Protocol of the Session on November 6, 2008

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Ausführung des Personenstandsgesetzes (AGPStG) – Drucksache 14/3361

Das Präsidium hat festgelegt, dass nach der Begründung des Gesetzentwurfs durch die Regierung eine Aussprache mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion geführt wird.

Das Wort für die Landesregierung hat Herr Staatssekretär Köberle. Bitte.

Verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich darf Ihnen im Namen der Landesregierung den Gesetzentwurf zur Ausführung des Personenstandsgesetzes zur Beratung vorlegen.

Das Personenstandsrecht, eines der traditionsreichsten Rechtsgebiete in unserem Staat, wird zum Jahreswechsel einer grundlegenden Reform unterworfen. Das am 9. November 2006 vom Deutschen Bundestag beschlossene Personenstandsrechtsreformgesetz tritt am 1. Januar 2009 in Kraft. Dies ist seit der Einführung der staatlichen Personenstandsregistrierung im Jahr 1876 die umfassendste Reform des Personenstandswesens.

Kernpunkt der Reform ist die Ablösung der papiergebundenen Beurkundung von Personenstandsfällen durch eine elektronische Registerführung. Mit der Digitalisierung der Fallbearbeitung halten moderne Medien Einzug in das Personenstandswesen. Den Standesämtern wird für die Einführung der elektronischen Registrierung eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2013 eingeräumt. Der Verwaltungsaufwand wird durch den Wegfall des Familienbuchs reduziert. Die Verlage

rung von bisher zentral wahrgenommenen Aufgaben auf die Standesämter wird zu kürzeren Wegen für die Bürgerinnen und Bürger führen.

Bisher hatte der Landesgesetzgeber für das Personenstandsrecht keine Regelungskompetenz. Dies ändert sich ab dem Jahr 2009. Das Land muss deshalb das neue Bundesrecht um eine landesrechtliche Zuständigkeitsregelung ergänzen. Dies geschieht durch den vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Personenstandsgesetzes.

Wie bisher sollen in bewährter Art und Weise die Gemeinden diese Aufgabe – auf neuer rechtlicher Grundlage – wahrnehmen. Die Beurkundungen von Geburten, Eheschließungen und Sterbefällen können damit weiterhin bürgernah auf dem Rathaus vorgenommen werden.

Da die Gemeinden die Aufgabe Personenstandswesen schon bisher wahrgenommen haben, entstehen ihnen keine Mehrbelastungen. Die Aufwendungen werden über die Standesamtsgebühren abgedeckt. Zwar kommen auf die Gemeinden bestimmte zusätzliche Beurkundungsaufgaben zu. Sie werden aber andererseits auch entlastet, da beispielsweise Erstellung und Versendung der Familienbücher wegfallen.

Das Personenstandsrecht wird allerdings infolge der Zunahme der ausländischen Bevölkerung ein immer komplexeres Rechtsgebiet. Deshalb sieht der Gesetzentwurf vor, dass die Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften weitere Standesamtsbezirke nur dann bilden können, wenn jeder Standesamtsbezirk eine Größe von mehr als 5 000 Einwohnern hat. Bereits bestehende Standesamtsbezirke werden jedoch bis auf Weiteres Bestandsschutz genießen.

Die Landesregierung will die freiwillige Zusammenlegung von Standesamtsbezirken in den Gemeinden sowie die Bildung von Standesamtsbezirken, die aus mehreren Gemeinden bestehen, unterstützen und erleichtern. Deshalb wurde eine entsprechende Regelung in den Gesetzentwurf aufgenommen. Das Land setzt darauf, dass insbesondere die kleineren Gemeinden die Möglichkeit der interkommunalen Kooperation nutzen.

In den letzten Wochen ist in der Öffentlichkeit der im neuen Personenstandsgesetz des Bundes nicht mehr enthaltene Vorrang der standesamtlichen Eheschließung vor einer kirchlichen Trauung diskutiert worden. Das neue Personenstandsgesetz sieht einen derartigen Ordnungswidrigkeitstatbestand nicht mehr vor.

Das Innenministerium hatte sich bereits im Gesetzgebungsverfahren zum neuen Personenstandsgesetz im Bundesrat gegen diese Aufhebung gewandt, da wir den Vorrang der standesamtlichen Eheschließung für bedeutsam halten. Auf Initiative Baden-Württembergs hat sich der Bundesrat im Jahr 2005 gegen diese Streichung ausgesprochen. Allerdings haben Bundesregierung und Bundestag im Jahr 2006 unseren Vorschlag abgelehnt. Wir werden die weitere Entwicklung in dieser Frage genau beobachten.

