Protocol of the Session on June 29, 2006

Wir bedanken uns bei Herrn Drexler und bei der SPD-Fraktion, die solidarisch mitgearbeitet und zum Erfolg beigetragen hat, ferner bei unseren Freunden von der FDP/DVP, beim langjährigen Ministerpräsidenten Erwin Teufel und bei Günther Oettinger. Wir sind froh und dankbar. Wir sollten das erste Ergebnis nicht kleinreden, sondern uns darüber im Klaren sein, dass wir einen wichtigen Schritt vorangekom

men sind. Aber wir müssen genauso gemeinsam dafür sorgen, und zwar mit vereinten Kräften und mit allen, die dazu beitragen können, dass auch der zweite Schritt erfolgreich sein wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zurufe von der CDU: Sehr gut! Bravo!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Drexler.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie einfach einmal den Rauch weg. Die SPD-Bundestagsfraktion wird zustimmen. Es war eine mühsame Geschichte, und zwar in allen Fraktionen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Genau!)

Es gibt Äußerungen von Bundespolitikern querbeet – auch aus der Bundestagsfraktion –, die diese Föderalismusreform nicht wollten.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Wer war denn das?)

Insofern will ich noch einmal deutlich machen: Das war ein Konflikt zwischen den Ländern und dem Bund. Diesen Konflikt zwischen den Ländern und dem Bund werden wir bei der nächsten Stufe der Föderalismusreform noch viel stärker spüren, weil dabei auch noch ein Konflikt zwischen den schwächeren und den stärkeren Ländern stattfindet. Ich spreche nicht von den ärmeren und den reicheren Ländern, weil das ja nach dem Finanzausgleich nicht mehr stimmt, sondern von den schwächeren und den stärkeren Ländern.

Was haben wir erreicht? Wir haben erreicht, dass jetzt nicht mehr so viele Zustimmungsrechte beim Bundesrat sind. Es gibt eine Untersuchung, die besagt: Die Ministerpräsidenten verzichten auf 50 % ihrer bisherigen Zustimmungsrechte; dafür bekommen die Länderparlamente, also wir, mehr Rechte; und drittens kann der Bund endlich selbstständig über den Bundestag die Politik bestimmen. Der Vermittlungsausschuss, der teilweise „unselige“ Nachtsitzungen hatte und teilweise schwierige Kompromisse gefunden hat, wird nicht mehr diese große Rolle spielen. Das ist ein Riesenvorteil nicht nur für uns, sondern für die Politik insgesamt, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie Abge- ordneten der CDU und der FDP/DVP)

15 Gesetzesbereiche bekommen wir, sechs bekommt der Bund. Das ist einigermaßen vernünftig. Ich hätte mir gewünscht – das war ja auch unser gemeinsamer Beschluss, Herr Schüle, aus dem Jahr 2004, bei dem wir einstimmig beschlossen hatten, dass das unsere Reform sein soll –, dass die Gemeinschaftsaufgaben außer dem Hochschulbau noch stärker reduziert werden. Jetzt haben wir noch immer den Küstenschutz, wir haben noch immer den Agrarbereich, und wir haben noch immer die regionale Wirtschaftsförderung. Der Küstenschutz hätte zum Bund gehört. Das hätte der Bund allein machen können. Den Agrarbereich, aber auch den Bereich „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ hätte man auflösen müssen; denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Bereiche sind unsinnig.

Stellen Sie sich einmal vor: Das reiche Land Bayern bekommt unter dem Aspekt der regionalen Wirtschaftsförderung vom Bund noch 10 Millionen € pro Jahr für den Bayerischen Wald, nachdem die Bayerische Staatsregierung Landesmittel eher nach München oder Nürnberg steckt als in den Bayerischen Wald. Warum sollen wir daran beteiligt werden, diesem Land Bayern, das demnächst keine Neuverschuldung mehr aufnimmt, über den Bund noch 10 Millionen € zu geben? Diese Streichung war allerdings nicht möglich. Vielleicht wird sie beim nächsten Schritt möglich. Dies wäre gut gewesen.

Ich will noch einmal am Hochschulbau deutlich machen, was wir – nicht nur Baden-Württemberg, sondern auch die anderen Bundesländer – allein in diesem Bereich gewinnen. Es gibt ja noch immer ein paar, die sagen, das sei doch nicht vernünftig, und die Ungleichheit werde gefördert. Im Gegenteil! Ich erkläre Ihnen das einmal am Beispiel des Hochschulbaus. Bisher mussten die Länder immer 50 % der Mittel – die anderen 50 % brachte der Bund auf – für den Hochschulbau dazugeben. Herr Schüle hat das schon gesagt. Das erforderte meist drei Jahre lang Vorbereitung. Im Übrigen waren wir, die Parlamente, daran gar nicht beteiligt. Das haben die Bürokratien in den Ländern und beim Bund gemacht. Ganze Abteilungen haben das Geld verteilt. Wir sind gar nicht gefragt worden.

