Protocol of the Session on October 1, 2008

Bitte, Herr Abgeordneter.

Ich möchte mich für das Entgegenkommen bedanken, dass Sie mir gern zuhören, Herr Minister.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Das hat er nicht ge- sagt!)

Jeder Architekt, der Planvorlagen machen muss, muss Einsicht in Planunterlagen und Vermessungsunterlagen nehmen, um spätere Rechtsverfahren auszuschließen. Sind Sie der Auffassung, dass das nicht notwendig ist?

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das geht elektro- nisch!)

Jetzt sprechen Sie von Architekten. Ich habe von Bürgern gesprochen.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Architekten sind auch Bür- ger!)

Ja, ja, berufsbedingt sind auch Architekten angesprochen. – Herr Kollege Haas, Sie wissen, was ich meine. Schauen Sie zu den Schulämtern. Ich kenne Schulämter, wo es nur sechs Bürgerkontakte gegeben hat.

(Abg. Walter Heiler SPD: In der Stunde?)

Die Schulräte gehen vom Standort aus zu den Schulen hin. Dort erbringen sie ihre Leistung. Nicht anders ist es bei den Vermessern.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es! – Abg. Rainer Stickelberger SPD: Das mit den Standesäm tern reichen Sie noch nach? – Gegenruf des Abg. Reinhold Gall SPD: Das möchten wir schriftlich ha- ben!)

Das mit den Standesämtern untersuchen wir dann. Aber bitte lassen Sie uns das jetzt nicht vertiefen.

(Glocke des Präsidenten)

Da war noch eine Zwischenfrage. Der Kollege berät sich aber gerade.

(Abg. Walter Heiler SPD: Ich denke, die Wortertei- lung macht der Präsident!)

Normalerweise mache i c h das. – Wollen Sie eine Frage stellen?

(Heiterkeit)

Bitte schön. Sie gestatten das, Herr Minister?

Ja, gern.

Herr Minister, sind Sie mit mir nicht auch der Meinung, dass die Anfragen der Architekten, von denen Kollege Haas gesprochen hat, heutzutage per E-Mail online erledigt werden können, sodass kein Besuch auf dem Vermessungsamt erforderlich ist?

Ja, das weiß ich schon. Dieser Auffassung bin ich auch. Aber beim Kollegen Haas läuft das noch anders.

(Heiterkeit bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Er will es genau wis- sen!)

Er schafft noch mit der Hand am Arm.

Herr Kollege Sckerl – das nehme ich wirklich ernst –: Wenn man all Ihre Vorschläge oder Forderungen betrachtet – über Jahre hinaus; das ist nichts Neues, das sind alles alte Hüte, die Sie auftischen –, dann läuft das alles auf einen Satz hinaus: weniger Bürgernähe, mehr Staat und vor allem mehr Zentralismus.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Die Regionalkreise bedeuten mehr Zentralismus. Sie sagen, die Landräte wären kleine Könige. Was sind denn dann die Regionalkreispräsidenten? Große Mullahs, oder was auch immer?

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Noch kleinere Kö- nige!)

Sie müssen sich selbst schon genauer zuhören, damit Sie sich nicht dauernd widersprechen: Zentralismus pur, mehr Staat. Wir wollen das Gegenteil.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wir wollen die Bürgernähe, wir wollen die kommunale Ebene.

Auf das Thema Aufgabenkritik, das im Innenausschuss mehrfach angesprochen wurde, will ich noch mit wenigen Sätzen eingehen. Zunächst: Es war und bleibt eine wichtige Aufgabe für die Landesregierung, Aufgabenkritik ernsthaft voranzutreiben. Der Staat soll sich auf seine wesentlichen Aufgaben beschränken, dort aber bürgerorientiert und vor allem kos tengünstig verfahren. In der Koalitionsvereinbarung ist auch formuliert und festgehalten, dass die Aufgabenkritik – und zwar eine systematische Aufgabenkritik – ein zentrales Vorhaben der nächsten Jahre sein wird.

