Protocol of the Session on December 3, 2008

Wir haben gemeinsam mit dem Bund Konjunkturprogramme auf den Weg gebracht. Es ist gar keine Frage, dass wir bei all dem, was jetzt entschieden wird, ausdrücklich darauf achten müssen, dass durch diese Konjunkturprogramme keine konjunkturellen Strohfeuer ausgelöst werden, dass es nicht nur um Mitnahmeeffekte gehen kann, dass es nicht zu ökonomischen Verzögerungen kommen darf, sondern dass diese Dinge sofort administrativ umgesetzt werden müssen.

Insofern ist auch richtig, was der Sachverständigenrat sagt: Alles muss kritisch geprüft werden. Es dürfen nur die Maßnahmen umgesetzt werden, die eine konjunkturgerechte Wachs tumspolitik bedeuten.

Deswegen begrüßen wir die 120 Millionen € aus Maut und zusätzlichen Konjunkturmitteln, die für den Bundesfernstraßenbau in Baden-Württemberg ausgegeben werden können.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Wieso habt ihr das dann im Bundesrat abgelehnt? Was ist denn das, wenn man das jetzt begrüßt? – Gegenruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das wundert mich jetzt auch!)

Wir begrüßen, dass man mit einer zeitlich befristeten Wiedereinführung der degressiven Abschreibung

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ja, eben!)

Investitionen vorziehen kann und dass dies bereits für die Jahre 2009 und 2010 möglich ist.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Sie stimmen nicht zu, und dann begrüßen Sie das! Das ist unglaublich!)

Der Mittelstand wird von den zeitlich befristeten Sonderabschreibungen für kleinere und mittlere Unternehmen profitieren. Ich denke, wir waren uns alle einig, dass es auch sinnvoll ist, für handwerkliche Leistungen eine steuerliche Entlastung in Höhe von bis zu 1 200 € zu gewähren, was eine Verdopplung des bisherigen Höchstbetrags bedeutet.

Ich will die Zahlen nicht verschweigen.

(Abg. Christine Rudolf SPD: Ach! So etwas! – Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Das sollte ein Finanzminis ter auch nicht!)

Diese Maßnahmen kosten uns für den Haushalt im Jahr 2009 ganz konkret rund 75 Millionen €, und im Jahr 2010 sind es perspektivisch bereits 200 Millionen €, die aufgrund dieser beschlossenen Maßnahmen in unserem Haushalt verbucht bzw. abgebucht werden müssen. Sie sehen an diesem Haushaltsentwurf, dass wir für diese Steuerausfälle in der Tat bereits Vorsorge getroffen haben.

Meine Damen und Herren, der Blick ist natürlich auf die derzeitige Steuerentwicklung gerichtet. Ich habe die Zahlen der Steuerschätzung vom November dieses Jahres veröffentlicht. Wir haben mittlerweile den Abschluss vom November 2008. Wir können auch im November in der Tat, gemessen am Vorjahresmonat, wiederum einen Zuwachs von 5,1 % registrieren. Damit gehe ich davon aus, dass wir mit dem, was in der Steuerschätzung vom November 2008 an Mehreinnahmen von rund 820 Millionen € prognostiziert worden ist, dieses Haushaltsjahr 2008 tatsächlich beenden können.

Es ist richtig, dass wir diese Mehreinnahmen nachhaltig verwenden. Wir werden im Haushaltsvollzug vor allem Rücklagen für bereits beschlossene Mehrausgaben bilden. Ich erinnere insbesondere an die rund 530 Millionen €, die wir zusätzlich für die Bildung ausgeben wollen.

Wir haben aber bei unseren aktuellen Steuerschätzungen – das ist wichtig für die Debatte des Haushaltsplanentwurfs – künftige Mindereinnahmen berücksichtigt, z. B. Mindereinnahmen durch das Familienleistungsgesetz oder durch Auswirkungen des Konjunkturpakets, wie ich sie zahlenmäßig gerade genannt habe. Damit haben wir nach der Steuerschätzung alles Mögliche getan, um den Haushalt 2009 auf eine solide Finanzierungsbasis zu stellen.

Doch auch hier gilt wie bei der Konjunkturprognose: Nur auf Sicht sind derzeit verlässliche und konkrete Angaben machbar.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Nur auf Sicht!)

Eine Faustformel lautet: Ein Prozentpunkt weniger Wachstum bedeutet für das Land Baden-Württemberg ungefähr 200 Millionen € weniger Einnahmen. Allein deswegen schon ist wenig Luft für neue Ausgabenwünsche, aber auch für überschwängliche Steuerentlastungen ist kaum Spielraum vorhanden.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Oh!)

Sonst wäre die Nullneuverschuldung nicht zu halten.

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD: Kampfansage an Mappus!)

Meine Damen und Herren, es ist doch ganz klar, dass da Zielkonflikte entstehen:

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Wer setzt sich durch?)

einerseits Ausgabenwünsche, andererseits Steuerentlastungswünsche und mittendrin die Kernaussage: Der Konsolidierungskurs muss gehalten werden.

Ich will gern eine Entlastungsüberlegung ansprechen, die immer wieder Raum greift und immer wieder diskutiert wird, nämlich die Beseitigung der kalten Progression, meine sehr geehrten Damen und Herren. Jeder von uns empfindet die kalte Progression im Steuerrecht als ungerecht.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Thomas Blenke CDU – Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Stu- diengebühren auch!)

