Auch der zuständige Schulträger, also die Kommune, ist mit im Boot. Ich kann nur alle aufrufen, diese neu geschaffenen Möglichkeiten mit den Möglichkeiten der autonomen Entwicklung jetzt auch zu nutzen.
Ich weiß sehr wohl, dass der eine oder andere manche Teile dieser Bildungsreform bewusst versteckt haben will, weil er andernfalls zugeben muss – das gilt übrigens auch für die Kritiker, die heute mehrfach genannt worden sind –, dass sich vielleicht nicht alles in die Richtung bewegt, die sich jeder vorstellt. Aber vieles geht in die richtige Richtung.
Für uns ist es zentral wichtig, dass für junge Menschen, für Eltern und ihre Kinder – egal, aus welcher Schicht sie kom
men – der Stempel, welcher Abschluss letztlich gemacht wird, künftig nicht zu früh „draufgehauen“ wird. Das ist mit dieser Qualitätsoffensive durchaus möglich.
(Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE: Das stimmt doch gar nicht! – Abg. Reinhold Gall SPD: Das stimmt in keinster Weise! – Abg. Norbert Zeller SPD: Wo ist denn das? – Abg. Reinhold Gall SPD: Überall, wo es versucht wird, wird es doch abgelehnt! – Abg. Ursu- la Haußmann SPD: Lässt er jetzt eine Frage zu oder nicht?)
Deswegen war es nur logisch – denn er tritt heute nicht selbst ans Rednerpult –, dass Kollege Goll angeraten hat und Herr Rau dies aufgenommen hat, darüber nachzudenken, ob man die Schulempfehlung überhaupt noch „Hauptschulempfehlung“ nennen soll.
(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Sondern? – Abg. Norbert Zeller SPD: Wie denn sonst? Werkrealschul empfehlung?)
Unser Ziel ist doch, möglichst jedem Kind einen mittleren Bildungsabschluss, und zwar in differenzierter Form, zu ermöglichen.
Jetzt muss man ehrlicherweise eines hinzufügen: Bevor ich sage: „Ich schaffe die Hauptschule und den Hauptschulabschluss ganz ab“, und dann riskiere – –
Schulabbrecher, die eben de facto diesen mittleren Bildungsabschluss nicht schaffen werden, wird es immer geben.
Das kann wohl niemand bestreiten. Es wäre aber der falsche Weg, die Hauptschule einfach abzuschaffen und zu sagen: „Dann nehmen wir eben einen gewissen Anteil an Schulabbrechern hin.“
Hören Sie also auf mit der Diskussion über die Gliederung des Schulsystems. Vielmehr muss das Ziel klar sein: Die Eltern müssen sehen, dass in diesem Land nach Verlassen der Grundschule künftig wirklich alle Chancen genutzt werden können – im Verbund vor Ort –,
um gemeinsam möglichst allen Kindern den bestmöglichen ersten Schulabschluss und damit auch mehr Chancen zu ermöglichen. Das gilt übrigens nicht nur für den Beruf.
Ich komme noch zum Thema Lehrerbildung. Das ist zu Recht ein wichtiges Thema. Aber auch dazu haben Sie vielleicht gelesen, dass man schon reagiert. Man wird künftig ein Verbundlehramt „Haupt- und Realschullehrer“ haben – nicht mehr Grund- und Hauptschullehrer.
Sind das nicht alles Signale dafür, dass ein neues Denken – das ist bei aller ideologischer Diskussion nicht selbstverständlich – und eine Attraktivitätssteigerung stattfinden?
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Al- fred Winkler SPD: Warum brauchen Sie immer 20 Jahre für dieses neue Denken? – Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)
Dieses Beförderungsamt ist ja nur ein Vorgriff. Wir haben das ja besprochen. Sie können dann gern mit darüber diskutieren, wenn wir über die Attraktivität aller Lehrämter – auch des Grundschullehrers – und des Berufs des Erziehers bzw. der Erzieherin reden und überlegen, wie wir das durch eine Dienstrechtsreform – vielleicht auch durch Spreizung; das will ich von vornherein überhaupt nicht ausschließen – tatsächlich attraktiver machen. Geld allein ist nicht alles. Vielmehr muss auch eine gewisse Attraktivität vorhanden sein.
