Ich bin der Meinung, sie verhalten sich so, weil sie wissen, dass sie für eine öffentliche Beschreibung der tatsächlichen Verhältnisse, und sei sie noch so wahr, Sanktionen aus dem Hause Frankenberg befürchten müssen. Schließlich ist man bei der Bewilligung von Ausstattungsmitteln, bei der zügigen Abwicklung von Berufungsverfahren oder bei der Entscheidung über Baumaßmahnen angesichts vieler, vieler Konkurrierender deutlich abhängig von Minister und Ministerium.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute haben wir hier im Parlament sozusagen den Tag der Wissenschaft. Auf diese Aktuelle Debatte folgt eine weitere und später die Einbringung des KIT-Gesetzes. Drei Debatten, ein Thema; drei Debatten, drei Ansätze.
Kollegin Bauer hat wie eigentlich immer schwarzgemalt. Wir werden in der nächsten Debatte klarmachen – Kollege Löffler hat es bereits getan –, dass diese Landesregierung in den Farben Schwarz-Gelb erhebliche Erfolge in der Wissenschaftspolitik vorzuweisen hat.
Mir persönlich gefällt der dritte Teil eigentlich am besten, nämlich die Einbringung des KIT-Gesetzes.
Wir werden damit in Deutschland und in Europa Maßstäbe setzen; denn mit dem KIT werden wir eine Universität und eine Großforschungseinrichtung vereinigen. Wir werden damit ganz an der Spitze sein. Wir müssen hier nichts schönreden; wir können uns auf Tatsachen stützen. Wissenschaft und Forschung in Baden-Württemberg sind spitze.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, während wir hier debattieren – Kollegin Bauer hat zu Recht darauf hingewiesen –, wird draußen demonstriert. Sollte uns solcher Protest zu denken geben, obwohl wir ja in der Forschung – nehmen Sie die Patentanmeldungen, nehmen Sie die Forschungsausgaben – ganz an der Spitze sind? Ich meine, er sollte.
Es gibt da nämlich die Frage, was Menschen in einen solchen Bildungsstreik bringt. Es gibt dort zwei Gruppen. Die eine Gruppe möchte eine andere Republik. Die zweite Gruppe geht auf die Straße aus ehrlicher Sorge um ihre Zukunft und um die Zukunft ihrer Hochschule; diese sollten wir ernst nehmen und uns die Frage stellen: Wo steht Baden-Württemberg in der Qualität des Studiums? Wie gehen wir mit den Wirtschafts-, Sozial- und Geisteswissenschaften um? Haben wir vielleicht vor lauter Begeisterung für die Forschung etwas weniger auf die Lehre geschaut?
Heute schon Antworten auf diese Fragen zu geben wäre verfrüht. Ich will es deshalb bei drei Beobachtungen belassen.
Beobachtung 1: Hier bei uns in Stuttgart, Kollege Löffler, werden an beiden Universitäten Institutsgebäude für die Forschung eingeweiht, Hörsäle nicht. In Hohenheim z. B. werden die Vorlesungen mit Video in einen zweiten Hörsaal übertragen. Alle, vom Rektor über den AStA bis hin zu den örtlichen Landtagsabgeordneten – ich erinnere an meine Mündliche Anfrage von vor etlichen Monaten in dieser Sache –, haben einen größeren Hörsaal gefordert. Man wundert sich nicht, wenn dann selbst die eher konservativen Studierenden der
Wirtschaftswissenschaften an einer der besten Kaderschmieden für Manager in Deutschland unruhig werden und protes tieren. Verstehen kann ich das.
Beobachtung 2: Vor zwei Jahren, glaube ich, erhielt Professor Wolf an der Universität Stuttgart für seine Forschungen über den Abbau von Eiweißen in der Zelle den Landesforschungspreis. Die Universität Stuttgart überlegte, seinen Lehrstuhl zu streichen. Am Montag erhielt Professor Pyta für seine Forschungen über Hindenburg den Landesforschungspreis. Die Universität Stuttgart überlegt, in den Geschichtswissenschaften zu streichen. Die Studierenden der Geschichtswissenschaft sind auf der Straße, denn es geht ja um ihre Zukunft. Verstehen kann ich das ein Stück weit.
Beobachtung 3: Wir haben die Gehaltsobergrenze für Professorinnen und Professoren gelockert. Das Murren der vielen Tausend Professorinnen und Professoren, die nicht Spitzenforschung betreiben, sondern sich Tag für Tag mit Hingabe der Lehre widmen, ist an unseren Hochschulen kaum noch zu überhören. Jetzt werden an manchen Hochschulen Haushaltslöcher mit Studiengebühren gestopft, Tutorien müssen abgebaut werden. Wenn da die Studierenden auf die Straße gehen, weil es ja um ihre Zukunft und auch um ihr Geld und dessen Verwendung geht, dann kann ich das ein Stück weit verstehen.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, so ernst wir die Sorgen dieser Studierenden nehmen sollten, so sehr müssen wir deutlich machen, wie wir mit der anderen Gruppe umgehen. Es besteht die Gefahr, dass diejenigen, die aus Sorge um ihre Zukunft und die ihrer Hochschule auf der Straße sind, denjenigen in die Arme getrieben werden, die eine andere Republik wollen.
