Protocol of the Session on December 4, 2008

Im Übrigen – ich weiß nicht, wer von Ihnen es wahrgenommen hat – haben wir den diesjährigen Landesseniorentag, den wir im letzten Jahr beschlossen haben und der dieses Jahr zum zweiten Mal stattgefunden hat, auch dem Thema „Mobilität und Sicherheit“ gewidmet. Wir haben mit den Partnern eine große Veranstaltung „Habt acht im Verkehr“ durchgeführt, weil, meine Damen und Herren – auch das ist zwar keine „Zeitbombe“, aber doch etwas ganz Wesentliches –, ein Großteil der 75-Jährigen bis 90-Jährigen den Führerschein haben und zumeist auch am Steuer sitzen. Insofern müssen wir das Thema „Mobilität und Sicherheit im Verkehr“ im Lichte einer alternden Gesellschaft ernst nehmen.

Gesellschaft, bürgerschaftliches Engagement: Wir haben das Gesetz zur Stärkung des Ehrenamts in der Jugendarbeit. Daneben haben wir das Projekt des Landesseniorenrats „Langlebigkeit verpflichtet“ mit gefördert.

Ich bin in der Stiftung Kinderland beteiligt und habe dort angeregt und auch durchgesetzt – es wurde aufgenommen –, dass wir eine neue Förderlinie entwickelt haben: „Neue Generationennetzwerke für Familien“. Dort wird jetzt jedes Jahr immerhin eine Fördersumme von 1 Million € ganz konkret eingesetzt.

Integration, Migranten – ich habe es vorhin angesprochen –: Der Integrationsplan für Baden-Württemberg ist ein Meilenstein im Umgang mit Mitbürgern, die ausländische Wurzeln haben. Meine Damen und Herren, da gibt es kein Vertun: Die se Menschen sind Teil der demografischen Zukunftsfähigkeit

Baden-Württembergs. Wir setzen auf diese Menschen, und wir brauchen sie.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Jetzt komme ich zum Schwerpunkt „Öffentliche Haushalte“. Wir hatten ja gestern eine spannende Diskussion dazu. Erstmals seit 36 Jahren gehen wir nicht zur Bank, machen wir keine neuen Schulden. Meine Damen und Herren, wir tilgen, wir zahlen Schulden in dreistelliger Millionenhöhe zurück zuguns ten unserer Kinder und Enkelkinder,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Na, ob das noch wahr wird?)

um deren Handlungsfähigkeit zu ermöglichen und zu erhalten.

Ein Beitrag dazu ist, dass wir einen Pensionsfonds mit 500 Millionen € pro Jahr eingerichtet haben. Dies ist ein Beitrag dazu, dass Pensionen finanzierbar sind und dass wir Zusagen an zukünftige Pensionäre einhalten können.

Keiner kann auf Dauer über seine Verhältnisse leben. Deswegen sehe ich es auch mit Blick auf die ganze Steuerdebatte, die jetzt geführt wird, als absolute Pflichtaufgabe unserer Generation an, zugunsten unserer Kinder und Enkelkinder eine seriöse Haushaltspolitik ohne Neuverschuldung zu betreiben.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das waren jetzt in einer Art Zusammenfassung die wesentlichsten Gesichtspunkte.

Meine Damen und Herren, ich glaube, dass wir mit diesem Bündel von Maßnahmen gut aufgestellt sind, dass wir zukunftsfähig sind. Dass diese Einschätzung keine Selbsttäuschung ist, dass wir uns dies nicht nur einbilden, sondern dass andere diese Einschätzung teilen, können Sie nachlesen. Das wird uns auch bescheinigt.

Es gibt eine vergleichsweise neue Studie des Rostocker Zentrums zur Erforschung des Demografischen Wandels, die Studie „Demographic Risk Map“.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Gut, dass unsere Kinder schon ab der ersten Klasse Englisch lernen!)

In dieser Studie nimmt sich speziell Baden-Württemberg hervorragend aus. Wir suhlen uns aber nicht in Selbstzufriedenheit. Vielmehr wollen wir natürlich weiter. Wir müssen die Entwicklung weiter beobachten; die Entwicklung geht ja weiter.

Für die Weiterentwicklung, für das, was vor uns liegt, noch einmal einige Aspekte: Kinderfreundlichkeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, qualifizierte Fachkräfte, damit wir unsere Wirtschaftskraft erhalten, Etablierung eines neuen Altersbildes – dazu sage ich nachher noch etwas –, Anpassung der Infrastrukturen und Haushaltskonsolidierung. Diese Punkte sind das wesentliche Gerüst unserer Gesamtstrategie im Hinblick auf die demografische Entwicklung.

