Protocol of the Session on June 28, 2006

Oder fürchten Sie sich schlicht vor den Problemen und Herausforderungen selbst, die ein solches Amt mit sich bringt? Am liebsten hätte ich Ihnen am letzten Mittwoch schon zugerufen: Trauen Sie sich, Herr Ministerpräsident!

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Warum haben Sie sich nicht getraut?)

Und dabei fiel mir der lebenslange Wahlspruch eines Württembergers, einer großen Gestalt unserer Landesgeschichte, des Grafen Eberhard im Bart, ein, der da sagte: „Attempto!“ – „Ich wage es!“ Wir hätten uns gefreut, Herr Ministerpräsident – ja, auch wir in der Opposition hätten uns wirklich gefreut –, von diesem Geist des Grafen Eberhard im Bart zumindest Spurenelemente in Ihrer Politik und in Ihrer Regierungserklärung zu entdecken.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Stattdessen gehen Sie keines der Probleme mit mutigen Schritten an. Die schwere Aufgabe, die Staatsverschuldung zu stoppen, leiten Sie mit den Worten ein:

Mit der Rasenmähermethode allein kann man dieses Ziel nicht erreichen.

(Zuruf des Abg. Werner Pfisterer CDU)

Wir müssen auch bereit sein, uns von einzelnen Programmen und Aufgaben ganz zu trennen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sachlich richtig!)

Gut gebrüllt – die Spannung steigt, die Messer sind gewetzt, die Lage für die Interessenvertreter in Ihrer Fraktion und auch innerhalb der FDP/DVP wird vielleicht ernst. Von welchen Programmen, von welchen Aufgaben wird sich das Land denn nun trennen? Keine Antwort darauf in der Regierungserklärung. Zuerst sagen Sie, mit dem Rasenmäher wollten Sie sich nicht abgeben; der sei Ihnen zu simpel.

(Zurufe der Abg. Heiderose Berroth und Michael Theurer FDP/DVP)

Aber was dann? Sie wollen alle finanzwirksamen Programme auf dem Stand von 2005/2006 deckeln und alle freiwilligen Leistungen des Landes um 5 % kürzen. Voilà! Zehn Sätze später sind Sie vom Höhenflug schon wieder beim alten, klapprigen Rasenmäher gelandet, den Sie zuvor noch so verschmäht hatten.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE)

Und dann kündigen Sie pflichtbewusst an, die so genannten Subventionen auf den Prüfstand zu stellen. Ja, auf den Prüfstand! Auf dem Prüfstand, Herr Ministerpräsident, stehen sie schon seit vielen Jahren, und da stehen sie nach Auffassung Ihrer Klientel in Baden-Württemberg, die auch regelmäßig durch Ihre Landesregierung gefüttert wird, bekanntlich schon seit vielen Jahren gut. Sie können aufatmen, meine Damen und Herren Interessenvertreter, auch diesmal wird Ihnen nichts passieren!

(Beifall bei der SPD – Zurufe und Unruhe)

Ich komme gerne zu dem konkreten Punkt, denn die Probe aufs Exempel hat der Ministerpräsident in seiner Rede gleich selbst geliefert.

(Zuruf von der CDU: Den Bauern, meinen Sie?)

Es ging tatsächlich um die Agrarsubventionen. Er sagte: „Alle freiwilligen Aufgaben werden reduziert.“ Die freiwilligen Aufgaben in diesem Feld sollen für die Zukunft fortgesetzt werden, und das bisherige Finanzvolumen wollen Sie trotz rückläufiger Mittel der EU beibehalten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von der CDU: Bravo!)

Meine Damen und Herren, Glaubwürdigkeit im Sparen sieht anders aus. Glaubwürdigkeit zeigt sich nicht zuletzt darin, dass man bereit ist, auch bei sich selbst anzufangen. Für uns im Parlament heißt das, dass das die längst überfällige Kürzung der eigenen Altersvorsorge zur Folge hat und dass wir auch eine Verpflichtung haben, Eigenvorsorge anzugehen. Ich bin froh, Herr Kollege Mappus, dass Sie hier nochmals erklärt haben, dass Sie eine solche Reform sehr schnell angehen wollen. Aber dann fordere ich Sie auf: Nehmen Sie auch das Gesetz zurück, mit dem Sie morgen im Vorgriff die Diäten erhöhen wollen! Das wäre glaubwürdig auch in Bezug auf die geplante Diätenreform.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

In Bezug auf die Landesregierung wäre es ganz einfach gewesen, ein deutliches Signal zu setzen, Herr Ministerpräsident. Hätten Sie zwei Ministerien gestrichen, hätten Sie Kultus- und Wissenschaftsministerium zu einem Ministerium zusammengelegt und die Aufgaben des Landwirtschaftsministeriums einerseits auf das Wirtschafts-, andererseits auf das Umweltressort verteilt, dann hätte man in der Bevölkerung merken können: Es ist Ihnen Ernst, und Sie nehmen auch sich selbst nicht aus bei den Bemühungen zum Sparen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Klaus Herr- mann CDU)

Ich kann Ihnen empfehlen: Wenn Sie Sparmöglichkeiten suchen, dann vertrauen Sie zum Beispiel den Schulen, den Rektoren, den Lehrerinnen und Lehrern und den Fachkräften.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Und der GEW!)