Mit der Einbringung dieses Gesetzentwurfs will die Landesregierung die Voraussetzungen schaffen, um die hohe Qualität des Personenstandswesens in Baden-Württemberg zu erhalten. Die gute Arbeit der Standesbeamten ist auch eine Folge des herausragenden Engagements der beiden Fachverbän

de der Standesbeamten Baden-Württembergs. Viele Fachberaterinnen und Fachberater führen ehrenamtliche Fortbildungslehrgänge für die Standesämter in Baden-Württemberg durch. Ihnen will ich im Namen der Landesregierung für ihr großes Engagement ganz herzlich danken. Ich hoffe, dass sie auch die Einführung des neuen Rechts tatkräftig unterstützen werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Wir kommen jetzt in der Ersten Beratung zur Aussprache. Es findet ja noch eine Zweite Beratung statt. Darauf will ich nur hinweisen.

(Abg. Walter Heiler SPD: Was heißt das? – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Für die CDU-Fraktion hat Frau Abg. Bormann das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Am 1. Januar 2009 tritt das Personenstandsrechtsreformgesetz des Bundes in Kraft. Wie der Staatssekretär bereits ausgeführt hat, enthält es eine Reihe von Neuerungen, die auf die Gemeinden und die Standesämter zukommen. Eine einschneidende Änderung durch das neue Personenstandsrecht ist die Möglichkeit, nur die kirchliche Trauung zu vollziehen und auf die standesamtliche zu verzichten. Darüber wird auch in der Öffentlichkeit sehr kontrovers diskutiert. Baden-Württemberg hat einen Antrag auf Beibehaltung der verpflichtenden standesamtlichen Trauung gestellt.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Der Rechtsausschuss des Bundesrats hat diesem Antrag zugestimmt und plädiert ebenfalls für die Beibehaltung der bisherigen Regelung. Der Bundesrat wird dieses Thema voraussichtlich morgen behandeln.

Sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche treten für diese Lösung ein. Sollte es allerdings bei der jetzt im Gesetz vorgesehenen Regelung bleiben, wird die katholische Kirche wie folgt verfahren:

(Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

Die kirchliche Trauung vor der standesamtlichen Trauung muss die absolute Ausnahme bleiben und bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des zuständigen Bischofs.

Der Bund hat es den Ländern überlassen, das Personenstandswesen zu regeln. Wie der Staatssekretär bereits darlegte, werden durch das Gesetz zur Ausführung des Personenstandsgesetzes und eine entsprechende Rechtsverordnung verschiedene Maßnahmen getroffen.

Eine wichtige Reform des neuen Personenstandsgesetzes betrifft die Personenstandsbücher. Ab 1. Januar 2009 sind diese grundsätzlich elektronisch zu führen. Eine Übergangsregelung erlaubt bis Ende 2013, Beurkundungen in einem Papierregister vorzunehmen. Durch diese Übergangsfrist haben die Kommunen genügend Zeit, sich auf die neue Situation einzustellen.

Das neue Personenstandsgesetz verpflichtet die Länder, ein zentrales elektronisches Register einzurichten. Die Einrichtung eines solchen Registers bündelt die Zuständigkeiten und entlastet die örtlichen Verwaltungen.

Das neue Gesetz sieht übrigens keine besondere und zentrale Zuständigkeit für Beurkundungen mit Auslandsbezug mehr vor, wie sie bisher beim Standesamt I in Berlin bestanden hat. Diese Zuständigkeit wird auf die Gemeindeebene verlagert. Wir sind davon überzeugt, dass dadurch keine signifikante zusätzliche Belastung auf die Standesämter zukommt. Im vergangenen Jahr sind, auf Baden-Württemberg bezogen, 1 000 derartige Beurkundungen in Berlin vorgenommen worden. Im Schnitt kommt somit auf jedes Standesamt weniger als eine solche Beurkundung zu. Mittelfristig werden die Standesämter durch die Einführung des elektronischen Personenstandsregis ters und durch den Wegfall des Familienbuchs sogar zeitlich entlastet.

Was die Zuständigkeit anbelangt, belassen wir es bei der bisherigen Regelung. Die Standesämter verbleiben bei den Gemeinden. Ihre Zuständigkeit wird lediglich auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt. So kommt auf die Gemeinden kein finanzieller Mehraufwand zu. Zurzeit gibt es in den 1 108 Gemeinden in Baden-Württemberg ca. 1 300 Standesämter. Es wird keine von oben diktierte Auflösung geben; denn die bisherigen Standesämter genießen Bestandsschutz.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Richtig! – Abg. Gün- ther-Martin Pauli CDU: Sehr gut!)