Kollege Löffler hat bereits darauf hingewiesen, was für Gruppen das sind, die zu diesem Bildungsstreik aufrufen. Ich darf von der Homepage, die da ganz offen sagt, wes Geistes Kind die sind, zitieren. Da gibt es z. B. eine Gruppe, die „Antirepressalien“ organisieren soll. Das ist auf Deutsch der Widerstand gegen Polizei und Ordnungskräfte, nichts Besseres. Dort arbeitet man mit der Roten Hilfe e. V., einer – Zitat – „linken strömungsübergreifenden Solidaritätsorganisation“, zusammen. Da gibt es dann ein Spendenkonto.
Weniger zimperlich bei der Geldbeschaffung ist man mit dem Veranstaltungstipp – Kollege Löffler hat es bereits gesagt –: Banküberfall! Da heißt es dann: „Bundesweit und dezentral rücken wir den Profiteuren auf die Pelle.“ Und weiter: „Diesmal“ – wohlgemerkt: diesmal – „bleibt es aber noch niedrigschwellig und symbolisch.“ Wir fragen: Und beim nächsten Mal?
Eigentlich will man – ich zitiere weiter – „Kapital vergesellschaften …, damit der gesellschaftliche Reichtum endlich uns allen gehört“, und dazu sagen wir als Liberale klipp und klar: Mit der Vergesellschaftung von Kapital hat man auf deutschem Boden Erfahrungen sammeln müssen. Wir wollen mit diesen Leuten nichts zu tun haben,
und wir dürfen die ordentlichen, anständigen und fleißigen Studierenden diesen Leuten nicht in die Arme treiben.
Die war 1968. Damals gab es eine Große Koalition in Bonn. Heute gibt es eine Große Koalition in Berlin. Wir sehen die Folgen. Gemeinsam mit der CDU werden wir alles daransetzen, dass dieser Spuk und seine Folgen im Herbst ein Ende finden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema und der Anlass der Debatte, die von den Grünen beantragt wurde, ist der Bildungsstreik. Ich habe von Ihnen, Frau Bauer, gelernt: Sie sind für den Streik, teilen aber seine Ziele nicht.
Sie teilen das Ziel der Abschaffung von Bachelor und Master nicht. Sie teilen also nicht alle Ziele, teilen aber im Grundsatz das, was der Bildungsstreik ausdrücken will.
Herr Rivoir, von Ihnen habe ich gelernt: Sie teilen alle Ziele, das heißt, Sie sind für die Abschaffung von Bachelor und Mas ter.
Sie müssen auch wissen – deshalb ist es gut, dass darauf hingewiesen worden ist –, mit wem und mit welchen Organisationen Sie sich dort im Einzelnen solidarisieren.
Sie müssen sich auch fragen lassen: In welchem Land der Bundesrepublik gibt es eigentlich bessere Hochschulen als in Baden-Württemberg?
Wer schneidet in CHE-Rankings in der Lehre besser ab? Wer hat in der Exzellenzinitiative besser abgeschnitten? Das wirkt sich über die Exzellenz der Forschung auf die Exzellenz der Lehre aus. Welche Universitäten und Fachhochschulen nehmen mehr DFG-Mittel oder Drittmittel ein als unsere badenwürttembergischen Hochschulen? Dort, wo die SPD die Regierungen stellt, stehen die Hochschulen übrigens in der Skala dieser Ranglisten jeweils am Ende.
Deshalb ist es gut, dass bei uns nicht das Diktum des Bildungsstreiks regiert, sondern eine schwarz-gelbe Koalition.
Wo gibt es ein System wie das der dualen Hochschule in Baden-Württemberg, die eine betriebliche Ausbildung mit einer Hochschulausbildung verknüpft,
für jetzt über 26 000 Studierende? Wo gibt es so viel Innovation im Hochschul- und Bildungssystem wie in unserem Land? Natürlich bedeuten Freiheit und Autonomie, die man den Hochschulen gibt, dass auch Fehler gemacht werden können. Aber wer eine Politik betreibt, nur um Fehler zu vermeiden, der betreibt eine Politik am absoluten Nullpunkt, nämlich dort, wo keine Bewegung, wo keine Entwicklung und damit auch keine Entwicklung zur Exzellenz mehr stattfinden.