Protocol of the Session on February 18, 2009

Der Entwurf des Haushaltsgesetzes ist mit dem Entwurf des Haushaltsplans vor Beginn des Haushaltsjahres, für das er aufgestellt ist, in der Regel bis zum 30. September, im Landtag einzubringen.

Auch das interessiert die Landesregierung eigentlich nicht. Sie verstößt Jahr für Jahr – und das mittlerweile ohne Begründung, ohne Not, also quasi mit Vorsatz – gegen dieses Verfassungsgebot und gegen das Gesetz. Herr Finanzminister, ich würde von Ihnen schon noch gern hören, ob das jetzt zur Regel wird, ob wir die Verfassung ändern müssen, ob Sie die Landeshaushaltsordnung ändern – das bleibt Ihnen ja unbenommen –, oder ob Sie nach wie vor wissentlich jedes Jahr gegen Verfassung und Gesetz verstoßen wollen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Klaus Herrmann CDU: Zwischenzeitlich Gewohnheitsrecht! Auch unter SPD- Beteiligung!)

Schon im Vorfeld der Haushaltsberatungen wurde viel über das Thema „Verschuldungsfreier Haushalt“ gesprochen. Das Ziel eines schuldenfreien Haushalts – ich sage gleich vorweg: dieses Ziel ist richtig und gut – darf weder in guten noch in schlechten Zeiten aus den Augen verloren werden.

(Abg. Karl Zimmermann CDU, zur SPD deutend: Das muss man dort hinüber sagen! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, Herr Zimmermann, Sie haben sich bei der Einbringung dieses Haushalts, aber auch schon beim Nachtrag 2008 damit gerühmt, dass Sie es geschafft haben, einen verschuldungsfreien Haushalt vorzulegen,

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Stimmt auch!)

und dafür haben Sie sich öffentlich feiern lassen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben es nicht geschafft

(Oh-Rufe von der CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Jetzt kommt es! Zuhören!)

zuhören! –, und zwar aus drei Gründen.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Ihr wollt doch die Rücklagen auflösen! – Gegenruf des Abg. Claus Schmiedel SPD: Aufpassen!)

Dazu komme ich gleich, Herr Schüle. – Der erste Grund: Sie vernachlässigen massiv das Landesvermögen. Jedes Jahr wird unser Landesvermögen weniger wert, weil Sie zu wenig investieren. Die Landesstraßen – darüber haben wir im Rahmen der Haushaltsberatungen schon gesprochen – sind nach Aussage des Innenministeriums in einem maroden Zustand. Bei den Krankenhäusern gibt es einen dringenden Investitionsbedarf in Höhe von 1 Milliarde €.

(Beifall der Abg. Ursula Haußmann und Rainer Sti- ckelberger SPD)

Bei den Hochschulgebäuden spricht der Finanzminister von einem Sanierungsstau im Umfang von 4 Milliarden €.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Siehe Konjunktur- programm!)

Meine Damen und Herren, wären Sie Unternehmer und müssten Abschreibungen für diese Gebäude erwirtschaften, wären Sie längst pleite und wäre der Haushalt hoch verschuldet.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Winfried Kretsch- mann GRÜNE – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Zweitens: Bereits in den vergangenen Jahren habe ich darauf hingewiesen, dass wir bei der expliziten Verschuldung, also bei den Schulden, die im Haushaltsplan stehen, im Reigen der Bundesländer relativ gut dastehen, was die Pro-Kopf-Verschuldung betrifft. Wenn wir jedoch die impliziten Schulden, speziell unsere Pensionslasten, mit einbeziehen, liegen wir, was die Pro-Kopf-Verschuldung angeht, auf dem letzten Platz der Flächenländer.

Meine Damen und Herren, schon mehrfach wurde der neue Rücklagenfonds für die Pensionslasten angesprochen. Die paar Millionen, die Sie da zurückgelegt haben, haben etwa einen Wert, als würden Sie den Eckensee vor dem Landtag als Löschwassersee für einen Großbrand in Stuttgart verwenden wollen. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein und nicht mehr.

(Beifall bei der SPD – Zurufe, u. a. Abg. Manfred Groh CDU: 1,5 Milliarden €, Kollege!)

Drittens, und das ist jetzt der Gipfel: Jetzt kommen wir zu „Ihren Rücklagen“, Herr Dr. Schüle.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Ihr doch! Ihr wollt sie doch auflösen!)