Wir wissen, dass das so lange geht, wie das jetzige System gilt: Durch Gehaltssteigerungen und Inflation unterliegen immer mehr durchschnittliche Einkommen einer erhöhten steuerlichen Progression. Der Spitzensteuersatz wird schneller erreicht, und im Ergebnis steigen dann gerade im Bereich der mittleren Einkommen die verfügbaren Realeinkommen nur noch geringfügig an. Das ist der Ausgangspunkt. Das ist nicht gut so.

Ich habe bereits vor einiger Zeit auf den mittelfristigen Handlungsbedarf genau bei diesem Thema hingewiesen. Doch klar ist: Auswirkungen auf den Landeshaushalt wären nicht vermeidbar. Eine Abfederung der Progression müsste in drei Be

reichen erfolgen, wobei sicherlich das Ausmaß immer wieder diskutiert werden könnte. Da geht es zum einen um den Grundfreibetrag. Diesen auf 8 000 € anzuheben würde bundesweit Ausfälle von 2,3 Milliarden € verursachen. Eine Anhebung des für den Spitzensteuersatz maßgeblichen Einkommens müsste ebenfalls vorgenommen werden, um diese Progression abfedern zu können. Eine Anhebung auf beispielsweise 60 000 € würde bedeuten, dass 6 Milliarden € zusätzlich an Ausfällen zu verbuchen sind.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: An weniger Mehr- einnahmen!)

Und drittens: Wenn ich den Tarifknick in der ersten Progressionszone verschiebe, wenn ich da abflache, muss ich mit weiteren Ausfällen von rund 11 Milliarden € rechnen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Weniger Zunah- me!)

Das wäre als mittelfristige Maßnahme zwingend geboten, ist aber in der dargestellten Weise haushaltswirksam. Deswegen müssen wir in aller Gründlichkeit darüber reden.

Ich will Ihnen eine weitere Zahl mitgeben. Jede Milliarde Euro Steuerausfall auf Bundesebene bedeutet ganz konkret für den Landeshaushalt einen Ausfall von ungefähr 45 Millionen €.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Aber da ha- ben Sie jetzt die ganze Zeit immer die Falschen an- geguckt!)

Lieber Herr Kretschmann, ich habe ausdrücklich betont, dass es ein ganz konkretes Ziel bleiben muss, die kalte Progression zu beseitigen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Jawohl!)

Daran führt überhaupt kein Weg vorbei.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Ich habe die Situation dargestellt. Dieser Gesamtverantwortung stellen wir uns, der Kollege Mappus und ich. Vorhin wurde ausdrücklich betont: Das Ziel der Steuerentlastung muss mit dem grundsätzlichen Kurs der Konsolidierung unseres Landeshaushalts in Einklang gebracht werden. Denn unsere Finanzpolitik zeichnet sich durch Nachhaltigkeit aus, und sie ist zukunftsgerichtet. Diesen Weg dürfen wir auch in schwieriger Zeit nicht verlassen.

Wir müssen auch 2009 trotz sich eintrübender Konjunktur einen Haushalt ohne Neuverschuldung konkret machen können und Ausgabendisziplin wahren. Schließlich: Es bewährt sich jetzt, dass wir durch Rücklagenbildung in guter Zeit für eine schwierige Zeit vorgesorgt haben.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Die Zeit ist schon schwierig!)

Ich sage Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, gerade auch zu Beginn dieser Haushaltsberatungen ganz ausdrücklich, weil ich weiß, dass viele Ausgabenwünsche diese Haushaltsberatungen begleiten werden: Ein Haushaltsaus

gleich ohne Neuverschuldung muss wieder der Normalfall werden. Ich sage Ihnen: Dazu haben wir uns im Interesse der Zukunft unseres Landes, aber insbesondere auch im Interesse der nachfolgenden Generationen ausdrücklich verpflichtet.

(Beifall der Abg. Klaus Herrmann CDU und Dr. Ul- rich Noll FDP/DVP)

Wir müssen für unsere Kinder – das kann man nicht oft genug sagen – die finanzielle Gestaltungsfähigkeit des Staates sichern. Das ist für die nachfolgende Generation angesichts der globalisierten Welt und der demografischen Entwicklung eine Überlebensfrage geworden. Deswegen dürfen heutige Ausgaben nur der Zukunftsfähigkeit dienen; dies haben wir im Wege der Weiterführung der Bildungsoffensive konkret gemacht.

Meine Damen und Herren, der Landeshaushalt stand gewaltig unter Druck. Ich erinnere mich gerade an die Jahre, als die Steuereinnahmen eingebrochen sind. Wir haben daher in den Jahren 1998 bis 2007 13,2 Milliarden € an neuen Schulden aufnehmen müssen.

(Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Eine weitere Zahl, die ganz wichtig ist – sie betrifft unsere Generation, die „Aktivgeneration“ der letzten Jahre und der Gegenwart –:

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: „Aktivgeneration“!)

Noch im Jahr 1977 betrug der Schuldenstand 5 Milliarden €. Wir, die „Aktivgeneration“, haben es geschafft, aus diesen 5 Milliarden € 42 Milliarden € zu machen.