Protocol of the Session on May 14, 2009

(Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

im ländlichen Raum herausstellen. Wir empfehlen unseren Städten und Gemeinden, mit gemeindeübergreifenden Ko operationen auch die weiterführenden Schulen sicherzustellen. Auch hier sind wir an der Seite unserer Bürgerinnen und Bürger im ländlichen Raum. Wir sagen: kurze Beine, kurze Wege.

(Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Das heißt: Grundschulen sind für uns im ländlichen Raum der zentrale Punkt, und dazu stehen wir.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die gesundheitliche Versorgung. Es darf keine Medizin zweiter Klasse im ländlichen Raum geben,

(Zuruf des Abg. Alfred Winkler SPD)

sondern wir haben die Forderung und arbeiten daran, dass auch im ländlichen Raum das nächste Krankenhaus in maximal 20, 25 Minuten zu erreichen ist. Wir haben die Projekte „Landarztpraxis“ oder „Ärzte auf dem Land“ auf den Weg gebracht, und ich meine: Unser ländlicher Raum hat große Potenziale.

Wir sind der Garant dafür, dass auch die Metropolregionen und der Großraum Stuttgart Bestand haben können. Denn ohne den ländlichen Raum sind auch die Metropolregionen und die Region Stuttgart nicht denkbar.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Monika Chef FDP/DVP)

Flexibilität zeigen bei der Clusterbildung, die wir in den letzten Jahren vollzogen haben. Ich nenne nur drei, vier Stichworte: Pharmazeutische Industrie in der Achse Ulm/Biberach, Glaslabortechnik rund um Wertheim, Medizintechnik rund um Tuttlingen sowie Befestigung und Automobilzulieferer im Hohenlohekreis, wo ich zu Hause bin.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Was noch fehlt, ist viel Kreisverkehr in Öhringen!)

Das unterstützen wir durch das Zukunftsinvestitionsprogramm und durch das Landesinfrastrukturprogramm.

Lassen Sie mich in der ersten Runde mit einem Erfolgsprojekt schließen, nämlich mit dem Projekt „Neue Medien“. Ziel ist es, auch im ländlichen Raum in der Zukunft keine weißen Flecken beim Thema „Neue Medien“ zu haben.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Die gibt es aber!)

Wir haben deshalb über 20 Millionen € und im Konjunkturprogramm zusätzlich noch einmal 30 Millionen € zur Verfügung gestellt. All dies würde natürlich nicht gebraucht, wenn die frühere rot-grüne Bundesregierung

(Abg. Reinhold Gall SPD: Alte Kamellen! Liebe Leu- te!)

beim Verkauf der UMTS-Lizenzen nur 15 % der eingenommenen Gelder dafür zur Verfügung gestellt hätte.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Können Sie einmal beant- worten, warum niemand Ihr Programm abruft?)

Dann hätten wir in der Bundesrepublik Deutschland die flächendeckende Bereitstellung der technischen Voraussetzungen für die Nutzung der neuen Medien. Dazu wird unser Minister nachher sicher noch ein paar Sätze sagen.

Ich möchte es einfach einmal bei diesen Ausführungen bewenden lassen und möchte hören, was die Opposition an diesem ländlichen Raum, der der beste in der Bundesrepublik Deutschland ist, zu kritisieren hat. Wir werden uns einfach einmal anhören, was da so alles wieder kommt und was sicherlich nicht nachzuvollziehen ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Alfred Winkler SPD – Abg. Reinhold Gall SPD: Da musst du aufpassen, dass du keine nassen Füße bekommst!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Buschle.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Jetzt geht es aber zur Sache!)

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Kübler, wir haben es geahnt – Ihr Beitrag hat es bestätigt –: Nach der gestrigen Aktuellen Debatte und der Debatte, die heute Morgen stattfand, braucht die CDU-Fraktion wieder ein Thema, an dem sie sich selbst hochjubeln kann. Aber auch hier können Sie sich nicht auf die Schultern klopfen; die Arme sind zu kurz.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Auch wir sind stolz auf die Menschen und ihre Leistungen im ländlichen Raum, und ich sage Ihnen auch ganz persönlich: Ich wohne gern auf dem Land.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist auch recht so!)

Ich wohne auf dem Land und nicht in der Provinz; denn die Bezeichnung „Provinz“ klingt abwertend, und eine so abge

wertete Provinz im Sinne dieser Ausdrucksweise gibt es bei uns nicht. Wir haben hohe Achtung vor den Leistungen der Bürgerinnen und Bürger in allen Städten und Gemeinden und – im November haben wir hier darüber diskutiert – vor den hohen Leistungen, die alle im Ehrenamt Tätigen erbringen, ohne die gar nichts ginge. Da bin ich mit allen Grußwortrednern einig.

