Protocol of the Session on December 4, 2008

Als Karlsruher Abgeordneter nenne ich auch das geplante KIT, das Karlsruhe Institute of Technology, mit dem durch die Verbindung von einer klassischen Landesuniversität – der in Karlsruhe – mit einer Großforschungseinrichtung – dem Forschungszentrum Karlsruhe – modellhaft vorgegangen werden soll. In nächster Zeit werden wir dazu hoffentlich einen Gesetzentwurf der Landesregierung bekommen, sodass wir auch insoweit erfolgreich vorangehen können.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Lassen Sie das „aber“ weg! – Gegenruf der Abg. Ursula Haußmann SPD: Ruhe, Herr Zimmermann!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich frage mich aber – das muss man durchaus ernsthaft fragen –, was diese Erfolge eigentlich mit der Politik der Landesregierung zu tun haben.

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Die gute Grundlage!)

Ich wundere mich schon, dass man, wenn in Baden-Württemberg die Studienanfängerzahlen um 8 % steigen und der bundesweite Durchschnitt bei 6,7 % liegt, gleich einen solchen Popanz aufbaut.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Es sind 10 %, Herr Kollege! – Zuruf des Abg. Werner Pfisterer CDU)

Das halte ich wirklich für unangemessen.

(Beifall bei der SPD)

Ich muss Ihnen auch sagen, Herr Schüle: Für eine seriöse Betrachtung dieser Zahlen muss man auch in Relation setzen, wie viele zusätzliche Abiturientinnen und Abiturienten wir im letzten Jahr in Baden-Württemberg gehabt haben.

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Ihr könnt alles kaputt- reden, alles herunterreden! – Gegenruf des Abg. Claus Schmiedel SPD: Schönredner Pfisterer!)

Wenn man sich so wie Sie, Herr Pfisterer, mit Teilwahrheiten begnügen will, dann kann man immer alles schönreden. Das ist eine Politik, das ist ein Stil, den wir nicht mitmachen werden, Herr Schüle und Herr Pfisterer.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Werner Pfisterer CDU)

Um es entsprechend einschätzen zu können, habe ich mich bemüht, herauszubekommen, wie viele Schülerinnen und Schüler im Jahr 2008 zusätzlich die Hochschulzugangsberechtigung erworben haben. Leider habe ich die Zahlen des Statis tischen Landesamts nicht bekommen. Aber vor dem Hintergrund der Entwicklung der Schülerzahlen der Klasse 13 in den letzten beiden Jahren müssen wir davon ausgehen, dass es sich auch hier um eine Größenordnung von 8 bis 10 % handelt. Das heißt, dass wir wenigstens vom Negativtrend des letzten Jahres weg sind,

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Noch nicht einmal das!)

als wir trotz einer Steigerung der Abiturientenzahlen um 5,5 % einen leichten Rückgang der Studierendenzahlen zu verzeichnen hatten. Wenn Sie den Umstand, dass wir in Baden-Würt temberg möglicherweise jetzt wieder Mittelmaß sind, hier im Landtag von Baden-Württemberg schon als Erfolg bezeichnen, dann frage ich mich, was eigentlich unsere Ansprüche als Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger sind.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wir haben nicht den Anspruch, dass jeder studiert! Auch wer eine Ausbildung macht, ist qualifiziert!)

Weil Sie vorhin gesagt haben, das habe nichts mit den Studiengebühren zu tun, muss ich Ihnen sagen: Ich habe mir die Zahlen einmal genauer angeschaut, und ich frage mich, warum denn in Hessen, wo die Studiengebühren gerade abgeschafft worden sind, die Studierendenzahlen um 17,2 % gestiegen sind. Hat das denn damit nichts zu tun, liebe Kolleginnen und Kollegen?

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sachsen nicht verges- sen!)

Ich frage mich noch etwas. Wir hatten im letzten Jahr die Situation, dass die Studiengebühren eingeführt wurden und ein erheblicher Zuwachs bei den Abiturientenzahlen zu verzeichnen war; mir liegen Zahlen über einen Zuwachs von 5,5 % vor. Dennoch hatten wir einen leichten Rückgang der Zahl der Studierenden.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Trotzdem!)

Daher ist es, glaube ich, eindeutig. Das zeigt auch die Studie „Studiengebühren aus der Sicht von Studienberechtigten“, die uns Frau Schavan lange Zeit verschwiegen hat, eine relativ komplizierte und komplexe Studie – das muss man sagen –, die aber meines Erachtens eine Diskussion darüber lohnt, welche Auswirkungen Studiengebühren haben. Ich kann Ihnen versprechen: Sie können sich in diesem Landtag von BadenWürttemberg der Diskussion über die Auswirkungen von Studiengebühren nicht entziehen, solange Sie, wie gestern, unsere Anträge auf Abschaffung des Hochschulgebührengesetzes weiterhin ablehnen werden.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Theresia Bauer GRÜNE – Zuruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Minister Franken- berg wird es Ihnen nachher noch einmal erklären!)

