Protocol of the Session on December 3, 2008

Noch im Jahr 1977 betrug der Schuldenstand 5 Milliarden €. Wir, die „Aktivgeneration“, haben es geschafft, aus diesen 5 Milliarden € 42 Milliarden € zu machen.

(Abg. Ingo Rust SPD: Wer war da in der Regierung? – Abg. Reinhold Gall SPD: Sie, Sie haben es ge- macht! – Weitere Zurufe von der SPD)

Ich sage Ihnen: Wenn es nach der Opposition gegangen wäre, wären es keine 42, sondern 84 Milliarden € geworden.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Ingo Rust SPD: Vier Jahre übernehmen wir! – Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Das war jetzt eine freche Behauptung, die überhaupt nicht stimmt!)

Es ist ganz wichtig und war allerhöchste Zeit, dass eine Kehrtwende eingeleitet und geschafft worden ist. Das ist nicht nur ein einmaliges fiskalisches Ereignis, sondern auch eine moralische Verpflichtung für kommende Haushaltsjahre.

(Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Der Bund und die meisten anderen Bundesländer sind davon noch weit entfernt.

Meine Damen und Herren, gerade die Finanzmarktkrise zeigt mehr noch als bisher, dass der Staat dann, wenn eine Krisenanfälligkeit besteht, wenn Schwächen auftreten, handlungsfähig bleiben muss. Deswegen kann ich nur dazu ermuntern – ich glaube, darin sind wir uns einig –, diesem klugen Ansatz zu folgen und im Zuge der Föderalismusreform eine Schuldenbremse in die Verfassung einzubauen und eine flexi

ble Handhabung entsprechend unserer Landeshaushalts ordnung vorzusehen, wenn gesamtwirtschaftlich gravierende Brüche entstehen oder Naturkatastrophen eintreten. Es ist doppelt wichtig, dass wir dieses Anliegen jetzt im Rahmen der Föderalismusreform umsetzen. Denn jetzt hat sich bewiesen: Nur derjenige, der in der Zeit spart, hat auch dann etwas, wenn Not besteht und wenn Ausgaben notwendig sind.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man einen Haushalt vorlegt und dann in die Beratung eintritt, ist klar, dass man fest im Blick haben muss, welche möglichen Risiken mit dem Haushalt verbunden sind. Die Konjunkturentwicklung wurde angesprochen. Wir werden gerade in den nächsten acht Wochen der Haushaltsberatungen sorgsam auf das schauen, was die Konjunktur „abgibt“, auf das, was möglich ist und was möglicherweise auch an neuen Problemen entstehen kann.

Aber das Zweite: Es gibt für einen Haushalt dieser Art mit einer Verschuldung von 42 Milliarden € natürlich auch das Zinsrisiko, meine sehr verehrten Damen und Herren. Was da an Schulden besteht, verlangt einen Zins von 2 Milliarden € pro Jahr, das heißt, wir sind auch der Zinsquote, dem Zinssatz ausgeliefert. Tatsächlich würde ein Prozentpunkt mehr mittelfris tig allein im Bereich des Kapitaldienstes eine zusätzliche Belastung von 400 Millionen € bedeuten.

Wir haben das Risiko der Versorgungsausgaben. Meine Damen und Herren, ich weiß, dass ich da ein unbequemer Mahner bin, aber auch da geht der Blick auf die nachfolgenden Generationen.

(Oh-Rufe von der SPD – Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Jedenfalls, Herr Schmiedel, wenn Sie mitmachen würden, um schneller von einem Pensionsalter von 65 auf 67 Jahre zu kommen, dann könnten Sie zeigen, ob Sie auch unbequeme Wahrheiten mitzutragen bereit sind. Denn wenn wir im Land Baden-Württemberg früher als die anderen von 65 auf 67 Jahre kämen, würden wir allein schon bis zum Jahr 2020 weitere 250 Millionen € sparen können,

(Beifall bei der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/ DVP)

und dies vor dem Hintergrund – das bitte ich nicht zu vergessen; manche glauben, man könne da traumtänzerisch weitermachen –, dass wir für Versorgung derzeit 2,9 Milliarden € im Haushalt ausbringen und dass wir, wenn es sich so weiterentwickelt, im Jahr 2020 bereits bei fast 5 Milliarden € sind. Das heißt, bei einem Anteil von heute 9 % am Landeshaushalt würden dies für 2020 etwa 14 % sein. Da frage ich Sie: Wie wollen Sie das unseren Kindern, der nachfolgenden Generation erklären? Wer da nicht zum Handeln bereit ist, versündigt sich an der Zukunft unserer Kinder.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Genau!)