Mit fünf Tranchen zum Bürokratieabbau – das ist eine lange Liste – haben wir schon vor vier Jahren begonnen, viele Maßnahmen auf den Weg zu bringen und auch umzusetzen. Der Ombudsmann, der jetzt seine Arbeit im Innenministerium aufgenommen hat, der Kollege Köberle, leistet wertvolle und wichtige Arbeit, indem er bereits im Gesetzgebungsverfahren als Ansprechpartner für die Bürger und die Wirtschaft fungiert. Wir werden heute darüber entscheiden, wie die mittelfristige Aufgabenverteilung der Verwaltungsebenen aussehen wird.

Konkret und beispielhaft heißt dies, dass wir die Aufträge der Strukturreformkommission weiterverfolgen werden. Ich habe dem Kollegen Stickelberger ja schon schriftlich mitgeteilt, dass wir beispielsweise im Widerspruchsverfahren für die ers te Hälfte des Jahres 2009 eine Entscheidung anstreben. Bis dahin wollen wir – das ist ja auch nur vernünftig – die Er

kenntnisse aus anderen Ländern, soweit diese vorliegen, auswerten und dabei anschauen, wie sich die Befriedungsfunktion des Widerspruchsverfahrens bei uns darstellt.

Das ist also schon ein wichtiges Thema. Man kann nicht einfach sagen: „Wir schaffen das Widerspruchsverfahren ab“, sondern man muss schauen, welche Funktionen es bislang hat erfüllen sollen und ob die angestrebten Wirkungen in Bezug auf die Befriedungsfunktion auch tatsächlich eingetreten sind.

Es gibt aber auch andere Bereiche. Gemeinsam mit dem Landkreistag und dem Gemeindetag haben wir ein Konzept zum Abbau von staatlichen und Pflichtaufgaben bei den Kommunen erörtert, und wir sind zumindest ansatzweise auch in anderen Bereichen schon umfassend aktiv geworden und haben erst in jüngster Zeit Änderungen erreicht – die auf den ersten Blick vielleicht nicht weltbewegend erscheinen, aber deutlich machen, dass sich die Substanz auch im Detail zeigt.

Ein Beispiel hierfür ist die Fehlbelegungsabgabe. Da wurde ein unwirksames Steuerungsinstrument, das für die Kommunen mit Kosten in Millionenhöhe verbunden war, einfach abgeschafft. Ich nenne hier außerdem die Lockerung von Genehmigungsvorbehalten im landwirtschaftlichen Grundstücksverkehr oder beispielsweise auch die Ausstellung unbefristeter Fischereischeine. Da haben für die Bürger Vereinfachungen stattgefunden. Auch das neue Abfallgesetz wird für die kommunale Ebene künftig einfacher zu handhaben sein. Ein weiteres Beispiel ist der Verzicht auf die Kfz-Ummeldung bei Beibehaltung des Kennzeichens – also beispielsweise, Herr Kollege Oelmayer, beim Umzug vom Stadtkreis Ulm in den Alb-Donau-Kreis.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Ich weiß nicht, ob der Kollege Oelmayer Auto fährt!)

All dies zeigt, dass auf vielen kleinen Baustellen doch einiges geleistet wurde und geleistet wird.

Aber auch Grundlegendes ist bereits umgesetzt. Mit der Änderung der Landesverfassung und dem – noch druckfrischen – Konnexitätsausführungsgesetz hat Baden-Württemberg im Konsens mit den kommunalen Landesverbänden beispielhaft ein Verfahren gefunden, das die Verteilung von Aufgaben und der notwendigen Finanzmittel fair und ausgewogen regelt. Dieses Vorgehen ist ein Beweis dafür, dass wir es nicht bei der Strukturreform belassen, sondern viel dafür tun, damit der Staat als Ganzes nicht mit Aufgaben und damit mit Ausgaben, sprich Kosten für den Bürger, belastet wird.

