Auch diesen Satz haben Sie nahtlos übernommen. Genau das ist der Punkt: Wir wollen mit der Lebenszeit junger Menschen verantwortungsvoll umgehen. Wenn wir jungen Menschen helfen, Stress und Druck zu vermeiden, wenn wir ihnen ermöglichen, stressfreier zu lernen, Bildungserfolg nachhaltiger zu sichern, dann ist das der richtige Weg, verantwortungsvoll mit der Lebenszeit junger Menschen umzugehen. Diesen Weg zu ermöglichen haben Sie heute eine Gelegenheit, indem Sie unseren Anträgen zustimmen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Schmiedel und Frau Rastätter haben – nicht zum ersten Mal, sondern das zieht sich durch – den Eindruck erweckt, als ob Helmut Rau der Einzige im ganzen Universum sei, der für G 8 steht.
(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Ihr doch auch! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Ihr stützt ihn doch in der Fraktion!)
In der Tat, Herr Schmiedel, der Blick über die Grenzen hilft. Nun schauen Sie einmal nicht so ganz weit über die Grenze, sondern nur bis Rheinland-Pfalz.
Wenn Sie über die Grenze hinausschauen, fällt Ihnen auf, dass das achtjährige Gymnasium, ein achtjähriger Bildungsgang zum Abitur von fast allen Bundesländern durchgeführt wird, und zwar flächendeckend ohne Differenzierung, und dass es auch dem europäischen Standard entspricht. Wir halten das nach wie vor für richtig, gerade in Verantwortung für die Ausbildungszeiten junger Menschen. Da haben wir die Einschulung, die Studienzeiten, aber eben auch den Bildungsgang am Gymnasium verändert, und wir haben auch inhaltlich auf die se Reduzierung der Schulzeit Rücksicht genommen.
Wir haben uns im Jahr 2003 dafür entschieden, das achtjährige Gymnasium flächendeckend einzuführen. Wenn wir jetzt diesen Schulversuch zulassen würden, würden wir von dieser flächendeckenden Einführung, die alle im Jahr 2003 mitgetragen haben, abweichen.
Ich kann natürlich ein pädagogisch gutes Konzept aufstellen; das ist keine Frage. Aber ich muss mir doch auch überlegen: Was heißt das, wenn ich das achtjährige Gymnasium nicht mehr flächendeckend, sondern zwei mögliche Wege zum Abitur im allgemeinbildenden Gymnasium anbiete?
Da ist zum einen die Frage: Schaffe ich am allgemeinbildenden Gymnasium damit ein Abitur von zweierlei Qualität?
Schaffe ich damit noch die Differenzierung? Mosbach ist kein riesengroßes Gymnasium. Es gibt aber auch noch kleinere Gymnasien. Schaffe ich es, die bisherige Differenzierung, die
wir an den Gymnasien zum Glück haben, in Profile, in Sprachen etc., aufrechtzuerhalten, wenn auch noch in G 8 und G 9 differenziert wird?
(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Lassen Sie das doch ein Gymnasium ausprobieren! Die Fragen können be- antwortet werden!)
Es ist natürlich auch eine Frage der Ressourcen. Deshalb hat der Gemeinderat der Stadt Mosbach beschlossen, dem unter der Maßgabe zuzustimmen, dass auf den Schulträger keine wesentlichen Kosten zukommen. Damit sind natürlich auch Ressourcenfragen verbunden.
Weil das so ist, haben wir uns für eine flächendeckende Einführung entschieden, die im Jahr 2003 auch der Stimmungslage entsprochen hat. Dort war nämlich die politische Forderung eindeutig, für alle Schülerinnen und Schüler am Gymnasium den achtjährigen Bildungsgang zum Abitur zuzulassen.
Dass Sie die Argumente so verwenden, wie Sie sie brauchen, zeigt auch ein Blick darauf, wie wir hier im Landtag über die Frage der flächendeckenden Einführung diskutiert haben. Es gab in der Schlussabstimmung zur Frage des achtjährigen Gymnasiums einen einzigen Änderungsantrag. Der hatte das Ziel, den sogenannten Korridor bei der Einführung zu ermöglichen, also nicht ab einem bestimmten Schuljahr gleichzeitig in allen Schulen anzufangen, sondern das über einen Zeitraum von fünf Jahren zu ermöglichen. 2007/08 sollte der letzte Einführungszeitpunkt sein. Damit wäre das achtjährige Gymnasium im Schuljahr 2008/09, dem jetzigen Schuljahr, nach dem einzigen Änderungsantrag, der hier im Landtag gestellt worden ist, flächendeckend eingeführt.
