Herr Staatssekretär, würden Sie mir zugestehen, dass in der Vergangenheit immer mehr Geld nach Baden-Württemberg geflossen ist, als ursprünglich veranschlagt wurde? Ein Paradebeispiel dafür ist die Situation in diesem Jahr. Jetzt ist mit einer Maßnahme in Schopfloch
mit Rückflussmitteln bzw. Swingmitteln begonnen worden, sodass Ihre Prognostik auf reichlich tönernen Füßen steht.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Warum sind Sie so pes- simistisch, Herr Staatssekretär? Mehr Optimismus!)
Lieber Kollege Haller, meine Prognostik steht überhaupt nicht auf tönernen Füßen. Ich habe zum einen Zahlen bis zum Jahr 2008 genannt. Da wissen wir ganz konkret, was kam. Da brauchen wir nichts hineinzuinterpretieren. Vielmehr wissen wir, was uns überwiesen wurde.
Für 2009, das in der Zukunft liegt, können wir nichts anderes tun, als die Planungen des Bundes zugrunde zu legen. Allerdings – das tun wir ja tagtäglich; das hören Sie ja bei jeder Gelegenheit – mahnen wir ständig Sonderprogramme, Zulagen bei der Aufstellung des Haushalts an. Wir setzen also genauso darauf, dass in der Zukunft mehr Geld nach BadenWürttemberg kommt, als entsprechend der mittelfristigen Finanzplanung prognostiziert ist.
Deshalb habe ich das Jahr 2009 herausgegriffen. Das ist momentan das verkehrspolitische Thema vieler Menschen landauf, landab. Die fragen sich: Ist jetzt endlich einmal mein seit Jahren planfestgestelltes Projekt an der Reihe? Können wir mit dem Baubeginn 2009 rechnen? Wenn man diese massive Diskrepanz sieht, wie wir sie bisher noch nie hatten – dass der Bund 135 Millionen € gibt, wir aber für die laufenden Maßnahmen bereits 275 Millionen € brauchen –, dann ist die Chance, mit neuen Maßnahmen zu beginnen, eingeschränkt, wenn der Bund nicht gewaltige weitere Schritte tut, das heißt, wesentlich mehr Geld in die Hand nimmt, um dieses große Delta zu beseitigen.
Ich komme schon noch darauf. Ich kann doch nicht alles in einem Satz sagen. Ein bisschen Geduld brauchen Sie halt, lieber Kollege Kretschmann.
(Beifall bei der CDU – Abg. Thomas Blenke CDU: Geduld ist eine Tugend, Herr Kretschmann! – Glo- cke des Präsidenten)
Herr Staatssekretär, bei einer kürzlich stattgefundenen Veranstaltung des Verbands der Bauwirtschaft wurde dargestellt, dass die zur Verfügung stehenden Mittel von Bund und Land überhaupt nicht in die praktische Realität umgesetzt werden könnten, weil bei den Regierungspräsidien, bei den Straßenbaubehörden das geeignete Personal nicht mehr zur Verfügung stehe, da sich nach der Verwaltungsreform seit dem 1. Januar 2005 eine Personalfluktuation ergeben habe, sodass man überhaupt nicht in der Lage sei, diese Maßnahmen in die Praxis umzusetzen, obwohl die
se planfestgestellt seien und das Geld zur Verfügung stehe. Das wurde dort behauptet. Ist dies zutreffend?
Dass es behauptet wurde, wird wohl so sein, sonst würden Sie es hier nicht ansprechen. Aber dass das dem Wahrheitsgehalt nicht entspricht, das haben wir immer wieder gesagt.
Es ist eindeutig, dass wir seit Jahren jeden Euro – und früher jede D-Mark –, den wir vom Bund bekommen, auch verbauen. Wir verbauen nicht nur das, was wir angekündigt bekommen, sondern wir gehen auch ins Risiko zulasten des Landes und verbauen jedes Jahr mehr, und zwar deutlich mehr, als wir zugewiesen bekommen, eben immer in der Hoffnung, dass uns am Jahresende Restmittel zugewiesen werden, die dieses Delta, das für 2009 mit 140 Millionen € errechnet ist, weiter verringern.