Eine Unwägbarkeit stellt natürlich auch der Bereich der Personalausgaben dar. Wir haben einen Ansatz, wir haben eine

Perspektive im Etat, aber klar ist, dass schwierige Personal- und Tarifverhandlungen ins Haus stehen und wir entsprechend reagieren müssen. Ich bekenne mich ausdrücklich dazu, dass auch der öffentliche Dienst eine anständige, eine adäquate Bezahlung braucht. Wir stehen da in einem Wettbewerb mit der Wirtschaft. Deswegen braucht der öffentliche Dienst Anschluss an das, was insgesamt Besoldungserhöhungen waren.

(Zustimmung des Abg. Stefan Mappus CDU)

Aber wir, die wir den Landeshaushalt beschließen, müssen wissen: Das geht nicht zum Nulltarif, sondern das kostet angesichts dieser umfangreichen Summe natürlich sofort viel Geld.

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen gern sagen, wo die Schwerpunkte unschwer erkennbar sind. Wir haben uns als Landesregierung auch in diesem Haushalt zu den Schwerpunkten Bildung, Hochschulen, innere Sicherheit und Infrastruktur bekannt.

Zunächst zum Bereich der Bildung, der Bildungsausgaben. Man darf immer wieder sagen, dass Baden-Württemberg im Vergleich mit den anderen Ländern seit Jahren den höchsten Anteil der Bildungsausgaben am Gesamthaushalt hat. Mit der im Sommer beschlossenen Qualitätsoffensive Bildung machen wir erneut deutlich, dass dies nicht nur Sonntagsreden sind, sondern dass wir das ganz konkret auch im Landeshaushalt mit weiteren 530 Millionen € umzusetzen gedenken.

Allein im Jahre 2009 werden 1 500 neue Lehrerstellen geschaffen. Ich will, dass all diejenigen, die über Personalabbau reden, wissen, dass wir in der Tat abbauen, um da, wo es wichtig ist, im Bildungsbereich, wieder neue Lehrerstellen schaffen zu können. Wir stärken mit rund 40 Millionen € weitere Bildungsmaßnahmen. Da geht es um die Altersermäßigung für Lehrer, um die Maßnahmen zur Stärkung der Hauptschulen sowie um die Umsetzung der Hausaufgabenbetreuung im G-8-Bereich. Ganz deutlich wurde ein erster und wichtiger Schwerpunkt für die Landesregierung im Haushaltsentwurf 2009 für den Bildungsbereich der Privatschulen festgemacht, die angesichts ihrer steigenden Schülerzahlen 2009 mit zusätzlichen 37 Millionen € rechnen können.

Das Zweite sind die Hochschulen. Wir bauen unsere Spitzenstellung aus. Für das Ausbauprogramm „Hochschule 2012“ werden 65 Millionen € zur Verfügung gestellt. Wir werden BAföG-Erhöhungen mit 10 Millionen € mitfinanzieren und Voraussetzungen schaffen für die Weiterentwicklung unseres erfolgreichen Modells der Berufsakademien.

Meine Damen und Herren, ich bin froh, dass es uns gelungen ist, auch im Bereich der Forschung zusätzliches Geld für die Clusterbildung und für die Spitzenforschung einzustellen. Ich bin doppelt froh, dass wir auch die wirtschaftsnahen Forschungsinstitute wie etwa das Fraunhofer-Institut mit zusätzlichem Geld für dringenden Investitionsbedarf unterstützen können.

Die innere Sicherheit bleibt für die Landesregierung ein Ausgabenschwerpunkt, meine Damen und Herren. Die ständige und stärkere Gewaltbereitschaft, die internationale Sicherheitslage und auch die demografische Entwicklung stellen uns

vor neue Herausforderungen. Auch hierzu sei – auch für die öffentliche Diskussion – noch einmal gesagt: Wir stärken unsere Polizei durch einen Einstellungskorridor mit jährlich 800 Anwärtern.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Bravo! – Beifall des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP – Abg. Reinhold Gall SPD: Das stärkt doch nicht! Das lindert doch höchs tens die Not!)

Das heißt, wir können frühzeitig qualifizierten Nachwuchs gewinnen.

Wir machen schließlich den vierten Schritt beim atmenden Stellenplan: Wir schaffen 350 Beförderungsmöglichkeiten durch Stellenhebungen im Polizeivollzugsdienst. Nicht zuletzt – auch diese Zahl darf genannt werden – geben wir 43 Millionen € in die Modernisierung der Informationstechnik. Wenn also jemand behauptet, man würde die Polizei und die innere Sicherheit vernachlässigen, ist das einfach falsch. Hier ist ein Schwerpunkt, zu dem sich die Landesregierung immer bekannt hat und sich auch in Zukunft bekennen wird.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Stefan Mappus CDU: Richtig!)