Jetzt raten Sie einmal, wer diesen Antrag gestellt und damit zu dem Zeitpunkt ebenfalls dafür eingetreten ist, G 8 flächendeckend anzubieten. Das war die SPD, und Sie haben sogar eine namentliche Abstimmung beantragt, wobei Schmiedel, Zeller und Rastätter für die flächendeckende Geltung des achtjährigen Gymnasiums ab dem Schuljahr 2008/09 gestimmt haben.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Ste- fan Mappus CDU zur Opposition: Und jetzt wollt ihr das Gegenteil! So seid ihr halt: wie es gerade passt! – Gegenruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)
Herr Schmiedel, in der Praxis würden Sie – so behaupten Sie – alles besser machen, wenn Sie regieren würden.
Das Einzige, was Sie besser machen könnten, ist Opposition. Das hat die Umfrage, die Sie in Auftrag gegeben haben, auch gezeigt.
Wir kümmern uns um die Umsetzung von G 8. Deshalb hat die Politik auch bei der Umsetzung gelernt und mehrfach Verbesserungen beim achtjährigen Gymnasium vorgenommen.
Zuletzt waren das die Hausaufgabenbetreuung und die Änderung an der Stellschraube Kontingentstundentafel/Poolstunden. Wir kümmern uns um die Abiturienten, die 2012 gleichzeitig aus dem neunjährigen und dem achtjährigen Gymnasium kommen und die Schulzeit beenden. Wir haben dazu eine Große Anfrage eingebracht, die alles, nicht nur den Stand bezüglich der Studienplätze, sondern auch die beruflichen Perspektiven von Abiturienten insgesamt abfragt und danach fragt, wie wir gewährleisten, dass alle ihre Chance haben.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schmiedel, Sie haben Ihre Umfrage hier noch einmal erläutert und uns auch dargelegt, dass sie nicht ganz so pauschal war, wie das in der Presse den Anschein hatte. Aber die wichtigste Frage war: Ist G 8 gut oder schlecht? Haben Sie den Menschen, denen Sie diese Frage gestellt haben, auch erklärt, was eine Poolstunde ist, was die Kontingentstundentafel ist, was das Schulcurriculum ist?
(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Die Menschen sind doch nicht dumm! – Abg. Reinhold Gall SPD: Die kennen doch die Praxis vor Ort! Das muss man de- nen doch nicht erklären!)
Nein, die sind nicht blöd, aber diese Begriffe müssen den Menschen auch geläufig sein, wenn sie sich ein Urteil über G 8 bilden wollen. Das haben Sie nicht erklärt. Deshalb ist Ihre Umfrage nicht mehr und nicht weniger als ein Stimmungsbild. Ich nehme das als Stimmungsbild auch ernst, aber Sie können von mir nicht verlangen, dass ich als Bildungspolitikerin, die ein Stück weit mit Verantwortung trägt, aufgrund eines Stimmungsbilds unsere Linie verlasse.
Wir haben eine generelle Linie, und an der halten wir fest. Wenn Sie auf einer solchen Grundlage, also aufgrund eines Stimmungsbilds, Ihre Politik verändern wollen – wir haben eben schon gehört, wie die vor drei oder fünf Jahren noch ausgesehen hat –, ist das Ihre Sache. Aber Ihre Bildungspolitik ist ja insgesamt sowieso nicht ernst zu nehmen.
Gestern las ich in der Zeitung, dass Sie der Landesregierung vorwerfen, es fehle die generelle Linie, sie vertrete einen völlig falschen Kurs und sei auf der ganzen Linie gescheitert. Wissen Sie, wer auf der ganzen Linie mit seiner Gymnasialpolitik gescheitert ist? Das sind Sie. Sie haben hier vor zwei Jahren einen Gesetzentwurf eingebracht: sechs Jahre Grundschule verpflichtend, Abschaffung der Hauptschule, Abschaffung der Realschule, Abschaffung des Gymnasiums, gymnasiale Oberstufe drauf.
Wenn das alles Schrott ist, was wir hier machen, dann setzen Sie doch endlich Ihre Linie durch! Machen Sie doch einmal eine generelle Linie in Ihrer Bildungspolitik! Warum machen Sie es nicht? Sie sagen: Ja, das hat noch Zeit, das muss wachsen, da sind wir noch nicht so weit.
Das nehmen wir für uns auch in Anspruch. Wir haben hier ein pädagogisches Konzept auf den Weg gebracht. Auch das braucht seine Zeit. Das ist nicht an einem Tag zu bewältigen. Wir halten an unserer Linie fest.