Wenn wir keinen Restmittelanteil bekommen, dann gibt es nur eine Lösung, wenn wir keine Baustellen einstellen wollen, nämlich dass wir nicht Neubaumittel verwenden, sondern aus dem Erhaltungsetat in den Neubauetat umschichten. Das tun wir in gewaltigem Umfang. Wenn sich im kommenden Jahr nichts ändert, dann wird unser Erhaltungsetat auf unter 100 Millionen € sinken; wir bräuchten aber etwa 200 bis 250 Millionen €. So finanzieren wir unseren Haushalt. Die Vermutung, wir würden entsprechend unserer Planung oder entsprechend der Personalkapazität Mittel, die wir bekommen, nicht umsetzen können, ist ein Thema für eine Märchenstunde, entspricht aber nicht der Politik in Baden-Württemberg.
Meine Damen und Herren, wie kommen wir aus diesem Dilemma heraus? Jetzt kann allmählich Entspannung bei Ihnen, lieber Kollege Kretschmann, einkehren.
Es gibt nämlich verschiedene Ansätze. Fakt ist, dass wir mehr Geld brauchen – da sind wir uns einig –, wenn wir diesen Stau abarbeiten wollen. Wir brauchen deutlich mehr Geld.
Es ist, von welchen Rednern auch immer, das Thema angesprochen worden: Wie haben wir es denn bisher mit der Mittelzuweisung für neue Länder und alte Länder gehalten? Da brauchen wir von Baden-Württemberg aus keine neuen Forderungen zu erheben. Wir brauchen nur den Bundesverkehrsminister aufzufordern, dass er sich selbst beim eigenen Wort nimmt und einlöst, was bereits Bundesverkehrsminister Stolpe hier bei uns im Land gesagt hat
und was auf der ersten Verkehrsministerkonferenz der neue Bundesverkehrsminister Tiefensee zum Ausdruck gebracht hat, nämlich große Dankbarkeit, dass die alten Länder ganz gewaltig in die Verkehrsinfrastruktur der neuen Länder inves tiert haben, es jetzt aber an der Zeit wäre, bei den alten Ländern wieder aufzuholen.
Auf die Einlösung dieses Versprechens, dieser Ankündigung warten wir allerdings schon über zwei Jahre, seit Tiefensee im Amt ist.
Jetzt will ich einmal deutlich machen, was das bedeutet. Bei der Frage, wer an den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit über bald 15 Jahre hinweg teilgenommen hat, geht es nicht nur um die Abgrenzung neue Länder/alte Länder. Wenn wir die Mittel einmal zusammenzählen, stellen wir fest, dass Bay ern über die allgemeine Länderquote hinaus 2 Milliarden € zusätzlich bekommen hat und Hessen 1,5 Milliarden €, und zwar deshalb, weil es sich um Länder handelt, die an das Gebiet der früheren DDR grenzen und in denen natürlich Verbindungen von der Bundesrepublik alt zur Bundesrepublik neu geschaffen werden mussten.
Was könnten wir mit 2 Milliarden € machen? Was hätten wir mit diesem Betrag tun können? Wir hätten die Hälfte aller Maßnahmen realisieren können und sowieso die planfestgestellten Maßnahmen im Umfang von 1,1 Milliarden € sowie die in der Planfeststellung befindlichen Maßnahmen im Umfang von 0,8 Milliarden €. Das alles hätten wir abarbeiten können. Dann hätten wir weitgehend Ruhe an der Front, wenn wir an den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit hätten teilnehmen können.
Deshalb geht es nicht darum, jetzt eine neue Konstruktion für mehr Geld für alle alten Länder zu schaffen, sondern es geht darum, jetzt die Länder vorrangig zu berücksichtigen, die aus Solidarität in der Frage der deutschen Einheit und der Notwendigkeit, vorrangig in derartige Projekte zu investieren, zurückgestanden sind. Das muss unser gemeinsames Thema sein, lieber Kollege Kretschmann. An diesem Thema müssen wir arbeiten. Das ist ein Lösungsansatz.
