Protocol of the Session on February 18, 2009

Viele haben gepredigt – vor allem auch Sie, Herr Noll, mit Ihrem Marktradikalismus –: Der Staat soll sich immer mehr zurückziehen. „Deregulierung“ war Ihr Lieblingswort.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das hat Rot-Grün in diesem Bereich missverstanden und falsch umge- setzt! Das ist halt so! – Gegenruf der Abg. Katrin Alt- peter SPD: Das ist schon klar!)

Hören Sie jetzt einfach einmal zu. – Das war Ihr Lieblingswort. Nun haben wir die Rückkehr der Politik. Auf der Politik ruht jetzt ein Großteil der Erwartungen der Bevölkerung und der Betriebe,

(Zuruf des Abg. Michael Theurer FDP/DVP)

dass die Politik wieder Vertrauen herstellt. Also müssen wir doch bei jeder Maßnahme, die wir beschließen, fragen: Schafft sie Vertrauen oder nicht? Ich finde, es ist ganz einfach: In der Krise schafft nur Seriosität Vertrauen, weil die Krise durch Unseriosität entstanden ist. Deswegen muss man bei allem, was man tut und vorschlägt, darauf achten, ob es seriös ist.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So wie unser Haushalt!)

Was man nicht machen sollte, sind irgendwelche taktischen Spielchen.

Im Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen, Drucksache 14/3916, heißt es:

Der Landtag wolle beschließen,

die Landesregierung zu ersuchen,

in den weiteren Beratungen zum Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland (Konjunk- turpaket II) die Voraussetzungen zu schaffen, dass der Landesregierung die Zustimmung im Bundesrat zu diesem Gesetz einvernehmlich möglich wird.

(Abg. Gustav-Adolf Haas SPD: Gummiparagraf!)

Wenn ich diesen Antrag lese, muss ich sagen: Ihr seid wirklich eine kraftstrotzende Regierungskoalition.

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und Abgeord- neten der SPD)

Die Wucht und die Durchschlagskraft dieses Antrags können jeden nur beeindrucken.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Wenn der Ministerpräsident noch erklärt hat, er sei dagegen, dass man den Vermittlungsausschuss anrufe, dann frage ich, was dieser Antrag eigentlich bedeuten soll. Wir haben sehr präzise formuliert, was geändert werden soll, nämlich das Kriterium der „Zusätzlichkeit“ von Maßnahmen.

(Zuruf des Abg. Michael Theurer FDP/DVP)

Das ist für unser Land und für uns als Landeshaushälter eminent wichtig. Darauf kommt es aus Landessicht erst einmal an.

Am Schluss der Begründung des Entschließungsantrags der Koalitionsfraktionen steht aber – das ist irgendwie der Sinn dieses „wuchtigen“ Antrags –:

Insbesondere werden zur Belebung der Konjunktur ergänzende Schritte zur Entlastung von Betrieben und Bürgern für sinnvoll gehalten.

Das heißt Steuersenkungen.

(Beifall des Abg. Michael Theurer FDP/DVP – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Wie denn? Das muss doch finanziert werden!)

Jetzt muss ich Sie, Herr Kollege Noll, noch einmal fragen: Schafft es Vertrauen, wenn man jetzt massiv in die Schulden geht und Sie zugleich die Steuern senken wollen?

(Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Ja!)

Schafft das Vertrauen?

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Ja!)

Wir sind nicht gegen Steuersenkungen, wenn sie bestimmte Bedingungen erfüllen. Erstens: Sie dürfen nicht auf Pump finanziert sein.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Dann dürfen wir aber nichts investieren!)

Zweitens: Die Aufgabenerfüllung des Staates muss trotzdem gewährleistet sein. Das sind doch die entscheidenden Bedingungen, wenn man Steuersenkungen macht.

Wenn man aber, wie Sie jetzt, Steuersenkungen vornehmen will und zugleich massiv in die Verschuldung geht: Warum soll das Vertrauen schaffen? Das mindert Vertrauen, weil jeder weiß, dass die Schulden von heute die Steuererhöhungen von morgen sind.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/ DVP: Das gilt aber auch für die Investitionen, lieber Herr Kretschmann!)

Deswegen passt das nicht zusammen. Aussagen, wonach wir einerseits die Nullneuverschuldung wollen, andererseits die Steuern senken wollen und zugleich in der Wirtschaftskrise sind, passen nicht zusammen und schaffen kein Vertrauen. Darum sind sie falsch.

(Beifall bei den Grünen – Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Kretschmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Theurer?

Bitte schön.

Herr Kollege Kretschmann, die Wirtschaftsweisen vertreten in ihrem Herbstgutachten die Ansicht – ich weiß nicht, ob Sie die Wirtschaftsweisen schätzen;

(Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

das ist die erste Frage –, dass durch deutliche Steuersenkungen der Wirtschaftskrise am wirksamsten entgegengewirkt werden könne.

(Zurufe der Abg. Reinhold Gall und Wolfgang Drex- ler SPD)

Wie beurteilen Sie das? Sind Sie hier gegen die Wirtschaftsweisen?

In erster Linie versuche ich, selbst zu denken und mich meines eigenen Verstands zu bedienen, Herr Kollege Theurer.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist immer gut!)

Es gab schon ein gigantisches Steuersenkungsprogramm in den USA – das haben wir erlebt –, in einem großen Wirtschaftsraum, und die Wirkung ist völlig verpufft.

Deswegen machen wir hier etwas anderes. Wir machen ein Infrastrukturprogramm. Dieser Teil des sogenannten Konjunkturprogramms ist richtig. Deswegen haben wir ihm im Finanzausschuss zugestimmt und werden ihm auch hier zustimmen, auch wenn wir im Einzelnen andere Wünsche hätten. Aber die se Wünsche sind von der Größenordnung her nicht so, dass es zu rechtfertigen wäre, das Programm insgesamt abzulehnen. Deswegen stimmen wir ihm zu,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sehr verantwor- tungsvoll!)

aber wir stimmen ihm mit Skepsis zu – das habe ich schon gesagt –, weil das keine Maßnahmen sind, die auf den Kern der Krise zielen. Darauf bestehe ich, Herr Mappus, ob Sie mir da jetzt makroökonomischen Sachverstand bescheinigen oder nicht; das plagt mich dabei nicht.

(Beifall und Heiterkeit bei den Grünen)

Ich habe hier gesagt – ich wiederhole es und sage es jetzt zum dritten Mal –: Wenn Sie die Blockade bei der Windkraft aufgeben würden und wir dort nur auf das Niveau des Bundesdurchschnitts kämen, dann könnten wir hier ein Programm im Umfang von 3,5 bis 4 Milliarden € für Baden-Württemberg mobilisieren,

(Zurufe von der CDU: Was? – Widerspruch der Abg. Dieter Hillebrand und Thomas Blenke CDU)

also wesentlich mehr, als wir hier in einen ganz anderen Sektor lenken. Das zielte auf den Kern der Krise, nämlich auf den Maschinenbau. Das sind diejenigen, die Windräder bauen; das