Das lässt sich anhand der Maßnahmen, die wir vorschlagen, und der Bewertung dieser Maßnahmen durch Sie sowie durch Ihre Gegenvorschläge eindrucksvoll darstellen.
Man hört den Vorwurf, der Ausbildungspakt würde nicht greifen und das Ziel, ein Angebot für alle zu schaffen, würde nicht erreicht. Die Freiwilligkeit genüge nicht, und deshalb sei eine Ausbildungsplatzabgabe notwendig.
Tatsächlich ist in den ersten Paktjahren pro Jahr rund das Doppelte der zugesagten 3 800 Ausbildungsplätze eingeworben worden. Für dieses Jahr melden Industrie- und Handelskammern und Handwerk zum 31. Mai bereits 4 200 neu
eingeworbene Lehrstellen. Das Ziel wird also erneut übertroffen. Insofern sehen wir überhaupt keinen Anlass für Zwangsmaßnahmen.
Man hört den Vorwurf, die Zahl der Ausbildungsplätze gehe kontinuierlich zurück und die Wirtschaft bilde zu wenig aus. Tatsächlich hat der Pakt im Jahr 2004 eine Zunahme um 2,6 % sowie im Jahr 2005 ein Halten des Niveaus – es gab einen Rückgang um gerade einmal 0,7 % – bewirkt.
(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Sie müssen doch in der Lage sein, Ihre vorbereitete Rede dem anzupassen, was die anderen Fraktionen tatsächlich sagen! – Unruhe – Glocke des Präsidenten)
Für dieses Jahr weisen die aktuellen Zahlen der eingetragenen Verträge bei den Kammern mit einem Plus von 0,5 % ein ähnliches Niveau aus.
Herr Kollege Rülke, ich habe Sie leider nicht richtig verstanden. Wer hat denn zu welchem Zeitpunkt welche Zwangsmaßnahmen gefordert? Wann haben Sie denn das letzte Mal davon gelesen? Vor fünf Jahren, vor zehn Jahren?
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Das meinen Sie jetzt! – Abg. Stephan Braun SPD: Können Sie uns bitte sagen, wo? – Abg. Ute Vogt SPD: Ein bisschen aktueller muss man schon sein, wenn man redet! – Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Sie müssen Ihre Rede schon korrigieren, die Sie vorbereitet haben!)
Frau Vogt, es mag ja sein, dass man in der Aktualität bei Ihnen nicht immer auf dem Laufenden ist. Das haben wir gestern beim Thema Studiengebühren gemerkt.
Man hört den Vorwurf, dass, wie die IAB-Studie belege, 31 % der ausbildungsberechtigten Betriebe nicht ausbilden würden. In der Tat gibt es ausbildungsberechtigte Betriebe, die nicht ausbilden. Da nutzen aber keine Drohgebärden, sondern man muss sich die Frage stellen, woran das liegt. Als Gründe werden genannt: keine Möglichkeit der Weiterbeschäftigung, zu hohe Ausbildungsvergütungen, fehlende
Ausbildungsreife bzw. fehlende Ausbildungswilligkeit. Deshalb fördert das Wirtschaftsministerium Lehrstellenwerber bei Kammern. Die ESF-Förderung wurde auf 75 % aufgestockt.
Es wird im Sinne der Gewerkschaften gefordert, eine Meldepflicht für Lehrstellen einzufordern. Ministerpräsident Oettinger hat in seiner Regierungserklärung zugesagt, dieses zu prüfen. Ich sehe das ehrlich gesagt skeptisch.
Eine solche Meldepflicht schafft keinen einzigen zusätzlichen Arbeitsplatz, auch keine zusätzliche Lehrstelle. Es handelt sich lediglich um zusätzlichen bürokratischen Aufwand für die Betriebe.
Man hörte auch den Vorwurf, die Landesregierung würde zu wenig für die gering qualifizierten Altbewerber tun. Fakt ist: Es gibt ein Sonderprogramm für zusätzliche Ausbildungsplätze für die Zielgruppe der Altbewerber mit ESFMitteln in Höhe von 2 Millionen €.
Man hört schließlich den Vorwurf, das Land verweigere die Förderung außerbetrieblicher Ausbildungsplätze. Eine Ausbildung verlangt nach dem Berufsbildungsgesetz die Zahlung einer Ausbildungsvergütung; außerbetriebliche Bildungsstätten jedoch können dies nicht leisten. Eine Übernahme der Ausbildungsvergütung durch den Staat ist aber nicht leistbar.
Schließlich hört man den Vorwurf, die alternative Einstiegsqualifikation sei keine, sie diene nur der Beschaffung billiger Arbeitskräfte für die Unternehmen. Tatsächlich aber haben laut wissenschaftlicher Begleituntersuchung 2005 rund 60 % der Praktikanten schließlich einen Anschlussausbildungsplatz erhalten. Das ist eine sehr gute Übergangsquote.
