es möglich machen, dass diese jungen Leute von anderen Betrieben übernommen werden. Damit haben wir einen wichtigen Beitrag geleistet, um die Qualifikation der Menschen in Baden-Württemberg – eine wichtige Voraussetzung für den Aufschwung – in der Zukunft zu erhalten und weiter auszubauen.