Protocol of the Session on June 28, 2006

Auch die Art und Weise, wie in anderen Regionen des Landes Arbeitsplätze entstehen, wird natürlich durch die Infrastruktur beeinflusst. Da braucht es Führung vonseiten einer Landesregierung und keinen Eiertanz, wie wir ihn bei der Auseinandersetzung um die Genehmigung des Flughafens Lahr erlebt haben. Das darf nicht zur Regel werden, weil das keine wirtschaftlich vernünftige Politik ist, wie sie die Regionen insgesamt in Baden-Württemberg brauchen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Es sollte Ihnen schon zu denken geben, wenn selbst Ihre eigenen Leute oder Leute, die früher jedenfalls in Ihren eige

nen Reihen waren, Ihnen deutlich etwas ins Stammbuch schreiben. Ich zitiere den früheren Regionalverbandsdirektor aus Karlsruhe, Herrn Dietrich Schmidt. Dieser schrieb an seinen früheren Parteifreund:

Ihr Herumlavieren in der Frage einer Fluglizenz für den Standort Lahr über Wochen und Monate war mir unerträglich. Es war bei Ihnen kein Mut zu einer klaren... Position zu erkennen. Mehr Glaubwürdigkeit – übrigens nicht nur in dieser Frage – wäre wünschenswert gewesen, dann gäbe es auch generell unter den Bürgern weniger Politikverdrossenheit.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Jetzt aber!)

Herr Ministerpräsident, besser als mit der Formulierung, die ein ehemaliges CDU-Mitglied verwendet hat, könnte die Opposition nicht beschreiben, was im Moment das Problem ist, das Sie als Ministerpräsident durch das Land tragen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Gundolf Fleischer CDU: Kommen Sie einmal nach Südbaden!)

Kehren wir wieder zu Ihrer Regierungserklärung zurück.

(Lachen des Abg. Gundolf Fleischer CDU)

Dort ging es genauso weiter

(Zuruf des Abg. Michael Theurer FDP/DVP)

bei der Frage, wie es am Stuttgarter Flughafen mit der nächsten Start- und Landebahn weitergeht. In Ihrem Redetext haben Sie sich um diese Frage herumgemogelt. Aufgrund eines Zwischenrufs kam dann Ihr kraftvolles Bekenntnis: „Im Moment bin ich noch dagegen. Aber ich weiß ja nicht, was die nächsten Gutachten bringen werden.“

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Zitieren Sie einmal sauber!)

Das ist genau die Fortsetzung der Taktik, herumzulavieren, auf Gutachten zu warten und darauf, dass irgendein anderer einem eine Eingebung gibt, zu warten, bis man genau weiß, ob die CDU-Fraktion in die eine oder in die andere Richtung pendeln wird.

Herr Ministerpräsident, für jemanden, der an der Spitze eines Landes steht, geht es nicht darum, immer nur nach Gutachten zu schielen und das zu tun, was die jeweiligen Betreiber verlangen. Vielmehr erwarten wir von Ihnen bei der Frage der Flughäfen, dass Sie eine Entscheidung treffen: Zentralisierung oder Dezentralisierung. Das bedeutet, eine politische Richtung vorzugeben. Das ist Ihre Aufgabe, und dabei kann Ihnen kein Gutachten der Welt weiterhelfen.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Sie haben das Ziel erwähnt, dass Sie den Anteil der erneuerbaren Energien im Land auf 11,5 % erhöhen möchten. Dies ist ein Ziel, das Sie in Baden-Württemberg auch nur deshalb erreichen können, weil es Bundesgesetze gibt, die eine Regierung von Rot-Grün auf den Weg gebracht hat,

eine Regierung, die Sie hier im Saal immer für das gegeißelt haben,

(Abg. Gundolf Fleischer CDU: Oje!)

was man auch für Baden-Württemberg an Fortschritt erreicht hat.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Zurufe von der CDU)

Es wäre von Ihrer Seite her zumindest ehrlich, wenn Sie das auch bekennen würden.

Fast 90 % der erneuerbaren Energien, die bei uns im Strombereich entsprechend produziert und eingespeist werden, kommen aus der Nutzung der Wasserkraft – eine Technik, die wir ja nicht jetzt erst entwickelt haben,

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

sondern die schon bei unseren Vätern und Müttern – ja, fast über Jahrhunderte – in Baden-Württemberg eine lange Tradition hat.

(Abg. Ulrich Müller CDU: Aber nicht durch Rot- Grün!)