Schließlich zu den Bereichen Verkehr und Infrastruktur: Meine sehr geehrten Damen und Herren, im nächsten Jahr stehen für den Landesstraßenbau 146 Millionen € bereit. Hinzu kommen 60 Millionen € aus dem Impulsprogramm. Das heißt, hier kann in der Tat ein weiterer wichtiger Schritt für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg getan werden.

(Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE: Stichwort Klima!)

Stuttgart 21 und die Neubaustrecke zwischen Wendlingen und Ulm werden in die Haushaltsplanung eingestellt. Damit bleibt das Exportland Baden-Württemberg zukunftssicher an den internationalen Schienenverkehr angeschlossen. Deswegen ist es wichtig, dass dies auch mit dem Etat 2009 zum Ausdruck gebracht wird.

Schließlich, meine Damen und Herren: Auch dieser Haushalt zeigt, dass für uns Marktwirtschaft und soziale Gestaltung untrennbar miteinander verbunden sind. Auch darüber gebietet es sich in diesen Tagen verstärkt zu reden. Das Land greift den Kommunen beim Ausbau der Kleinkindbetreuung finanziell unter die Arme. Über den Umfang der Förderung hat sich die Landesregierung mit den kommunalen Landesverbänden verständigt. Im Jahr 2009 sind dafür im Landeshaushalt 60 Millionen € veranschlagt. Danach soll die Förderung bis 2014 um 23 Millionen € jährlich aufgestockt werden. Zu den Landesmitteln kommt die Weiterleitung der vom Bund über die Umsatzsteuer bereitgestellten Gelder an die Gemeinden. Im Jahr 2014 wird also die Gesamtförderung für die von uns als wichtig und dringlich erachtete Kleinkindbetreuung 274 Millionen € betragen.

Meine Damen und Herren, wir haben auch bei diesem Thema wieder gemeinsam beweisen können, dass die Kommunen und das Land verlässlich und konstruktiv handelnde Partner sind. So wird das auch in Zukunft bleiben können.

Wir tragen die auf Bundesebene beschlossenen Leistungsverbesserungen beim Wohngeld mit. Auch da wiederum geht es

konkret um 19 Millionen €, die von uns zusätzlich eingebracht werden, weswegen sich der Landesanteil auf rund 81,5 Millionen € erhöht.

Auch die Entlastung für die Familien durch die Kindergelderhöhung geht am Landeshaushalt nicht spurlos vorüber. Es sind rund 90 Millionen €, die hier zu Buche schlagen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, schließlich zu einem Abschnitt, der auch ganz wichtig ist und auch draußen immer wieder kommuniziert werden kann: Unser Hochbauhaushalt investiert und sichert den Bestand. Für das Jahr 2009 sind rund 400 Millionen € für den Erhalt und die Sanierung der bestehenden Gebäude vorgesehen. Auch Maßnahmen der energetischen Sanierung sind schon bislang fester Bestandteil vieler Baumaßnahmen.

Wir haben vor, auch im kommenden Jahr einen Schwerpunkt des Programms auf umfassende Klimaschutzmaßnahmen bei landeseigenen Gebäuden zu legen. Wir investieren hier zusätzlich über 12 Millionen € in Projekte zur energetischen Optimierung der Gebäude. Diese Maßnahmen sind konjunkturgerecht. Ihre Aufforderung, lieber Herr Schmiedel, nehme ich gern auf. Ich habe bereits den Auftrag erteilt, dafür Sorge zu tragen, für das, was jetzt Beschluss werden soll, nach Möglichkeit schon im Vorfeld Vorarbeiten zu leisten. Dabei geht es in der Tat um all die Gelder, die wir als Land, vielleicht auch komplementär mit den Kommunen, ausgeben wollen. Diese vielen Milliarden wichtiger Konjunkturmittel müssen möglichst rasch eingesetzt werden können und bedeuten dann konkret Konjunkturhilfe, bevor alles andere dazu diskutiert werden muss.

Meine Damen und Herren, es zeigt sich, dass nachhaltige Finanzpolitik richtig war. Wir bleiben handlungsfähig. Ich wünsche uns nun eine sachliche und vor allem zukunftsorientierte Beratung des Landeshaushalts. Ich bitte Sie im Namen der Landesregierung, dem Entwurf des Haushalts 2009 nach gründlicher und eingehender Beratung im Lichte der weiteren Konjunkturentwicklung zuzustimmen.

Ich danke Ihnen.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP/ DVP)

Meine Damen und Herren, die Aussprache zum Staatshaushaltsplan findet am 18. Dezember statt.

Punkt 2 der Tagesordnung ist damit abgeschlossen.

Ich rufe jetzt Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Große Anfrage der Fraktion der FDP/DVP und Antwort der Landesregierung – Die Folgen der Gesundheitsreform für Baden-Württemberg – Drucksache 14/3262

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion und für das Schlusswort fünf Minuten.