So fällt letztlich die gesamte Kritik an der Ausbildungsplatzpolitik des Landes Baden-Württemberg in sich zusammen. Ich stelle erneut fest, der Unterschied ist der: Die Regierung setzt auf Kooperation mit der Wirtschaft, Sie setzen auf Konfrontation, und das ist Ihr Fehler.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir sind uns einig: Der Übergang von der Schule in den Beruf ist die wichtigste Voraussetzung dafür, dass junge Menschen ein eigenverantwortetes Leben führen können. Wir müssen deshalb alles Mögliche dazu beitragen, um diesen Übergang auch zu gewährleisten und zu unterstützen.
Wir müssen uns aber auch darüber klar sein, dass das in der Regel ein Übergang von der staatlichen Obhut in die freie Wirtschaft ist und dass wir in der Politik nur sehr bedingt Regelungsmechanismen zur Verfügung haben, die die Handlungsweise der Wirtschaft in diesem Bereich nachhaltig beeinflussen können.
Die Verhältnisse haben sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten stark verändert, und wir haben heute eine Ausgangslage, bei der ich erkenne, dass es einige Konfliktsituationen gibt, durch deren Auflösung wir einen Beitrag dazu leisten können, insgesamt zu einer besseren Ausbildungslage zu kommen. Nur diese möchte ich heute benennen und Ihnen sagen, wo unser Beitrag liegen könnte.
Die erste Situation, die ich wahrnehme, ist die, dass auf der einen Seite gesagt wird, es müssten mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt werden, da deren Zahl zurückgegangen ist, dass auf der anderen Seite jedoch gesagt wird: „Das würden wir ja tun, wenn die Jugendlichen ausbildungsreif wären.“ Ich glaube, dass es nicht zu einer Lösung der Situation beiträgt, wenn beide Seiten auf ihrer jeweiligen Position verharren. Deshalb müssen wir uns überlegen, wie wir uns hier aufeinander zubewegen können. Wir müssen einfordern, dass es mehr Ausbildungsplätze im dualen System gibt; denn unser oberstes Ziel muss sein, so viele Jugendliche wie möglich in die duale Ausbildung zu führen statt in vollzeitschulische Angebote, die wir als einen Ersatz geschaffen haben – aber immer nur als Reaktion darauf, dass nicht genug Ausbildungsplätze vorhanden waren.
Wir müssen auf der anderen Seite aber auch feststellen, dass einiges, was wir im Bereich der beruflichen Vollzeitschulen auf den Weg gebracht haben, nicht so wirksam ist, wie wir es uns versprochen haben. Das Berufsvorbereitungsjahr in seiner jetzigen Form hat nicht dazu geführt, dass Jugendliche im Anschluss daran wirklich in großer Zahl in ein duales Ausbildungsverhältnis gekommen sind.
Deutlich gesteigert werden konnte die Übergangsquote schon dort, wo eine Kooperation des Berufsvorbereitungsjahrs mit den Hauptschulen zustande gekommen ist. Diese Koop-Klassen, von denen wir derzeit 40 im Land haben, haben eine deutlich höhere Übergangsquote in ein duales Ausbildungssystem, obwohl zunächst wohl angenommen werden kann, dass hier schwächere Schüler versammelt sind. Denn hier konnte schon von der Schule her der Praxisbezug der Ausbildung in beiden Schultypen – Hauptschule und BVJ – deutlich gestärkt werden.
Aber wir haben auch festgestellt, dass im BVJ viele angekommen sind, die dort nicht wirklich eine Chance gesehen oder gesucht haben. Deswegen haben wir uns dazu entschieden – der Ministerpräsident hat das auch in seiner Regierungserklärung angekündigt –, denjenigen mit Hauptschulabschluss nicht die Möglichkeit zu geben, in einem weiteren Jahr noch einmal einen Hauptschulabschluss zu er
werben. Das wäre ein Umgang mit der Zeit, der uns nicht wirklich weiterhilft. Wir werden deswegen in diesem Jahr ein Berufseinstiegsjahr auf den Weg bringen, in dem wir uns für die Schülerinnen und Schüler mit Hauptschulabschluss, die keinen Ausbildungsplatz gefunden haben, intensiv auf Dinge konzentrieren, die im Zusammenhang mit dem Thema Ausbildungsreife immer wieder im Mittelpunkt der Diskussion stehen.
Das sind Kenntnisse in Deutsch und in Mathematik, das sind Kompetenzen im Sozialverhalten, und das ist die Berufsnähe. Wir werden dafür sorgen, dass in diesem Berufseinstiegsjahr die Berufsnähe eine sehr große Rolle spielt. Vorgesehen sind mindestens zwei Praxistage pro Woche,
im Idealfall sogar 90 Praxistage im Schuljahr, die dann bereits als ein Ausbildungsmodul betrachtet werden können.