Baden-Württemberg ist nicht Schlusslicht. Baden-Württemberg ist auch nicht führend. Es gehört, glaube ich, zur Ehrlichkeit dazu, das zu erwähnen. Wenn wir uns einmal einschlägige Statistiken auch des Statistischen Bundesamts anschauen, stellen wir fest: Bei der Studienberechtigtenquote, also beim Abiturientenanteil, liegt Baden-Württemberg mit Platz 7 im bundesweiten Vergleich im Mittelfeld. Immerhin auf Platz 4 liegen wir bei der Quote des Übergangs der Abiturientinnen und Abiturienten auf die Hochschulen. Aber in einem Bereich liegen wir am Ende, auf Platz 14 unter den 16 Bundesländern, nämlich wenn es um die Frage geht, wie viele Studienplätze wir eigentlich in Baden-Württemberg haben. Wir sind nämlich ein „Studierendenexportland“.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Aha!)

In dieser Frage ist Export etwas Schlechtes, weil wir weniger Studienplätze anbieten, als wir Studierende haben. Während es andere Länder wie Rheinland-Pfalz und Hessen geschafft haben, durch einen Ausbau ihrer Hochschulen dieses Defizit zu bekämpfen und zu beheben, liegen wir mit einem Wanderungssaldo von minus 10 000 Studierenden immer noch hinten, auf Platz 14. Das ist, glaube ich, eines Landes wie BadenWürttemberg unwürdig,

(Beifall bei der SPD – Lachen des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Un- glaublich!)

das zu Recht auch den Anspruch hat, im Bereich der Wissenschaft führend in der Bundesrepublik Deutschland zu sein.

Meine Redezeit zum ersten Teil geht an dieser Stelle zu Ende.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Time to say goodbye!)

Ich würde mich freuen, wenn Sie bereit wären, sich die Dinge etwas tiefer gehend anzuschauen, anstatt immer nur Lobeshymnen zu singen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD zur CDU: Schönredner!)

Vielmehr sollten Sie sich mit bestimmten Fragen einmal detailliert auseinandersetzen.

Beim Thema „Hochschulpakt 2012“ sind wir grundsätzlich beieinander. Aber ich glaube, das verdient noch einmal eine vertiefte Debatte. Deswegen freue ich mich auf die Diskussion in der zweiten Runde.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Ursula Haußmann SPD: Sehr gut! Blattschuss, Johannes!)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Frau Abg. Bauer das Wort.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Die stellt es einmal richtig!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! 8 % Wachstum hat Kollege Schüle hier gerade als den großen Erfolg inszeniert. Mein ältester Sohn – er ist 13 Jahre alt und besucht die siebte Klasse – lernt gerade Prozentrechnen. Mein Sohn weiß sehr genau,

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Es sind 10 %!)

dass 8 % von 50 000 4 000 sind, aber von 50 gerechnet nur 4. Den hätten Sie mit Ihrer Rechnung nicht beeindruckt.

Ich glaube, die Kolleginnen und Kollegen hier verstehen das auch: Wenn man die Wachstumsquote nur für dieses eine Jahr betrachtet, mag das gut klingen. Wenn man aber nur einen Schritt zurücktritt und die längerfristige Entwicklung betrachtet, dann weiß man – ich glaube, Herr Schüle ist Experte genug, um das zu wissen –:

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Der weiß es auch!)

Seit 2003 waren die baden-württembergischen Hochschulen auf Schrumpfkurs, was die Studienanfängerzahlen anging. Die Studienanfängerzahlen sind um ziemlich genau 8 % zurückgegangen.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Wie bundesweit! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Weil die Chancen in anderen Berufen gestiegen sind!)

Was wir also in diesem Jahr erleben, ist ein erfreulicher Zuwachs, aber nicht mehr als das Ausgleichen der Lücke, die in den vergangenen Jahren entstanden ist. Das ist schon einmal besser als nichts. Aber das ist bestimmt kein Grund, hier in Selbstlob und in großes Schulterklopfen auszubrechen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Das relativiert die Leistung des Mi- nisters, den Herr Schüle zum „super Minister“ erklärt hat! Das muss man einmal festhalten! – Gegenruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Herr Schmiedel, jetzt bin ich aber entsetzt!)

Dazu kommen wir gleich.

Worum geht es denn bei der heutigen Debatte? In Bezug auf die Hochschulen wird viel über den Exzellenzwettbewerb geredet. Gleichzeitig findet aber ein zweiter Wettbewerb statt – was ich positiv finde –, nämlich ein Wachstumswettbewerb in der Frage: Schaffen wir es, schnell genug und genügend zusätzliche Studienplätze im Land einzurichten? Dieser Wettbewerb hat begonnen. Zum Glück werden seit Neuestem auch aussagekräftige Zahlen erhoben, sodass wir im Vergleich zwischen den Bundesländern gut evaluieren können. Wir diskutieren heute über die Frage: Wo steht Baden-Württemberg in diesem Wachstumswettbewerb der Hochschulen?

Gestern hat der Ministerpräsident in Bezug auf die LBBW etwas Bemerkenswertes gesagt:

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Einmal mehr!)

Objektiv steht die LBBW schlecht da, aber relativ gesehen steht sie ganz gut da.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)