Protocol of the Session on February 18, 2009

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Schmiedel.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Wirtschaftskrise, vor deren Hintergrund wir diesen Haushalt beraten, hat zum Vergleich eigentlich nur noch einen Maßstab: die Weltwirtschaftskrise von

1929. Dass die derzeitige Weltwirtschaftskrise noch nicht zu einem Weltenbrand geführt hat, liegt im Wesentlichen an zwei internationalen Vereinbarungen.

Die erste internationale Vereinbarung ist die, dass alle wirtschaftsstarken Länder verabredet haben, nicht prozyklisch mit dem Niedergang der Konjunktur auch noch staatliche Ausgaben einzusparen, sondern gegenzuhalten und mit staatlichen Konjunkturprogrammen zu versuchen, das Schlimmste zu verhindern. Und es scheint zu wirken.

Deshalb begrüßen wir, dass das amerikanische Konjunkturpaket jetzt verabschiedet ist. Wir begrüßen, dass es in allen Ländern Europas Konjunkturprogramme gibt, und wir begrüßen, dass Bund und Länder sich verständigt haben, mit dem Bundeskonjunkturprogramm das Notwendige in der Bundesrepublik zu tun.

Deshalb finden wir es auch richtig, Herr Ministerpräsident, dass Sie im Bundesrat dafür geworben haben, dass alle Bundesländer in der Bundesratssitzung am kommenden Freitag diesem Konjunkturpaket der Bundesrepublik unbeschadet der Kritik an einzelnen Teilen – die es immer gibt – zustimmen.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Genau!)

Während Sie aber, Herr Ministerpräsident, in Berlin kraftvoll für das Konjunkturpaket und für dessen rasche Verabschiedung geworben haben, ging es in Stuttgart drunter und drüber.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Oh-Rufe von der CDU)

Der Wirtschaftsminister Ihrer Regierung verkündet, man habe es ja schon in den eigenen Haushalt, ins Landeskonjunkturpaket eingearbeitet; natürlich werde die Landesregierung zustimmen. Ihr Vize, Herr Goll, rudert zurück und sagt: Nein, nein, es ist offen. Der Fraktionsvorsitzende der FDP/DVP sagt: Natürlich; das könnten wir überhaupt nicht vermitteln, wenn man da nicht zustimmen würde.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das habe ich so nicht gesagt!)

Dann kommt seine Chefin von der Partei und pfeift ihn zurück

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Ich habe keine Che- fin! Ich bin frei gewählter Abgeordneter!)

und sagt: Nichts ist entschieden, alles ist offen.

(Oh-Rufe von der SPD)

Sie, Herr Ministerpräsident, haben im Zuge der Föderalismuskommission II Punkte gesammelt und haben sich in Berlin einen Boden geschaffen. Aber das, was Ihre Regierung hier in Stuttgart zum Thema Konjunkturpaket II abliefert, und der Widerspruch zu Ihrer Rolle in Berlin, der dabei zutage tritt, sind geeignet, dass Sie den erworbenen Kredit wieder verspielen.

(Beifall bei der SPD)

Und jetzt wird es ganz „obstrus“.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Was heißt denn „obstrus“? – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Abstrus oder „obstrus“?)

Jetzt tritt der FDP-Landesvorstand zusammen, und dann fliegen die Fetzen. Dann trauen sich die Leute aus der ersten Reihe nicht nach vorn – weder aus der Regierung noch aus der Fraktion. Dann kommt Herr Theurer, der seither noch nichts dazu gesagt hat,

(Zurufe, u. a. Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Er kommt nicht, er ist schon da! – Unruhe)

und sagt Folgendes: Die FDP behält sich vor, den Vermittlungsausschuss anzurufen. – Also, die FDP macht das. Das ist schon einmal bemerkenswert! – Aber das sei gar nicht so schlimm. Denn der Vermittlungsausschuss könne ja schon am Aschermittwoch zusammentreten und beraten. Die Botschaft, die die FDP jetzt ins Land gibt, heißt also: Jetzt feiern wir Fasching – Narri, Narro –, wir schieben einmal das Konjunkturpaket beiseite, und am Aschermittwoch treffen wir uns wieder und reden miteinander.

Herr Ministerpräsident, wenn Sie auf diese Volten der FDP so reagieren, dass Sie sagen: „Ich verstehe die FDP“, muss ich sagen: Dieses Land braucht keinen FDP-Versteher als Minis terpräsidenten!

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD)

Dieses Land braucht einen Regierungschef, der die Richtung vorgibt und der auch hilft, die Richtung durchzusetzen.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das wird er auch tun!)

Wir hätten doch erwartet, Herr Ministerpräsident, dass Sie Ihren Wirtschaftsminister in Schutz nehmen und dass Sie auch Herrn Noll vor den unqualifizierten Angriffen aus den eigenen Reihen, die ja aus Berlin ferngesteuert sind und nicht gesteuert sind durch die Interessen des Landes, in Schutz nehmen.

