Protocol of the Session on March 19, 2009

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Sehr gut!)

Keine Zukunft kann gutmachen, was in der Gegenwart versäumt wird. Ihre Probleme muss die EPS jetzt am Verhandlungstisch lösen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist lächerlich!)

Erst wenn alle Möglichkeiten der privatrechtlichen Einigung ausgeschöpft sind, kann der Gesetzgeber handeln.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Ste- fan Scheffold CDU: Sehr gut!)

Die Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht im Boxberg-Urteil an ein Enteignungsgesetz stellt, erstrecken sich auch auf ein Wegerechtsgesetz. Da die Duldung einer Dienstbarkeit auch in das Eigentum eingreift, muss dieser Eingriff durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt sein und der dauerhaften Sicherung des Gemeinwohls dienen.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Sehr gut!)

Wenn auf Dauer Arbeitsplätze geschaffen werden, dann dient das zweifellos dem Gemeinwohl. Machen wir uns nichts vor, die Weltwirtschaftslage nimmt immer bedrohlichere Ausmaße an. Mehr und mehr brechen unsere Absatzmärkte weg. Der Ruf nach einem Rettungsschirm für die Industrie wird immer lauter. Die Chance, dass sich entlang der Ethylen-Pipeline eine Industrie entwickeln kann, fällt uns fast in den Schoß.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Also! – Abg. Reinhold Gall SPD: Also los!)

Wir müssen die Chance dieses privaten Konjunkturpakets nutzen, weil es dauerhaft Wachstums- und Beschäftigungsperspektiven auch in strukturschwachen Regionen bietet.

(Abg. Johannes Stober SPD: Worauf warten wir dann?)

Das Grundgesetz sagt: Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Vor dem Hintergrund der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise müssen wir prüfen,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Wie lange denn noch? Es ist doch geprüft!)

ob ein Wegerechtsgesetz die wirtschaftliche Entwicklung bei uns dauerhaft verbessern kann und verfassungsrechtlich den Eigentümern zuzumuten ist. Wenn der Wirtschaftsminister dies bejaht, dann soll er dem Parlament ein Wegerechtsgesetz vorlegen. Einer Abstimmung dazu bedarf es heute nicht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Untersteller.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich gleich zu Beginn festhalten: Wir halten den Bau der Ethylen-Pipeline Süd industriepolitisch für ein sinnvolles Projekt. Wir sehen insbe

sondere unter Umwelt- und Sicherheitsgesichtspunkten keine Alternative darin, Ethylen auf der Straße oder auf der Schiene zu transportieren. Herr Kollege Prewo hat das dazu Notwendige bereits ausgeführt.

Ich will aber gleich zu Beginn auch sagen: Dem Beschlussteil des Antrags der SPD, zum jetzigen Zeitpunkt ein Wegerechtsgesetz zu verabschieden, werden wir nicht zustimmen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Wovor habt ihr denn Angst?)

Ich erkläre später noch, warum.

Ziel des heute diskutierten Projekts ist es, das bereits bestehende mitteleuropäische Pipelinenetz mit einer 360 km langen Pipeline vom bayerischen Chemiedreieck um Burghausen quer durch Bayern nach Baden-Württemberg über Karlsruhe mit dem Ludwigshafener Chemiedreieck Rhein-Neckar zu verbinden. Das ist ein wichtiger Baustein. Wir sehen auch durchaus Chancen für die MiRO in Karlsruhe. Unter industriepolitischen Gesichtspunkten – das habe ich auch schon im Wirtschaftsausschuss gesagt – ist die Begründung für dieses Projekt durchaus schlüssig und nachvollziehbar.

Aber auf der anderen Seite reden wir über ein Projekt der Privatwirtschaft. Wir reden über ein Projekt von sieben Unternehmen, die in einem Konsortium zusammengeschlossen sind und die ureigene wirtschaftliche Interessen haben, was ja nichts Negatives ist. Aber das muss man erst einmal voranstellen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Wirtschaft dient uns al- len!)

Es ist aber dann auch zunächst einmal Aufgabe dieses EPSKonsortiums, die Verhandlungen mit den Grundstückseigentümern zu führen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das machen sie doch!)

Daher sollte sich der Staat bzw. das Land zunächst einmal zurücknehmen.