Wie geht es weiter? Ich nenne in gebotener Kürze künftige Schwerpunkte:

Die Bertelsmann Stiftung hat ein Programm,

(Unruhe)

das den Namen trägt: „Alle Kids sind VIPs“. Dieser Name gefällt mir sehr gut. Schade, dass er nicht uns eingefallen ist,

(Abg. Rudolf Köberle CDU: Wir sprechen Deutsch!)

aber wir können dieses Motto durchaus zum Programm erheben. Ich will Ihnen nur ein Beispiel dafür nennen, dass das bisher nicht so ist.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD – Unruhe)

„Alle Kids sind VIPs“, very important persons, sehr wichtige Menschen für uns.

Ich habe letzte Woche einen Beschluss des Hamburger Oberlandesgerichts in der Zeitung gelesen.

(Anhaltende Unruhe)

Da ging es um eine Klage von Nachbarn wegen Kinderlärms unter dem Gesichtspunkt des Immissionsschutzes. In Hamburg wurde eine Kindertagesstätte wegen eines Verstoßes gegen das Immissionsschutzgesetz geschlossen. Meine Damen und Herren, da läuft etwas eklatant schief. Kinder sind uns willkommen, Kinder sind das Wichtigste, und Kinder stören nie.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

In Hotels oder in Restaurants lese ich gelegentlich: „besonders familienfreundlich“. Das ist ja durchaus schön. Aber eigentlich ist das doch eine Selbstverständlichkeit, eigentlich muss man das doch nicht unbedingt als ein Nischenangebot anpreisen.

Kinder brauchen Liebe, brauchen Zeit. Sie brauchen nicht nur Geld. Sie brauchen Betreuung, und Kinder brauchen – das kommt mir manchmal zu kurz – Erziehung.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Sehr gut!)

Wir müssen Zeit für unsere Kinder haben. Wir müssen uns Zeiträume schaffen, Zeit fürs Zuhören, für Spiele, für Geschichten. Wir müssen Zeit haben, die Welt zu erklären und die Welt zu entdecken, Zeit, um individuelle Bildungschancen zu fördern.

Deswegen: Bildung bleibt ein Schwerpunkt, meine Damen und Herren. Ich habe den Eindruck – das muss ich heute auch einmal so loswerden –, dass wir in Deutschland zu sehr dem Primat der Erstausbildung anhängen, dass wir Weiterbildungsmuffel sind.

(Unruhe)

Der Satz „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ ist falsch, meine Damen und Herren. Wir brauchen eine Kultur des lebensbegleitenden Lernens.

Boxenstopp beim Auftanken, Atemholen für Weiterbildung mit 35, 45 und 55 Jahren: Das tut gut und not. Es ist nicht in Ordnung, dass die Wirtschaft 90 % der Ausgaben für Weiterbildung in die unter 40-Jährigen investiert. Es lohnt sich auch noch, einen 58-Jährigen, einen 62-Jährigen weiterzubilden. Das ist einerseits eine Bringschuld der Wirtschaft, aber, meine Damen und Herren, es ist andererseits für die Älteren auch eine Holschuld. Man muss auch mitmachen wollen. Eine lebenslang lernende Gesellschaft – davon bin ich überzeugt – hat eine bessere Zukunftsfähigkeit als eine lernfaule.

Ich komme jetzt noch zum Thema „Bild des Alters“. Unser Bild vom Alter: Selbstbild, Spiegel und Außenansicht. Ich darf hierzu den Brockhaus aus dem Jahre 1884 zitieren.

(Zuruf von der SPD: Ganz schön alt!)

Ganz schön alt, ja. Darin steht:

Der Mann tritt gemeinhin im Alter von 45 bis 60 Jahren ins Greisenalter.

(Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Genau! – Heiterkeit – Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Dann sind wir ja hier Greise!)

Da wird’s hier auch schon bei manchen im Saal eng. Charmanterweise wird hinzugefügt, bei der Frau beginne es fünf Jahre früher.

(Heiterkeit)

Wir sollten heute einmal einen 40-Jährigen als Greis bezeichnen! Also, Alter ist auch nicht mehr das, was es einmal war.

(Heiterkeit des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Vielleicht noch eine Zahl dazu, meine Damen und Herren. Bis zum Jahr 2050 wird sich die Zahl der über 100-Jährigen verzweihundertsiebzigfacht haben. Also, hundert wird jeder oder jede.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Darauf hoffe ich!)

Ich hoffe es auch, Herr Noll. Aber es ist Neuland.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Wir beschreiten es gemeinsam!)