Nur wenn Sie wissen, was staatliches Handeln bedeutet, macht es auch Sinn, Controlling-Instrumente einzuführen.
Wenn diese Maßstäbe fehlen, wenn man nicht weiß, was Ziel des Handelns sein soll, dann haben wir das, was wir schon in der Vergangenheit hatten: bürokratische Monster à la NSI, Instrumente, die zu einfallslosen Privatisierungsorgien verkommen sind.
Der Staat, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat Kernaufgaben, die er erfüllen muss.
Offenbar fehlt Ihnen die Überzeugung bei der Frage, welche Kernaufgaben im Land erledigt werden sollen.
Die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben ein klares Leitbild davon, was durch die Erfüllung staatlicher Aufgaben bewirkt werden muss.
Wir stehen zu unseren Aufgaben. Aber das Land muss auch Wirtschaftspolitik und Arbeitsmarktpolitik als seine Aufgabe begreifen und muss dazu stehen, dass soziale Gerechtigkeit und ökologische Vernunft gleichermaßen Ziele einer Landesregierung sein müssen.
(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Das wird doch bei uns am besten erfüllt! Das erreichen wir doch in Baden-Württemberg am besten!)
Aufgabe der Landesregierung gerade in einem starken Land wäre es, sich verpflichtet zu fühlen, dafür zu sorgen, dass keiner am Wegesrand zurückbleiben muss.
Es ist Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass jede Begabung im Land zum Tragen kommt, und nicht, dafür zu sorgen, dass Menschen von Bildung abgehalten werden,
(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Diese Frage hat der Wähler entschieden, oder?)
Das bedeutet, dass wir als Landespolitiker konkreten Themen verpflichtet sind. Ich will Ihnen die Themen nennen, die für uns die Schwerpunkte der Landespolitik darstellen: Die Verpflichtung im Land liegt zuvörderst, auch aufgrund der gesetzlichen Grundlagen, in der Sorge für Bildung und Ausbildung,
in der Schaffung einer guter Infrastruktur und in der Sorge für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger. Das sind die Kernaufgaben der Landespolitik.
In den letzten Monaten sind in Baden-Württemberg 360 000 Menschen ohne Arbeit gewesen, darunter fast 40 000 junge Menschen im Alter von bis zu 25 Jahren. Von diesen 40 000 Personen gehört schon jeder Dritte zu den Langzeitarbeitslosen – das also häufig bereits in jugendlichem Alter. Angesichts dieser bedrückenden Zahlen, Herr Ministerpräsident, haben wir Ihre Ausführungen zum Thema „Arbeit und Wirtschaft“ mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt. Bei der Frage, wo zukunftsfähige Arbeitsplätze entstehen können, und bei der Frage, wie die Landespolitik dazu beitragen kann, dass solche Arbeitsplätze entstehen, ist Ihre Regierungserklärung eine Antwort schuldig geblieben. Gewiss, Sie machen ganz allgemeine Aussagen zur Arbeitsmarkt-, zur Steuer- und auch zur Wirtschaftspolitik. Aber das war doch nicht die Antwort auf die Frage, was Ihre Regierung, was Sie im Land hier tun wollen.
Kein Wort dazu, wo in unserem Land neue und zukunftssichere Arbeitsplätze entstehen können, und kein Wort davon, was Sie dazu beitragen wollen. Kein Wort zum Beispiel, wie Sie die Gesundheitsbranche voranbringen wollen, die heute schon einen großen Anteil der Arbeitsplätze im Land bereitstellt. Kein Wort darüber, wie Sie das Potenzial des Tourismus und der Tourismusindustrie weiter voranbringen möchten.
Im Wahlkampf war immer davon zu hören, hier fehle es an Konkretisierung. Kein Wort dazu, wie groß das Beschäftigungspotenzial bei den Umwelttechnologien und im Bereich der erneuerbaren Energien ist. Bis heute sichert der Umwelt- und Klimaschutz allein in Deutschland 1,5 Millionen Arbeitsplätze. Im Umfang von 55 Milliarden € wurden im Jahr 2004 Umwelt- und Klimaschutzgüter produziert.
Ihr krampfhaftes Festhalten an der Atomenergie zeigt, dass Sie die wirtschaftliche Dynamik dieses Bereichs offenbar überhaupt nicht erkannt haben
Ihre Regierungserklärung bleibt selbst da im Unverbindlichen, wo Sie als Landesregierung die Förderung auch ganz praktisch voranbringen könnten, wo Sie Verantwortung in der Wirtschaftspolitik tragen. Nach der Föderalismusreform zum Beispiel wird ein wesentlicher Bereich zusätzlich ins Land kommen. Die Landeswohnraumförderung wird unsere ureigene alleinige Aufgabe werden mit deutlich aufgestockten Bundesmitteln.
Insbesondere in den städtischen Ballungsräumen besteht doch heute das Problem, dass es keinen bezahlbaren Mietwohnungsbau mehr gibt. Es wäre notwendig, dass Sie hier ankurbeln, dass Sie hier etwas in die Hand nehmen. Dadurch würden wir enorme Beschäftigungspotenziale für Handwerk und Bauwirtschaft hervorbringen können. Aber kein Wort dazu in Ihrer Regierungserklärung.
Eine weitere wichtige Branche ist die Automobilindustrie; sie ist eine der Schlüsselindustrien unseres Landes, und sie ist eine Branche, deren Zukunft
mit der Zukunft unseres Landes verknüpft ist. Warum setzen Sie sich nicht dafür ein, dass das Land gemeinsam mit Partnern aus Forschung und aus Unternehmen neue emissions- und abgasfreie Antriebstechnologien weiterentwickelt? Das Potenzial ist in Baden-Württemberg vorhanden. Aber es braucht die Unterstützung der Infrastruktur, und es braucht den politischen Willen, die Anstöße und auch Ihren persönlichen Einsatz, Herr Ministerpräsident, um solche Zukunftstechnik auch voranzubringen und populär zu machen.
Es war die Rede davon, dass Sie für die Unterstützung des Projekts Stuttgart 21 werben. Wir sind dafür, dass wir Mannheim 21 genau wie Stuttgart 21 als wichtiges Infrastrukturprojekt voranbringen. Wir bieten ausdrücklich unsere Unterstützung – aber für beide Projekte – an.
Lieber Herr Ministerpräsident, Zaudern und Zögern darf nicht das Markenzeichen der baden-württembergischen Politik werden.
Auch die Art und Weise, wie in anderen Regionen des Landes Arbeitsplätze entstehen, wird natürlich durch die Infrastruktur beeinflusst. Da braucht es Führung vonseiten einer Landesregierung und keinen Eiertanz, wie wir ihn bei der Auseinandersetzung um die Genehmigung des Flughafens Lahr erlebt haben. Das darf nicht zur Regel werden, weil das keine wirtschaftlich vernünftige Politik ist, wie sie die Regionen insgesamt in Baden-Württemberg brauchen.