Ein zweiter Lösungsansatz – und der wird uns derzeit auf den Tisch gelegt und nach den Ferien hoffentlich auch auf den Tisch des Bundesrats gelegt –: Das ist angesichts dessen, dass wir in der Falle zwischen den hohen Erwartungen und den finanziellen Möglichkeiten zur Umsetzung stecken, ein verlockendes Angebot des Bundes. Er sagt: Wir organisieren über die Lkw-Maut 1 Milliarde € mehr für die Verkehrsinfrastruktur. Wenn wir das auf Baden-Württemberg herunterbrechen, ginge es für Baden-Württemberg um 70 bis 80 Millionen € mehr. Genau können wir den Betrag, den Baden-Württemberg mehr an Zuweisungen bekäme, noch nicht beziffern. Aber da wird jetzt ein Angebot gemacht, zu dem man eigentlich aus Vernunft Ja sagen und herzlichen Dank sagen müsste, weil wir ja jeden Tag mehr Geld vom Bund fordern. Auf der anderen Seite müssen wir uns aber sehr genau überlegen, was wir mit dieser zusätzlichen Belastung für das Speditionsgewerbe, für die vielen kleinen Unternehmen in unserem Land bewirken.
Dazu will ich Ihnen ein paar Zahlen nennen. Es ist nicht so, dass nur einige wenige starke Unternehmen betroffen wären. Wir sind ein Mittelstandsland, und das wirkt sich auch bei uns im baden-württembergischen Speditionsgewerbe aus. Wir haben genau 9 506 Unternehmen, die im Transportgewerbe tätig sind. Wir belegen damit nach Nordrhein-Westfalen und noch vor Bayern Platz 2. Die meisten dieser über 9 500 Unternehmen haben weniger als 20 Mitarbeiter, und 30 % dieser Unternehmen verfügen über einen einzigen Lkw. Die jetzt angekündigte Mauterhöhung würde eine durchschnittliche zusätzliche Belastung von 1 400 € pro Lkw bedeuten. Bevor jetzt ein Landtag oder der Bundestag oder der Bundesrat be
schließt, bei einem Unternehmen, das über einen einzigen Lkw verfügt, eine Gewinnkürzung um 1 400 € vorzunehmen, muss man vorher sehr wohl wissen, was man damit bewirkt, wenn gleichzeitig innerhalb eines Jahres die Belastung durch die gestiegene Mineralölsteuer um über 30 % angestiegen ist.
Ich könnte jetzt die Liste politischer Entscheidungen der vergangenen Jahre fortsetzen, wobei es sich in der Regel um europäische Entscheidungen gehandelt hat, die jedoch in Deutschland umzusetzen waren und die einkommensmindernd und wettbewerbsverzerrend auf unser Speditionsgewerbe, auf den Lkw-Betrieb in unserem Land wirken.
Das zahlen alle, aber wir haben einen gesamteuropäischen Markt. Schauen Sie sich einmal an, was sich da auf den Straßen tut. In eine Gesamtkalkulation, die Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit auf dem europäischen Markt hat, fließen natürlich eine Reihe von Komponenten ein. Das müssten Sie eigentlich selber wissen. Da brauchten Sie eigentlich gar nicht nachzufragen. Sie müssten wissen, dass im Transportgewerbe ganz unterschiedliche Löhne gezahlt werden.
Sie müssten wissen, dass ein Lkw, der in Deutschland tanken müsste, dort eigentlich gar nicht mehr tanken kann, sodass diejenigen einen Wettbewerbsvorteil haben, die vor der deutschen Grenze tanken und nach der deutschen Grenze wieder auftanken. Das alles geht in eine Gesamtkalkulation ein.
(Abg. Reinhold Gall SPD: Diesel ist in Österreich so teuer wie bei uns! – Zuruf des Abg. Alfred Winkler SPD – Glocke des Präsidenten)
Mir ist die Botschaft, die Sie damit senden wollen, nicht ganz klar. Jedenfalls ist Ihnen doch sicher bekannt, dass die Abnutzung einer Straße in der siebten – ich wiederhole: in der siebten – Potenz mit der Achslast wächst. Das heißt: Ein 40-Tonner nützt eine Straße so viel ab wie 140 000 Pkw. Das muss man sich einmal klarmachen.
Das heißt, die Straßen werden hauptsächlich durch Lkw abgenutzt. Da kann es doch nicht Ihr Ernst sein, dass diejenigen, die die Hauptschädiger des Straßensystems sind, nicht auch stärker herangezogen werden. Wer soll das denn sonst finanzieren? Das ist Ihnen doch bekannt.
Es wäre doch vernünftiger gewesen, wenn Sie hinsichtlich des letzten Punktes abgewartet hätten. Einfach zuhören muss man in der Politik auch können.