Dem dienen übrigens auch die zusätzlichen Mittel für die Seiteneinsteiger. Das finde ich wirklich ganz wichtig.
(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Super! – Abg. Norbert Zeller SPD: Dazu haben Sie auch lange ge- braucht! Sie brauchen immer viel zu lange dazu!)
Denn man kann noch so sehr über das Image reden: Wenn die „Kohle“ nicht stimmt, sind wir eben nicht mehr konkurrenzfähig.
Lassen Sie mich nach diesen wenigen wirklich wichtigen Punkten – Schlüssel, mehr Autonomie, mehr Möglichkeiten durch Recht auf Budgetierung, durch Modellvorhaben, durch Zusammenlegung – – Natürlich ist auch die Standortfrage keine reine Frage der Zahlen, sondern eine Frage der Qualität. Ich habe in Diskussionen vor Ort erlebt, dass Eltern durchaus bereit sind, zu akzeptieren, dass die Entfernung überhaupt nicht das zentrale Thema sein muss, wenn sie den pädagogischen Mehrwert für ihre Kinder und die größere Chance sehen.
Wenn Schulträger dies jetzt gemeinsam mit den Eltern und der Lehrerschaft angehen, weise ich auch noch einmal darauf hin, dass gerade dann, wenn man Schularten zusammenlegt, zwei Drittel der Ressourcen, die dadurch rechnerisch frei werden, vor Ort bleiben.
Ein Drittel bleibt dort für die Pädagogen und ein Drittel für den Schulträger, weil er natürlich Maßnahmen zu treffen hat, z. B. im Bereich der Beförderung. Wir müssen mit den Kom
munen als Schulträger darüber reden, wie man das vernünftig umsetzt. Auch da gilt: Das ist jetzt gerade erst der Anpfiff zu dieser Bildungsoffensive.
Man sollte nicht so tun, als wäre das alles völlig perfekt. Aber die Grundpfeiler sind tatsächlich richtig eingeschlagen.
All das, was ich gerade versucht habe, vorzustellen, ist keine Vergangenheitsbewältigung, sondern soll aufzeigen, welche Möglichkeiten durch mehr Geld, durch mehr Chancen für Autonomie und Selbstverantwortung vor Ort bestehen, und zwar für alle, auch für die tollen Eltern. Ich erlebe ja auch immer, dass an Schulen sehr häufig durch eine gute Kollegenschaft und eine gute Elternschaft ein super Klima entsteht, das schon jetzt, vor einer Bildungsoffensive, existiert.
Wir haben in Neckartenzlingen gerade einen Rektor verabschiedet. Dort konnten wir erleben, was schon heute machbar ist. Es ist doch der entscheidende Punkt, dass wir die Menschen vor Ort mitnehmen müssen und ihnen nicht Blaupausen von oben überstülpen dürfen. Das haben wir jetzt wirklich vor, weil wir sehr viel mehr Möglichkeiten haben, und zwar nicht gebremst, sondern sogar befördert durch das Beratungs- und Kompetenzzentrum.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Warum sagt das der Rau nicht endlich einmal? So lange glaube ich kein Wort! Sie sagen immer, was er tut! Er tut es aber nicht!)
Ich weiß nicht, ob Herr Minister Rau noch reden wird. Aber ihm danke ich jetzt auch einmal an dieser Stelle. Ich weiß schon, wie die politischen Spiele laufen und wie das in den Medien läuft.
Vieles ist nicht aus dem Blauen heraus plötzlich aufgekommen, sondern es stehen oft jahrelange Diskussionsprozesse dahinter. Das ist auch gut so. Aber ich behaupte auch, die Diskussionsprozesse hören mit dem heutigen Tag nicht auf.
Wenn wir solche Modelle längeren gemeinsamen Lernens machen, wenn wir bei der Werkrealschule, wie der Ministerpräsident selbst gesagt hat, nach der sechsten Klasse entscheiden, wer wirklich die Chance auf einen mittleren Abschluss hat, dann ist doch der Weg eröffnet.
(Abg. Norbert Zeller SPD: Dann genehmigen Sie doch endlich einmal die Anträge von Kommunen! Das ist eine Faselei!)