Neue Standesamtsbezirke können jedoch künftig nur noch dann gebildet werden, wenn die Gemeinden und die Verwaltungsgemeinschaften mehr als 5 000 Einwohner haben. Das ist unserer Ansicht nach auch eine sinnvolle Lösung.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Richtig!)

Benachbarte Gemeinden desselben Landkreises können einen einheitlichen Standesamtsbezirk mit einem gemeinsamen Stan desamt bilden. Sie bestimmen dann selbst den Dienstsitz, den Namen des Standesamts, die Bestellung der Standesbeamten sowie die Verteilung der Kosten.

Weiterhin wird durch das vorliegende Gesetz das Innenminis terium ermächtigt, die gebührenpflichtigen Tatbestände und die Höhe der Gebühren zu bestimmen, die die Gemeinden künftig erheben. Aufgrund der Gleichbehandlung haben wir uns für eine zentrale, einheitliche und moderate Gebührenlösung für Baden-Württemberg entschieden. Insbesondere wegen der Gebühren- und der Zuständigkeitsregelung muss das Gesetz zum 1. Januar 2009 in Kraft treten.

Meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf setzt die Vorgaben des Bundesgesetzgebers sachgerecht um. Aus den genannten Gründen stimmt die CDU-Fraktion dem Gesetzentwurf zu.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut! Gute Rede!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Heiler das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Gesetzesbegründung wird ausgeführt, auf die Kommunen kämen keine zusätzlichen Kos ten zu. Das glauben wir einfach nicht. Es werden Mehrkosten auf uns zukommen.

Die elektronische Beurkundung mit Programmen wie beispielsweise AutiSta ist künftig wesentlich aufwendiger, und unklar ist bis heute, in welcher Form vernetzt wird und in welcher Form die Personenstandsdaten künftig gespeichert werden sollen.

Ob der Wegfall des Familienbuchs eine Entlastung der Standesämter bringt, ist noch abzuwarten. Das Familienbuch war ein durchaus praktisches und durch die Vielzahl der Informationen auch sehr kompaktes Medium, um personenstandsrechtliche Daten zu ermitteln. Vorgänge, die bisher in das Familienbuch eingearbeitet wurden, werden künftig in die Register aufgenommen. Wie hier großer Arbeitsaufwand erspart werden soll, erschließt sich mir zumindest im Augenblick noch nicht.

Die Register sollen zwar elektronisch abrufbar sein, aber bis es so weit ist, dass diese Daten alle elektronisch gespeichert sind, müssen die Standesbeamten erst einmal mit den alten Büchern, den Familienbüchern, und der neuen elektronischen Beurkundung arbeiten. Die tatsächliche elektronische Umsetzung wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen, und da das Personenstandsgesetz keine Nacherfassungspflicht vorsieht, müssen Folgebeurkundungen und Hinweise in die bisher geführten Personenstandsbücher bzw. die Register eingetragen werden, was zumindest auf absehbare Zeit einen Mehraufwand gegenüber der Fortführung im Familienbuch bedeutet.

Des Weiteren wird durch die neue Zuständigkeit für Nachbeurkundungen von Geburten und Sterbefällen Deutscher im Ausland ein erhöhter Arbeitsaufwand auf die Gemeinden zukommen.

Bei all diesen Punkten, die ich angesprochen habe, stellt sich dann natürlich die Frage: Wer zahlt dies? Wer übernimmt die se Mehrbelastungen, wenn sie denn auf die Kommunen zukommen? Da sind wir der Auffassung: Zunächst muss die Entwicklung abgewartet werden, aber wenn in den Kommunen Mehrkosten festzustellen sind, dann greift das Konnexitätsprinzip. Dieses Konnexitätsprinzip haben wir hier fast schon in einer Feierstunde großartig ins Leben gerufen; jetzt, wo es einmal umgesetzt werden soll, wo es einmal akut wird, lese ich im Gesetzentwurf, es kämen keine Kosten auf uns zu. So einfach kann man es sich nicht machen, meine Damen, meine Herren.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Standesbeamtinnen und Standesbeamte üben eine sehr komplizierte, anspruchsvolle Tätigkeit aus, die durch immer komplexere Gesetze eine hohe fachliche Qualifikation erfordert. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern sind die Anforderungen an die Bestellung eines Standesbeamten in BadenWürttemberg nicht geregelt. Die Fachverbände schlagen vor,

als Mindestvoraussetzung für einen Standesamtsbezirk müsse das Vorhandensein von mindestens zwei qualifizierten Standesbeamten vorgesehen werden. Dies ist absolut richtig und wird von uns nachhaltig unterstützt.