(Beifall der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

Man muss auch sehen, dass zu Beginn dieser Geschichte diejenigen, die jetzt vonseiten der EPS Druck machen, nach meinem Dafürhalten eine Reihe von Fehlern begangen haben. Ich will Ihnen ein paar Beispiele nennen.

Wenn man zuerst in Rheinland-Pfalz und in Bayern verhandelt und da alles unter Dach und Fach bringt und dann erst merkt, dass in Baden-Württemberg 5 600 Grundstücksbesitzer davon betroffen sind – und somit dreimal so viele wie in Bayern – und wir das Problem der württembergischen Realteilung haben, dann frage ich mich, was die sich dabei denken, erst zum Schluss nach Baden-Württemberg zu kommen. Sie haben zunächst in Rheinland-Pfalz und Bayern begonnen, um anschließend Druck auf uns auszuüben mit dem Hinweis, dass links und rechts von uns alles schon unter Dach und Fach sei und bei uns der Staat mit dem Erlass eines Wegerechtsgesetzes eingreifen solle.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Zweites Beispiel: Zu Beginn des Projekts verhandelt die EPS in Bayern mit dem Bayerischen Bauernverband und macht einen Preis X aus. Dann kommt sie ins Württembergische, verhandelt hier mit dem Bauernverband und macht einen niedrigeren Preis aus. Mittlerweile ist das korrigiert, aber so etwas ist nicht dazu angetan, Vertrauen zu schaffen,

(Zurufe von der CDU)

sondern so etwas ist zunächst einmal dazu angetan, Misstrauen zu schaffen.

(Beifall bei den Grünen und der CDU – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Sie kennen doch diese Briefe auch und wissen, dass zu Beginn des ganzen Projekts

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Leute aufgetaucht sind, die durch die Art und Weise, wie sie verhandelt haben, das Gegenteil dessen gemacht haben, was notwendig wäre, um Vertrauen zu schaffen. Das ist mittlerweile korrigiert und meines Erachtens durchaus auf einem guten Weg.

Wir haben heute 77 % an abgeschlossenen Verträgen – das sind fünf Prozentpunkte mehr als Ende letzten Jahres –, und deshalb glaube ich, dass wir auf diesem Weg erst einmal weitermachen können.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Mein Gott, seid ihr langweilig!)

Auch wenn der Aufwand hoch ist, sehen wir in einem Rechtsstaat keine Alternative dazu, zunächst einmal auf dem Verhandlungsweg zu versuchen, relativ nahe an die 100 % heranzukommen. Dass zum Schluss ein Delta bleibt, sei zugestanden. Wir werden zum Schluss Grundstückseigentümer haben, die – was weiß ich – in Form von Erbengemeinschaften irgendwo in der Welt sitzen, von denen Sie eben eine Unterschrift brauchen, aber sie nicht bekommen. Im Moment stehen bei 23 % die Vertragsabschlüsse noch aus.

„Wir machen den Weg frei“ mag vielleicht ein guter Slogan für die Bank des Kollegen Schlachter sein, aber ich finde, das Land sollte sich hierbei zunächst einmal zurückhalten. Man muss auch sehen: Wenn wir zu diesem Zeitpunkt eingreifen, dann hat das auch eine negative Vorbildwirkung für zukünftige Projekte, weil sich jeder potenzielle Investor darauf berufen kann: Hier bekommst du relativ schnell dein Wegerechtsgesetz oder etwas Ähnliches.

(Widerspruch bei der CDU und der SPD)

Deshalb finde ich: Zunächst muss man in Verhandlungen eintreten.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Noch ein Letztes: Je früher man bei einem solchen Projekt mit der Keule „Wegerechtsgesetz“ droht – – Dazu will ich Ihnen einen Tipp geben. Werfen Sie doch einmal einen Blick in das Rechtsgutachten des Justizministeriums. Darin sehen Sie, mit

welchen Problemen Sie dann rechnen können. Ich zitiere einmal aus dem Gutachten des Justizministeriums:

Enteignungen zugunsten privater Unternehmen mit nur mittelbarem Gemeinwohlbezug sind verfassungsrechtlich zumindest problematisch und nicht ohne Risiko.

(Zurufe von der SPD)

Herr Kollege Schmiedel, die Forderung „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ wäre bei diesem Projekt meines Erachtens eher angebracht als bei manch anderen politischen Fragen.