(Beifall bei der SPD – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, der CDU und der FDP/DVP)

Deshalb fordern wir Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, auf, der Aufforderung Ihres Fraktionsvorsitzenden zu folgen. Er hat in seine Worte gekleidet, was wir unter Tagesordnungspunkt 1 c heute als Antrag vorlegen. Wenn schon die Regierung nicht in der Lage ist, ein kraftvolles Signal zu geben und deutlich zu machen, wohin die Richtung im Bundesrat am Freitag geht, dann ist es Aufgabe des Parlaments, deutlich zu machen, wo die politische Vertretung des Landes Baden-Württemberg in dieser Frage steht.

(Beifall bei der SPD)

Herr Mappus, Sie haben darauf hingewiesen, dass auch Sie an einzelnen Stellen Bedenken gegen das Konjunkturprogramm des Bundes haben. Wir haben, was das Landeskonjunkturprogramm anbelangt, ebenfalls Bedenken. Trotzdem werden wir dem zustimmen, weil wir der Meinung sind: Jetzt

muss es schnell gehen, jetzt muss man klotzen und darf nicht kleckern.

(Beifall bei der SPD – Lachen bei Abgeordneten der CDU)

Sie haben jetzt zu Recht darauf hingewiesen, dass der Staat einiges tun, aber nicht alles abwenden kann.

(Zustimmung des Abg. Stefan Mappus CDU)

Deshalb müssen wir uns auch darauf einstellen, dass für viele, wahrscheinlich für zu viele, die Phase der Kurzarbeit in die Phase der Arbeitslosigkeit übergeht. Das passiert nicht deshalb, weil viele Unternehmen Kurzarbeit nicht mehr finanzieren wollten, sondern schlicht deshalb, weil sie es nicht können. Weil sie es nicht können! Deshalb lohnt es sich schon, finde ich, über die Frage nachzudenken, ob wir den Betriebsräten, ob wir den Unternehmen einen Spielraum schaffen – begrenzt –, in einer solchen Situation, in der es unabwendbar ist, zu handeln, mit der Belegschaft darüber zu reden, ob es ein ausreichendes Einsparpotenzial bei denen gibt, die älter sind, bei denen das Häusle oder die Eigentumswohnung abbezahlt ist, bei denen die Kinder aus dem Haus sind

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Seit 40 Jahren die falsche Methode!)

und die, ohne ihren sozialen Status zu verlieren, früher, mit Abschlägen, in Rente gehen können als diejenigen, die vielleicht 40 Jahre alt sind und mit Ratenzahlungen für die Wohnung oder das Haus und mit Finanzierungskosten für die Kinder belastet sind.

Ich bin schon dafür, dass wir an dieser Stelle – nur dort, wo es nicht anders geht; nicht uferlos und als Grundsatz – gezielte Instrumente schaffen, um das, was auf uns zukommt, so sozial verträglich wie möglich zu machen. Das hat nichts damit zu tun, jetzt wieder ein Fass aufzumachen, sondern das hat etwas damit zu tun, dass man sich auf die Wucht dieser Krise einstellt. Dazu wird es gehören, dass mehr Menschen in die Arbeitslosigkeit gehen müssen – so leid uns das tut. Wir können nicht an jeder Stelle etwas dagegensetzen. Aber wir können dafür sorgen, dass das so sozial verträglich wie möglich geht.

(Beifall bei der SPD)

Wofür wir auch sorgen müssen – auch in Zeiten der Wirtschaftskrise –, ist, dass der soziale Zusammenhalt in dieser Gesellschaft stimmt. Sie haben Forderungen zitiert, die Frau Vogt auf dem Parteitag erhoben hat und die wir alle voll unterstreichen. Sie fordern, natürlich zu Recht, ein: „Wo sind denn Ihre Vorschläge zur Gegenfinanzierung?“ Diese will ich Ihnen unterbreiten; denn Sie müssen natürlich schon alle Protokolle studieren und dürfen nicht nur das lesen, was Ihnen jetzt gerade vorgelegt wird.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Ist schon passiert!)

Wir wollen, dass diejenigen, deren zügelloser Handel, deren Profitgier, deren Streben nach schnellem Geld

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: IKB!)

ursächlich mit dafür verantwortlich sind, dass wir in dieser Krise sind, erstens in ihrem Treiben gebremst werden und zweitens zu notwendigen Finanzierungen mit herangezogen werden.

(Zurufe)

Das heißt z. B.: Wir treten dafür ein, eine Börsenumsatzsteuer einzuführen,

(Beifall bei der SPD)

damit die Leerverkäufe aufhören und die Milliarden nicht in dieser Geschwindigkeit umgesetzt werden.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Wir fordern Sie auf, sich auch daran zu beteiligen.