Jetzt kommen Sie mit dieser Debatte. Wenn Sie allein schon die Worte „Strukturvorteile“ und „Krise“ mit der Überschrift der Aktuellen Debatte in einem Atemzug nennen, stellt sich von vornherein die Frage: Welche Krise, lieber Herr Kübler, ist gemeint? Meinen Sie die immerwährende Krise der Landwirtschaft, die aktuell gerade in einer Milchkatastrophe steckt, oder die Krise in Bezug auf die Zukunft der Felderbewirtschaftung und der Landschaftspflege bis hin zu dem schwankenden Irrweg des Genmaisanbaus?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meinen Sie die Krise, die dadurch entsteht, dass die Kopfgeldprämie des Konjunkturprogramms den einwohnerschwachen Gemeinden nichts bringt? Oder meinen Sie die Krise bei der Versorgung mit den Gütern des täglichen Bedarfs in den Dörfern und kleinen Gemeinden? Denn dort gibt es keine Einkaufsläden mehr; die einzige Einkaufsmöglichkeit ist Gott sei Dank noch ein Zigarettenautomat.

(Heiterkeit und Beifall des Abg. Alfred Winkler SPD – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Die Post gibt es nicht mehr; zum nächsten Briefkasten ist es weiter als zum Empfangsort des Briefs. Keine Bank, kein Arzt! Die Schulzukunft liegt im Dunkeln. Nicht einmal die Kirche bleibt im Dorf, und beimVersenden einer Mail ist die Batterie im Laptop schneller leer, als die Mail ihr Ziel erreicht, weshalb nun auch Bürger selbst zum Spaten greifen, um Kabelgräben auszuheben.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Wo?)

Oder meinen Sie – das ist ein wirkliches Anliegen; Frau Gönner ist im Moment nicht da – die unglaubliche Krise in der Abwasserversorgung? Fragen Sie einmal Ihre Bürgermeister und Gemeinderäte, was hier geschieht. Die zur Verfügung stehenden Mittel reichen gerade einmal, um 30 % der Maßnahmen zu fördern, und dies seit Jahren. Ein unglaublicher Antragsstau ist das Ergebnis.

Schauen Sie dann einmal die horrenden Wassergebühren in den kleineren Gemeinden, die ihre Strukturen erhalten müssen, an. Wo hier ein Strukturvorteil sein soll, erschließt sich uns nicht.

Oder meinen Sie die Krise in der innerörtlichen Erschließung, bei der Sie von den Gemeinden die Nutzung des innerörtlichen Potenzials einfordern? Das ist grundsätzlich sicher richtig, aber Sie geben den Gemeinden keine Mittel in die Hand, um dies auch umzusetzen.

(Abg. Elke Brunnemer CDU: Was? – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Wir geben sie den Bauwilligen selbst in die Hand!)

Solange eine über die ganze Welt verstreute Erbengemeinschaft meint, im Heimatdorf ihrer Großeltern noch einen wert

vollen Bauernhof zu besitzen – der aber längst eine abbruchreife Ruine ist –, so lange müht sich auch der beste Bürgermeister und Ortsvorsteher vergeblich, diesen für die Gemeinde zu erwerben. Er schließt auch keine Flächen in Baulücken, solange den Besitzern der demografische Wandel nicht bewusst ist.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Wollt ihr die Erben enteignen?)

Oder meinen Sie die Krise im Nahverkehr, der noch immer nicht gut genug ist, um den Menschen im ländlichen Raum ein zweites Fahrzeug zu ersparen – mit dem sie übrigens dann über landeseigene Straßen von Schlagloch zu Schlagloch holpern?

(Unruhe bei der CDU – Abg. Elke Brunnemer CDU: Wo wohnen Sie denn? – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So schlimm sieht es in Tuttlingen auch wieder nicht aus!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, wir haben keinen Grund, den Menschen im ländlichen Raum einzureden, die Banken- oder Wirtschaftskrise sei an allem schuld, und dann auch noch zu sagen, dies sei eine Chance. Im Umkehrschluss würde es heißen: Gut, dass wir eine Krise haben, sonst hätten wir keine Chance.

Mit Sorge hören die Menschen im ländlichen Raum Schlagworte wie „Leuchtturmregion“, „Wachstumskerne“ oder „Agglomerationszentren“.

Zum Schluss vielleicht noch etwas, über das wir gemeinsam nachdenken sollten. Wenn Sie in die Dörfer am Rande Ihrer Wahlkreise gehen und dort die Friedhöfe besuchen, dann werden Sie sehen, dass selbst in den kleinsten katholischen Gemeinden zwischenzeitlich Urnenwände gebaut werden. Das hat nichts damit zu tun, dass sich die Einstellung zur Bestattungsform geändert hätte, sondern – ganz pragmatisch – es ist niemand mehr da, der diese Gräber pflegt. Das ist die Sorge der älteren Menschen auf dem Land.

(Unruhe – Widerspruch bei der CDU – Abg. Gundolf Fleischer CDU: Wo leben Sie denn?)

Schauen wir also nicht verzweifelt, aber ehrlich auf die Tatsachen: mehr Schaukelstühle als Schaukelpferde, mehr Rollstühle als Rollschuhe. Die Gemeinden und Dörfer trifft jetzt die Keule der negativen demografischen Entwicklung.

Auch in diesem Fall, Herr Kollege Kübler, können Sie sich auf die SPD verlassen. Hören Sie auf unseren Rat! Suchen wir gemeinsam eine gute Zukunft für den ländlichen Raum!

(Beifall bei der SPD – Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Neue Friedhöfe!)