Jetzt werden wir gefragt. Jetzt werden wir auch mehr arbeiten müssen; denn jetzt werden wir ein Hochschulbauprogramm auflegen müssen, weil die 700 Millionen €, die der Bund für diesen Bereich ausgegeben hat, zukünftig nach Länderquoten verteilt werden. Baden-Württemberg bekommt ab nächstem Jahr jährlich 102 Millionen € für den Hochschulbau, und zwar bis 2013. Damit kann man arbeiten. Wenn wir noch 102 Millionen € drauflegen, dann sind das 204 Millionen € pro Jahr allein für den Hochschulbau. Das haben wir dann jedes Jahr. Wir werden hier in diesem Parlament zu diskutieren haben, wie wir das ausgeben. Das ist ein riesiger Vorteil. Wir haben die Maschinerie aufgelöst.

Jetzt komme ich zu den kleineren Ländern. Wir haben das auch bei der Anhörung an einem Beispiel erklärt. Berlin konnte zum Beispiel nie die 50-%-Quote bringen. Mecklenburg-Vorpommern konnte auch nie die 50-%-Quote bringen. Wer hat sie gebracht? Baden-Württemberg. Deswegen waren wir zum Schluss teilweise mit 18 % an den Bundesmitteln beteiligt, obwohl uns nach der Quote eigentlich nur 12 % zustanden.

(Zuruf des Abg. Dr. Dietrich Birk CDU)

Zu behaupten, die Neuerung würde die Kleinen benachteiligen, ist falsch. Das Gegenteil ist der Fall.

(Zustimmung des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU)

Ich verdeutliche das einmal am Beispiel des Landes Berlin. Berlin bekommt ab nächstem Jahr zukünftig 34 Millionen € für den Hochschulbau, und zwar jedes Jahr,

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Leider!)

ob es die 50-%-Quote bringt oder nicht. Wenn Berlin früher 20 Millionen € aufgebracht hat, hat es noch 20 Millionen €

dazubekommen und dann insgesamt 40 Millionen € gehabt. Jetzt bekommt es 34 Millionen €. Bringt es dann noch 20 Millionen € dazu, hat es fast 60 Millionen €. Das ist eine große Verbesserung auch bei den ärmeren Bundesländern. Als wir ihnen das mühsam erklärt haben, waren sie alle dafür.

Das Schlimme dabei ist, dass es Bundespolitiker gab, die ständig den Zwist zwischen Großen und Kleinen geschürt haben. Sie haben gesagt: „Die Baden-Württemberger rasieren euch doch.“ Das stimmt aber überhaupt nicht. BadenWürttemberg erhält jetzt weniger als vorher, als wir 50 % aufgebracht haben. Es ist also ein solidarischer Kompromiss.

So geht es dann auch beim Wohnungsbau und bei der Gemeindeverkehrsfinanzierung, wo alles aus einem Topf und durch ein mühsames Verteilen zwischen 16 oder 17 Strukturen geregelt war. Was ab dem nächsten Jahr gilt, ist ein Riesenerfolg, liebe Kolleginnen und Kollegen. Darauf sollten wir stolz sein, weil wir dies alle gemeinsam erkämpft haben – von welcher Partei auch immer, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und den Grünen so- wie Abgeordneten der FDP/DVP)

Was jetzt noch kommen muss, ist der zweite Teil, nämlich die Finanzreform. Bei dieser Finanzreform wird es noch einmal hart, denn da gibt es eine Konkurrenz innerhalb der Länder. Schon in der Föderalismuskommission – da war ich in der Abteilung Steuern – war klar, dass die kleinen, die neuen Bundesländer diese Steuerhoheit nicht wollen. Insofern wird es jetzt bei den Verhandlungen darauf ankommen, Folgendes zu tun:

Der Ministerpräsident ist leider nicht anwesend, aber man kann der Landesregierung nur empfehlen, zu versuchen, in dem Kontext Bund – Land auch die Parlamente mitzunehmen. Wenn es Kommissionen gibt, sollten diese auch vonseiten der Länderparlamente besetzt sein. Es hat sich als recht gut erwiesen, dass nicht nur Ministeriumsvertreter am Tisch saßen, sondern dass auch Landesparlamentarier und Bundestagsabgeordnete die Situation aus ihrer Sicht geschildert haben.

Das ist deswegen ganz wichtig, weil man natürlich aufpassen muss, dass es nicht ins Klein-Klein geht. Wir haben jetzt einen riesengroßen Erfolg, aber wenn man das herunterzieht und einzelne Dinge wie das Heimrecht bemängelt, kommen wir nicht weiter.

Bei den Finanzen kommt es auf Folgendes an:

Erstens muss es eine Neuverteilung der Gemeinschaftssteuern geben, und zwar deswegen, weil wir in der Bildung erheblich mehr tun und mehr finanzieren müssen als bisher. Dem muss Ausdruck verliehen werden. Nach dem Grundgesetz sollen die Länder das Geld bekommen, das sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen – und zwar bei der Wachstumssteuer, der Mehrwertsteuer. Das ist der erste Teil: Es muss anders verteilt werden.