Reduzieren Sie die Stellen der überflüssigen Kultuskontrollbürokratie, die wir in den Landratsämtern und in den Regierungspräsidien haben. Zeigen Sie Mut zu einer echten Verwaltungsreform, und trennen Sie sich von den Regierungspräsidien,

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Macht er doch jetzt!)

auch wenn es im Einzelfall wehtut, weil Parteifreunde betroffen sind. Aber wann, wenn nicht jetzt, haben Sie die Kraft dazu? „Attempto“ sollte Ihr Wahlspruch sein, um auch an diesem Punkt endlich einmal Ernst zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Sehr verehrter Herr Ministerpräsident, Sie haben zusammen mit Ihrem Vorgänger die Neuverschuldung des Landes vor fünf Jahren schon einmal auf null bringen wollen. Stattdessen wurde sie im Jahr 2006 von einem Rekord zum nächsten hochgetrieben. Jetzt also die Ankündigung: 2011. Auch das wird sich als Illusion erweisen. Ihr Finanzminister selbst sagt es hinter vorgehaltener Hand ja jedem, der es hören will.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Was?)

Warum ich und wir uns da leider sehr sicher sind? Weil Sie in Ihrer Regierungserklärung keinen einzigen konkreten Ansatz genannt haben, wie und mit welchen einzelnen Maßnahmen Sie dieses Problem beherrschen wollen. Ich bin überzeugt: Hätten Sie eine Idee, eine überzeugende Vorstellung, dann hätten Sie uns diese auch verraten. Wann, wenn nicht in der Regierungserklärung, hätten Sie dies tun müssen?

Herr Oettinger, Ihre Kernaussage in der Regierungserklärung war: „Das wichtigste Ziel in der neuen Legislaturperiode ist die Sanierung des Landtags.“

(Heiterkeit – Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP)

Die Sanierung des Landesetats, Entschuldigung.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Auf der linken Seite des Saals stimmt es! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Es ist schon einiges marode! – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Das war ein Blattschuss!)

Insofern habe ich jetzt die Eröffnungsrede des Präsidenten mit der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten vermischt. Aber ich zitiere den Ministerpräsidenten korrekt: „Das wichtigste Ziel in der neuen Legislaturperiode ist die Sanierung des Landesetats.“

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das machen wir!)

Da unterscheidet er sich in der Tat vom Parlamentspräsidenten.

(Heiterkeit bei der SPD und den Grünen)

Herr Ministerpräsident, wir stimmen mit Ihnen überein: Sparen ist tatsächlich notwendig angesichts der Lage unseres Haushalts.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Doch so notwendig Sparen ist: Sparen ist immer nur ein Mittel, um landespolitische und inhaltliche Ziele erreichen zu können. Sparen ist nicht ein Selbstzweck und kann nicht selbst das Ziel sein, sondern es ist ein Mittel, das zu einem Ziel führen muss.

Deshalb fragen wir Sie: Welche Antworten geben Sie mit Ihrer Regierungserklärung zum Beispiel einem jungen Hauptschulabgänger, der keine Lehrstelle findet? Glauben Sie wirklich, dass die Ankündigung einer Meldepflicht für Ausbildungsstellen da weiterhilft? Nein, Sie glauben es selbst nicht wirklich. Aber Sie sagen wieder einmal großzügig zu: Auch hier werden wir prüfen.

(Zuruf des Abg. Michael Theurer FDP/DVP)

Und welche Antwort geben Sie einem 52-jährigen Angestellten aus der Versicherungsbranche, der jetzt nach den letzten Ankündigungen Angst um seinen Arbeitsplatz hat?

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Welche Antwort geben Sie?)

Glauben Sie wirklich, Herr Ministerpräsident, dass das, was Sie hier angekündigt haben, nämlich ein weiterer Abbau des Kündigungsschutzes, helfen kann? Unmenschlich ist es, in solchen Zeiten die Gefährdung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch zu erhöhen, indem man Entlassungen noch weiter erleichtern möchte.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Michael Theurer FDP/DVP – Abg. Heiderose Berroth FDP/ DVP: Sie haben nichts kapiert! – Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU)

Deshalb würden wir wirklich gerne hören: Was sind Ihre Ziele? Was sind für Sie Ziele des staatlichen Handelns und Ziele der Landespolitik? Nur wenn Sie wissen, was ein Staat leisten soll, können Sie auch bestimmen, wie die Ziele effizient erfüllt werden.

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Sie wollen jetzt mehr Steuern, oder was?)