Sie behaupten ja nach wie vor, für die Finanzierung des Haushaltsplans 2009 würden keine Schulden aufgenommen. Formal haben Sie recht. Tatsächlich sind im Haushalt Schulden! Wenn Sie sich nämlich den Einzelplan 12 einmal genau anschauen, stellen Sie fest, dass es dort Titel für die Entnahme aus Rücklagen gibt. Also greifen Sie die Rücklagen an.

(Zurufe der Abg. Manfred Hollenbach und Dr. Klaus Schüle CDU – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Dazu sind Rücklagen doch da!)

Hören Sie doch einmal zu! Das ist nämlich schwer zu verstehen.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Genau! – Unruhe)

Bei den Erläuterungen, Frau Berroth, steht: „Überschuss des Haushaltsjahres 2007“. Nun haben wir im Haushaltsjahr 2007 aber 1 Milliarde € an Schulden aufgenommen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es! Es gab gar keine Überschüsse!)

Jetzt frage ich mich, wie da Überschüsse entstehen können.

(Beifall bei der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Schuldenüberschüsse gebildet!)

Ich sage Ihnen, wie da Überschüsse entstehen: Sie haben in diesem Jahr eine Kreditermächtigung in Höhe von 1 Milliarde € gehabt. Diesen Betrag haben Sie auch aufgenommen. Dann haben Sie ihn in die Rücklage verschoben und haben aus Schulden eine Rücklage gebildet – sogar über 1 Milliarde € –, aus der Sie sich jetzt bedienen. Das heißt, in Ihrem Haushalt sind jetzt Schulden enthalten, die Sie 2007 aufgenommen haben, obwohl Sie sie gar nicht gebraucht hätten. Sie haben jetzt im aktuellen Haushalt Schulden!

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Alfred Wink- ler SPD)

Meine Damen und Herren, das war ein zugegebenermaßen brillantes Täuschungsmanöver, was Sie da mit der Nullnettoneuverschuldung im Haushalt zu machen versucht haben.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Mit Schulden aus dem alten Jahr!)

Sie haben Schulden im Haushalt. Es sind zwar alte Schulden, die Sie sich in die Rücklage gelegt haben,

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Dafür sind Rück lagen doch da! – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

aber Ihre ganze Rücklage, die Sie jetzt angreifen, ist nichts anderes als eine Schuldenfinanzierung.

Also: Sie vernachlässigen unser Landesvermögen an Straßen und Gebäuden. Sie haben noch keine Lösung für die Pensionswelle, die auf uns zurast. Sie arbeiten im Haushaltsplan mit Tricks, um eine Schuldenaufnahme zu kaschieren.

(Zurufe der Abg. Thomas Knapp SPD und Ulrich Lu- sche CDU)

Meine Damen und Herren, schenken Sie den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes reinen Wein ein.

(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Sie wollten doch nüchtern bleiben!)

Sagen Sie ihnen, wie schlimm es um unseren Landeshaushalt steht. Sagen Sie ihnen die Wahrheit, und tragen Sie nicht die se alberne Monstranz von der Nullnettoneuverschuldung – was von vorn bis hinten nicht stimmt – vor sich her.

Wir können dem Haushalt so nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zurufe von der CDU)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Berroth.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die mühselige Rabulistik, die der Kollege Rust gerade gebraucht hat,

(Oh-Rufe von der SPD – Lachen bei der SPD – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Wenn man intellektuell nicht mitkommt, dann spricht man von Rabulistik! – Zu- ruf des Abg. Dr. Nils Schmid SPD)

zeigt, wie gut unser Haushalt dasteht – wenn ihm sonst nichts aufgefallen ist.

(Widerspruch bei der SPD – Abg. Reinhold Gall SPD: Sie wussten das wahrscheinlich nicht! – Zuruf des Abg. Alfred Winkler SPD)

Eines, was die Opposition und auch Teile der Presse gelegentlich anführen und bemängeln, stimmt aber natürlich: Mit dem, was wir jetzt in diesen Haushaltsberatungen im Haushaltsplan noch verändern, erfassen wir nur die Spitze des Eisbergs. Das liegt daran, dass die Koalitionsfraktionen und die Regierung im Vorfeld gemeinsam die Hauptlinien des Haushalts und viele, viele Einsparungen in langen Sitzungen der Strukturkommission vorberaten haben.

Aber eines ist auch klar: Nur so kommen wir dazu, dass wir jetzt im zweiten Jahr in Folge einen Haushalt ohne zusätzliche Kreditaufnahme vorlegen.