Ich will auch gern den Ball von Herrn Schebesta aufnehmen und Ihnen jetzt einmal spiegeln, was Sie tun müssten, um zu erreichen, wovon Sie die ganze Zeit sprechen. Es geht um das Image der Hauptschule, und es geht darum, dass die Hauptschule ausblutet, weil aus demografischen Gründen, aber auch aus Gründen der Akzeptanz der Schülerrückgang dort deutlich höher ist als anderswo.
Wenn Sie dem jetzt mit einem Vorschlag begegnen wollen, gemäß dem es plötzlich möglich ist, dass die Menschen an derselben Schule einen Hauptschulabschluss und einen Werk realabschluss machen,
und Menschen, die bisher zum Teil unterschiedliche Empfehlungen bekommen haben, in einem neuen einheitlichen pädagogischen Konzept an derselben Schule unterrichtet werden sollen und dieser Schultyp gleichgestellt werden soll mit dem, was die Realschule heute schon bietet, dann weiß ich, ehrlich gesagt, nicht, was an der Grundkonstruktion dieses neuen
(Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das ist aber höchstes Lob! – Abg. Peter Hofelich SPD: Die Regierung weicht zurück!)
Ich komme noch zu den Unterschieden, Herr Dr. Noll. Sie haben gesagt, wir brauchten eine solche Schulstrukturdiskussion nicht. Was sollen wir mit einem vierten Schultyp? Aber genau den führen Sie doch jetzt ein, wenn Sie das zusätzlich im Schulgesetz verankern.
(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP – Abg. Alfred Winkler SPD: Wenn er es ernst meint!)
Nein, Herr Dr. Noll, nein, Herr Rau! Wenn Sie den Rückgang bei den Schülerzahlen in einen Zuwachs umkehren wollen, dann müssen Sie die Strecke auch zu Ende denken. Dann müssen Sie den Abschluss dieser neuen Schule dem der bisherigen Realschule gleichwertig machen.
Dann dürfen Sie keine Grundschulempfehlung dahin gehend machen, dass Sie die in der Grundschule ausgesprochene Verpflichtung zum Besuch der Hauptschule nur durch eine Verpflichtung zum Besuch der Werkrealschule ersetzen, sondern dann müssen Sie aus drei möglichen Wegen zwei mögliche machen
Aber solange Sie sagen, einem Teil der Eltern sei freigestellt, ob sie ihre Kinder auf ein Gymnasium, eine Realschule oder eine Werkrealschule schicken, einem weiteren Teil der Eltern sei freigestellt, ob sie ihre Kinder auf eine Realschule oder Werkrealschule schicken, und einem dritten Teil der Eltern sei gar nichts freigestellt – für deren Kinder gibt es nur die Werk realschule –, haben Sie in der Tat hier nur einen Etikettenschwindel betrieben. Das bringt niemanden von den Eltern dazu, diese Schule zu akzeptieren.
Den Werkrealschulabschluss anders zu konzipieren, aber dann mit der mittleren Reife gleichzustellen, auch das tun Sie nicht. Sie kündigen es an,
aber wir wissen aus Informationen, dass z. B. der Werkrealschulabschluss das erste Jahr der Berufsfachschule ersetzen können soll. Wenn es eine richtige mittlere Reife wäre, würde es die komplette Berufsfachschule ersetzen. Sie müssen den Eltern beweisen, dass hier eine Gleichwertigkeit besteht. Das müssen Sie beim Einstieg, bei der Grundschulempfehlung, und beim Ausstieg, bei der Anschlussfähigkeit in die anderen Systeme, machen. Zu diesen beiden Punkten haben Sie hier noch nichts gesagt.
Sie müssen auch darstellen, mit welchen Maßnahmen Sie dieses individuelle Fördern dann hinterlegen. Sie sprechen von zehn Wochenstunden Differenzierungsstunden in Klasse 8 und 9. Wir haben das schon einmal beim G 8 erlebt. Da haben Sie gesagt, wenn man das in Ganztagsschulen machte, gäbe es sieben Stunden für acht Schuljahre dazu. Ich gehe einmal von fünf Wochenstunden aus. Gleichzeitig fallen aber die fünf Wochenstunden weg, die Sie bisher für den berufspraktischen Zug hatten.
Dann ist noch spannend, was Sie mit den bisherigen zusätzlichen Wochenstunden machen, die es für den Werkrealschulabschluss gab. Sind das vielleicht dieselben? Hier verlangen wir
Im Moment ist das ein großes Jonglieren mit Zahlen, mit denen Sie noch nicht belegen, dass das wirklich zu einer Verbesserung führt.