Zweiter Teil: Es muss auch über die uns eigentlich zu 100 % zustehenden Steuern diskutiert werden. Wir haben

jetzt zum ersten Mal das Recht, bezüglich der Grunderwerbsteuer die Sätze selbst und unabhängig von anderen Bundesländern festzulegen. Das ist der erste Erfolg. Aber was ist eigentlich mit der Erbschaftsteuer? Was ist mit der Kfz-Steuer, wenn wir sie behalten? Was ist mit der bisher nicht eingeführten Vermögensteuer? Und, und, und.

Dies alles sind hundertprozentige Ländersteuern, über deren Höhe der Bund bestimmt. Das ist ein unmöglicher Zustand. Das gibt es auf dem ganzen Erdball nicht, dass eine andere Ebene beschließt, wie hoch die Steuern sind, wann wir sie bekommen usw. Da müssen wir ein Stück mehr Kompetenz erhalten. Davor haben die kleineren, die schwächeren Länder Angst, weil sie meinen, wir würden dann ein Dumping veranstalten und Baden-Württemberg würde die Steuern senken, woraufhin alle nach Baden-Württemberg kämen. Ich nehme einmal einen Vergleich: In den USA hat New York die höchsten Vermögensteuern, während Nebraska überhaupt keine Vermögensteuer hat. Trotzdem geht wegen der Steuer keine Sau von New York nach Nebraska.

(Heiterkeit – Abg. Stefan Mappus CDU: Das kann auch andere Gründe haben, Herr Drexler! – Weite- re Zurufe, u. a. des Abg. Dr. Dietrich Birk CDU)

Das muss man so erklären, und wenn man es so erklärt, verstehen es die Leute auch. Man muss es anschaulich machen.

(Zuruf von der CDU – Heiterkeit)

Der Kollege hat richtig gesagt: Schweine gibt es in Nebraska natürlich mehr als in New York. Das ist okay.

Wir müssen also darum kämpfen, dass wir mehr eigene Hoheit bei den Steuern bekommen.

Als Drittes folgt dann die Frage des Länderfinanzausgleichs. Da wird es ganz schwer. Auch wenn wir in den ersten beiden Bereichen Erfolg haben, wird es beim Länderfinanzausgleich ganz schwierig. Da muss man schauen, ob man Kompromisse macht. Ich bin der Auffassung, dass man durchaus versuchen muss, eine Zielvereinbarung hinzukriegen. Man wird lange Übergangsfristen vereinbaren müssen, um den Schwächeren deutlich zu machen: Irgendwann hört es auf; irgendwann ändern sich die Regeln. Das wäre eine Chance.

Vielleicht kann man in der nächsten Runde noch etwas zur Länderneugliederung sagen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der CDU, der Grünen und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kretschmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich werde oft gefragt, ob ich mit der Föderalismusreform, wie sie jetzt zustande gekommen ist, zufrieden bin. Auf diese Frage gibt es ein Ja und ein Nein.

Ein Ja gibt es deshalb, weil sich in der Föderalismuskommission gezeigt hat, wie unglaublich schwierig es ist, einen

solchen Interessenausgleich zwischen den Ebenen zu finden, weil man eine Zweidrittelmehrheit braucht. Es gibt nicht nur Unterschiede zwischen Bund und Land, sondern dazu kommen Unterschiede zwischen Nehmer- und Geberländern, zwischen neuen und alten Bundesländern.

Letztlich bin ich vom Gesichtspunkt der Demokratie aus an diese Reform herangegangen: Wie kann in einer Massengesellschaft, in einer komplexer werdenden Welt das Prinzip der Demokratie, wonach der Einzelne Einfluss auf den Gang der Dinge hat, am besten erreicht werden? Dazu haben wir natürlich das Subsidiaritätsprinzip und den Aufbau des Staates von unten nach oben, wobei es uns darauf ankam, nicht nur Kompetenzen von oben nach unten zu verlagern, sondern sie auch an die Kommunen weiterzugeben, wo immer das möglich ist.

Ich glaube, es ist ein großer Erfolg, dass wir dem Durchgriffsrecht des Bundes auf die Kommunen einen Riegel vorgeschoben haben. Das bedeutet für uns allerdings, dass wir jetzt die volle Verantwortung für die Gemeinden haben. Es nützt nichts, wenn man wie Ministerpräsident Stoiber ein Föderalist nach oben und ein Zentralist nach unten ist. Die Kritik an Stoiber stammt übrigens vom ehemaligen Ministerpräsidenten Teufel, nicht von mir.

Deswegen haben wir damit auch eine große Verantwortung übernommen. Ich erinnere an das Konsultationsverfahren, das dann das Konnexitätsprinzip wirklich in die Praxis umsetzt.