Zum Schluss will ich noch kurz auf den zweiten Gesetzentwurf eingehen, der unter diesem Tagesordnungspunkt aufgerufen und zur Abstimmung gestellt ist, den Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Zweiten Nachtrags, das die Bestimmungen beinhaltet, die erforderlich sind, um die fristgemäße Umsetzung des Verwaltungsstrukturreform-Weiterentwicklungsgesetzes im Haushalt abzusichern. Die hierfür erforderlichen Regelungen, meine Damen und Herren, die eine Flexibilisierung für die Landesbetriebe bei der Erbringung der Effizienzrendite und die Schaffung der haushaltsrechtlichen Voraussetzungen zur Übernahme des Personals der unteren Schulaufsichtsbehörden vorsehen, wurden im Finanzausschuss, Herr Kollege Herrmann, ja bereits beraten.

Die ebenfalls im Gesetzentwurf enthaltene Ermächtigung zur zusätzlichen Tilgung von 100 Millionen € Altschulden traf im Finanzausschuss – das will ich ausdrücklich betonen – auf breite Zustimmung. Damit gelingt es uns im Jahr 2008 nicht nur erstmals seit 1972, keine neuen Schulden zu machen, sondern sogar – das wurde heute Morgen schon erwähnt –, insgesamt 350 Millionen € Altschulden zu tilgen. Wir unterstreichen damit, dass wir die guten Zeiten genutzt haben, um den Haushalt zu konsolidieren, Rücklagen für schlechte Zeiten zu bilden und Altlasten abzutragen.

Das, meine Damen und Herren, ist vorbildliche Finanzpolitik. Ich bitte Sie, den beiden Gesetzentwürfen zuzustimmen.

Damit ich Ihnen, Herr Kollege Heiler, die Antwort nicht schuldig bleibe – ich habe gedacht, im Ausschuss hätten Sie verstanden, was ich meine –, will ich Ihnen noch einmal Folgendes verdeutlichen: Stichwort Standortamt für Flurneuordnung. Die Landkreise – das haben sie auch zugesagt, und das ist auch überwiegend gelungen, vielleicht in diesem einen Fall noch nicht, aber das werden wir ja sehen – müssen sich auf eine gemeinsame Dienststelle verständigen. Da ist ein Machtwort des Ministers völlig fehl am Platz, weil ich den Landkreisen zutraue, dass sie dies bewältigen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Sie sitzen doch selbst im Kreistag, Herr Kollege Heiler. Ich verstehe unter kommunaler Selbstverwaltung, dass die Dinge dort geregelt werden, wo sie geregelt werden können, nämlich auf der unteren Ebene, und das sind in diesem Fall die Landkreise. Was soll da das Machtwort eines Ministers?

(Abg. Walter Heiler SPD: Haben Sie jetzt von der Flurneuordnung oder von der Vermessung gespro- chen?)

Von der Flurneuordnung.

(Abg. Walter Heiler SPD: Und was passiert mit der Vermessung? Heißt das, dass sie in Karlsruhe bleibt? – Zuruf: Für die ist der Kreistag gar nicht zustän- dig!)

Zu den Vermessungsgebühren haben Sie richtigerweise gesagt, dass den Landkreisen 13,7 Millionen € fehlen, Beispiel Heidenheim. Da will ich zunächst einmal sagen: Das sind ganz unterschiedliche Abmangelbeträge. Da wir dies aber gesehen haben, haben wir im Jahr 2007 die Vermessungsgebühren ganz deutlich erhöht mit dem Ziel, diesen Abmangel zu verringern. Außerdem haben wir gesagt, dass wir dies noch einmal überprüfen werden, wenn die Ergebnisse der von den Landkreisen durchgeführten Erhebungen vorliegen. Das werden wir tun. Aber die Ergebnisse liegen noch nicht vor. Darüber steht das Ziel – Herr Kollege Kluck hat es gesagt –, dass wir auf 80 % der öffentlich bestellten Vermesser kommen werden.

Jetzt, Herr Kollege Heiler, will ich noch einmal verdeutlichen, wofür die Verwaltungsstrukturreform alles herhalten muss. Ich will es nicht ausbreiten, aber ich habe mich schon gewundert, als ich in meiner Heimatzeitung las, dass der Kollege Heiler sagt, die Landesstraßen seien in einem „verheerenden Zustand“.