Meine Damen und Herren, gehen Sie den Weg ganz. Sagen Sie: „Wir wollen zwei unterschiedliche Realschulen in diesem Land, der eine Weg ist etwas praktischer orientiert, der andere ist anders. Die Schüler haben an beiden Schulen auch die Möglichkeit, mit dem Hauptschulabschluss abzuschließen, und die Empfehlung für beide ist gleichwertig.“ Dann hätten Sie die Ankündigungen erfüllt, die Sie im Moment hier aufgestellt haben. Das wäre ein wirklich aktiver Beitrag, um den Rückgang der Schülerzahlen an den Hauptschulen aufzuhalten.
Es gibt aber noch eine zweite Herausforderung, auf die Sie eingehen müssen. Auch dazu habe ich heute noch nichts gehört. 700 der 1 200 Schulstandorte sind in Gefahr. Schauen Sie sich einmal an, was das konkret bedeutet. Ich war auf einer Podiumsdiskussion in Waldshut-Tiengen. Da wurde dargestellt, dass es dort – dort gibt es ja so viele zipflige Ecken, die in die Schweiz hineinragen – über 20 Grund- und Hauptschulen mit Werkrealschulstufe gibt, von denen jetzt schon zwei Drittel nur noch einzügig sind. Was wollen Sie denn einer solchen einzügigen Grund- und Hauptschule mit Werkrealschulstufe im Moment anbieten? Sollen die Schüler aus dem einen Zipfel, der in die Schweiz hineinragt, in einen anderen
Zipfel fahren, was eine Entfernung von 20 oder 30 km bedeutet, weil Sie sagen, das müsse zweizügig sein? Es muss aber auch in seiner Bedeutung noch unter der Realschule liegen. Wie wollen Sie denn dort zusätzliche Eltern aktivieren, die für ihre Kinder eine Realschulempfehlung haben, dann eine solche Werkrealschule zu akzeptieren?
Hier brauchen Sie Antworten. Sich hier über die Kommunalwahl hinwegzumogeln wird Ihnen noch schwer auf die Füße fallen. Denn diese zwei Drittel aller Standorte wollen jetzt eine Antwort haben, aber die liefern Sie mit dem, was Sie bisher angekündigt haben, überhaupt nicht.
Sie müssen auf die Situation der Kleinsthauptschulen eingehen. Sie müssen darstellen, wie Ihre Konzeption auch diesen Standorten eine Entwicklungsmöglichkeit bietet.
Das, was Sie im Moment tun, ist ja Folgendes: Sie lassen sie nicht nur aushungern, sondern Sie betreiben auch noch eine Art aktives Aushungern, indem Sie jetzt nur über eine Konzeption reden, die diese Probleme völlig ausblendet. Es gibt beispielsweise noch bestimmte zusätzliche Angebote, Herr Rau. Wir kennen das von der kleinen Hauptschule in Ilvesheim im Rhein-Neckar-Kreis. Die hatte bis jetzt eine Außenklasse einer Schule für Geistigbehinderte – schon seit zehn Jahren und länger –, und die Fortsetzung dieser Außenklasse ist jetzt zum neuen Schuljahr verboten worden. Das sind die Maßnahmen, die im Moment im Land erlebt werden. Das zu dem, wie Sie die kleinen Standorte stabilisieren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst Herrn Kultusminister Helmut Rau für die Vorbereitung der Umsetzung der neuen Werk realschule sowie die Vorstellung eines ersten Rahmens danken und für die CDU-Fraktion festhalten, dass wir die von ihm hier vorgetragenen Eckpunkte unterstützen. Es war interessant, Frau Rastätter – zur SPD komme ich gleich –, dass Sie nach der Präsentation der Eckpunkte gar nicht mehr so richtig darauf eingegangen sind, sondern in die alte Strukturdebatte
Das macht aber für heute gar nichts, weil wir noch genug Gelegenheiten haben, um über die Einzelheiten zu diskutieren.
Ich werde mich jetzt aber hier – angesichts der Zurückhaltung der Kollegen und der Presse gegenüber unseren immer ähnlich ablaufenden Strukturdebatten im Landtag – nicht näher dazu äußern. Vielleicht schaffen wir es auch einmal, dass wir nicht immer mit den gleichen Überschriften eine solche Debatte führen – z. B. über die Länderauswertung von PISA –, sondern wirklich einmal über die konkreten Dinge reden, die Handlungsbedarf ausmachen.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Aber er hat doch eine neue Struktur vorgeschlagen! Was habt ihr denn ge- gen eine Strukturdebatte? – Unruhe)