Aber bei allen anderen Technologien, bei denen in anderen Bundesländern ein Zuwachs erreicht werden konnte – Windkraft, Biogas, Kleine Wasserkraft oder Biomassenutzung –, ist der Aufschwung an Baden-Württemberg weitgehend vorbeigegangen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Dieter Hillebrand CDU)

Wir haben in Baden-Württemberg heute nur etwas mehr als 250 Windkraftanlagen.

(Abg. Gundolf Fleischer CDU: Gott sei Dank! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Jede einzelne ist eine zu viel!)

Damit liegen wir zusammen mit Bayern am Ende der Liste aller Flächenländer. In Nordrhein-Westfalen sind es – übrigens bei ähnlichen klimatischen Bedingungen – über 2 000 Anlagen,

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

und im kleinen Thüringen trägt die Windkraft immerhin mit einem Anteil von 7,4 % 20-mal mehr zur Stromproduktion des Landes bei als bei uns in ganz Baden-Württemberg mit einem Anteil von 0,36 %.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Wollen Sie 2 000 Windräder in Baden-Württemberg?)

Nachhaltigkeit, Herr Ministerpräsident, ist ein prima Wort. Was aber fehlt, sind die entsprechenden Taten dazu. Die Blockade der Nutzung von Windkraft und der Kleinen Wasserkraft in Baden-Württemberg muss aufhören, wenn das Ziel auch wirklich aus eigener Kraft erreicht werden soll.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Welche Blo- ckade denn?)

Erneut haben Sie uns vorgeschwärmt, wie es gelingen kann, den mit den Stromkonzernen vereinbarten Ausstieg aus der Atomenergie wiederum infrage zu stellen. Ihre Milchmädchenrechnung, dass Sie zusätzliche Gewinne aus länger laufenden Atommeilern dann für erneuerbare Energien einsetzen wollen,

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

wird nicht richtiger, auch wenn man es jede Woche zweimal wiederholt. Wenn ausgerechnet die vier Energieriesen dazu animiert werden sollen, dann in erneuerbare Energien zu investieren, ist das so, als wenn Sie vor dem Mittagessen Ihrem Hähnchen sagen: „Jetzt rupf dich einmal schnell selbst, damit ich dich dann auch verspeisen kann.“

(Zurufe von der CDU)

Es ist ein halbes Jahr her, dass der Präsident des Deutschen Atomforums klipp und klar gesagt hat, Herr Ministerpräsident, im Gegenzug zu einer Laufzeitverlängerung werde es keinerlei Preissenkungen oder andere Auflagenerfüllungen geben. Den Reibach – das steht jetzt schon fest – würden also nur die Aktionäre machen.

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Oje! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Wo sind denn die Aktionä- re?)

Auf der Strecke bleibt das, was dringend notwendig wäre, um erneuerbare Energien voranzubringen: die Ersatzinvestitionen. Auf der Strecke bleibt die Sicherheit der Menschen im Land, und es bleiben vor allem auch die Bürgerinnen und Bürger auf der Strecke, die am Ende die Preise für die teure Atomenergie zahlen müssen. Der Energiepreis ist ohnehin ein großes Problem in unserem Land.

Es zeigt sich also, dass der Feldzug, den Sie gegen die erneuerbaren Energien und gegen den Atomausstieg anzetteln, unsere Zukunftschancen behindert. Er behindert die Steigerung der Energieeffizienz, und er hindert daran, dass in erneuerbare Energien investiert wird. Das Einzige, was daran nachhaltig ist, Herr Ministerpräsident, ist, dass Sie den nächsten Generationen nachhaltig strahlenden Atommüll hinterlassen und dass Sie eine Debatte nach BadenWürttemberg ziehen, die am Ende noch dazu führen wird, dass hier nach möglichen Standorten für die Endlagerung gesucht wird, weil Sie nicht bereit sind, zu sagen: Wir machen beim Ausstieg mit. Ich halte es für unverantwortlich,

(Abg. Gundolf Fleischer CDU: Ach, ist das verant- wortungslos? Sie sind unverantwortlich! – Zuruf der Abg. Dr. Carmina Brenner CDU)

dieses Thema so ins Land zu ziehen. Wir müssen am Energiekonsens festhalten. Ziehen Sie endlich mit und ermöglichen Sie den Ausbau erneuerbarer Energien. Dort hinein sollten Sie Ihre Kraft stecken.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Gun- dolf Fleischer CDU: Unrealistisch und unverant- wortlich! Unreif!)

Ich möchte aus der Regierungserklärung zitieren:

Mehr Plätze für Kinder unter drei Jahren, Rechtsanspruch für alle Zweijährigen, schrittweise aufbauend bis 2010.

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Richtig!)