(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Werner Pfisterer CDU: So ist es! – Zuruf der Abg. Bärbl Mie- lich GRÜNE)
Das war so bei der Hochschulnovelle im Jahr 2000 – Stichwort Hochschulräte, neue Leitungsstrukturen –, das war so beim Landeshochschulgesetz 2005: größere Autonomie – darauf komme ich noch zu sprechen, Frau Kollegin Bauer; damit stehen Sie auf Kriegsfuß – und Stärkung der Handlungsfähigkeit. Das war so bei der Einführung der Studiengebühren – Stichwort Verbesserung der Lehre; das wurde eindrücklich bewiesen und ist in den vergangenen Wochen noch einmal deutlich geworden – und bei den Solidarpakten, die einvernehmlich mit allen Hochschulen abgeschlossen wurden.
Genauso rechtzeitig, vor allen anderen Bundesländern, hat das Land konkret bis 2012 mit dem Hochschulausbauprogramm vorausschauend auf die Entwicklungen bei den Studierendenzahlen reagiert. Weil wir steigende Studierendenzahlen haben und weil die Umstellung vom neunjährigen auf das achtjährige Gymnasium einen doppelten Abiturjahrgang zur Folge haben wird, benötigen wir bis zum Jahr 2012 16 000 zusätzliche Studienplätze. Dieser Ausbau erfolgt in drei Tranchen: Die erste Tranche bringt 3 000 bis 4 000 Plätze in den Jahren 2007/2008.
Die zweite Tranche 2009/2010 bringt 5 000 bis 6 000 neue Studienplätze, und in den Jahren 2011/2012 werden es noch einmal bis zu 6 000 zusätzliche Studienplätze sein.
Das Land stellt in seinen Haushalten viel Geld dafür ein. In der Endstufe, im Jahr 2012, werden es 150 Millionen € sein.
Hinzu kommt die konkret abgestimmte Planung, die nach den aktuellsten Zahlen des Statistischen Landesamts erarbeitet wurde. Diese wird in enger Absprache zwischen Landesregierung, Wirtschaft und Hochschulen ständig evaluiert. Wir haben kein starres, sondern ein flexibles, am Bedarf orientiertes System entwickelt, und wenn absehbar ist, dass sich etwas ändert, werden wir umgehend darauf reagieren. Gerade deshalb haben wir bewusst darauf verzichtet, bei den k.w.-Vermerken für das zusätzlich ausgebrachte wissenschaftliche Personal ein Vollzugsjahr zu nennen. Damit ist gewährleistet, dass wir die aktuelle Situation jeweils berücksichtigen.
Frau Kollegin Bauer, um das Thema nun endgültig abzuräumen: Sie haben ja einmal gesagt, wir bräuchten 19 000 oder gar 20 000 – neuerdings sprechen Sie von 20 000 – neue Studienplätze. Wenn wir wider Erwarten im Rahmen des Hochschulausbaupakts feststellen, dass wir 2 000 oder 3 000 Stellen mehr brauchen, dann werden wir das umsetzen – Punkt, Ende der Diskussion!
(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Nicht „Stellen“! „Plätze“! – Heiterkeit – Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Das wird ja immer schöner! – Weitere Zurufe von der SPD – Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Fangen Sie ein- fach schon einmal an! – Unruhe)
Nun zur ersten Ausbaustufe. Diese läuft erfreulich gut. Zum kommenden Wintersemester wird die Zahl der geplanten Ausbauplätze von 3 000 bis 4 000 voraussichtlich sogar noch übertroffen; es werden voraussichtlich 5 000 werden. Was besonders erfreulich ist: Etwa die Hälfte der angemeldeten Studienangebote sind im Bereich der Ingenieur- und Naturwissenschaften angesiedelt. Das ist für unser Land besonders wichtig. Daran wird auch deutlich, dass es richtig war, dieses Programm in enger Abstimmung mit der Wirtschaft und den Hochschulen einvernehmlich zu realisieren.
Genau das Gegenteil jedoch wollen die Grünen – damit zu Ihrer Kritik und zu Ihren eigenen Vorschlägen. Die These der Grünen, das Ausbauprogramm laufe nicht, haben die konkreten Zahlen schon widerlegt. Aber was mich mehr stört,
Frau Kollegin Bauer, ist, dass Sie eine Presseinformation vom 19. März 2008 unter die Überschrift gestellt haben: „Vom Mas terplan zum Desasterplan“.
Dass Sie damit das Land ohne Zahlengrundlagen angreifen, mag ja noch zu Ihrem Verständnis von Opposition gehören. Aber unerträglich ist, dass Sie im gleichen Atemzug ohne jegliche sachliche Grundlage unseren Hochschulen im Land pauschal unterstellen, sie würden ihren Verpflichtungen aus dem Ausbauprogramm „Hochschule 2012“ nicht nachkommen. Diese kollektive Misstrauenserklärung gegen unsere Hochschulen weise ich für die CDU-Landtagsfraktion mit Entschiedenheit zurück.
Aber um noch einen Punkt hinzuzufügen, Frau Kollegin Bauer: Der Gipfel des Misstrauens gegenüber unseren Hochschulen ist – das ist wirklich ein grüner Irrweg – der Vorschlag einer sogenannten offenen Universität Baden-Württemberg.
Sie haben diesen Vorschlag in der bereits zitierten Presseinformation vom 19. März 2008 im Vorgriff auf die heutige Debatte nochmals aufgeworfen. Ich darf aus dieser Pressemitteilung zitieren. Sie schreiben:
Wir müssen umgehend eine neue Hochschulgründung mit anderem Format … in Angriff nehmen. … Wir … sind davon überzeugt, dass der Ausbau der Studienplätze nicht … in den alten Strukturen …
wir müssen sie politisch an die Kandare nehmen; die Hochschulautonomie legen wir zur Seite. Einmal ganz abgesehen davon, dass dieses Projekt der Grünen 130 Millionen € kosten würde – woher nehmen, wenn nicht stehlen? –,
ist dies, meine sehr geehrten Damen und Herren, eine Abkehr von den Grundlagen unserer Hochschulpolitik, die dazu geführt haben, dass wir im Land Baden-Württemberg bundesweit in der Hochschulpolitik im Interesse der Studierenden an der Spitze liegen. An diesem Weg werden wir kontinuierlich und erfolgreich weiterarbeiten.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir zunächst eine Anmerkung: Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion GRÜNE ist zwar in der Erarbeitung sicherlich eine bemerkenswerte Fleißaufgabe gewesen, aber die Zahlen, die vorliegen, sind eben so, wie statistische Daten halt sind: Man kann sie interpretieren. Die Landesregierung wird sie für sich interpretieren; die Opposition wird sie für ihre Anliegen benutzen.
Erstens: Das Ministerium räumt in dieser Antwort zum ersten Mal ein, dass die Studienanfängerzahlen zurückgehen. Für uns ist der Zusammenhang mit der Einführung der Studiengebühren völlig klar.
Zweitens: Der gesamte Grundtenor, mit dem das Programm 2012 beschrieben wird, legt nahe, dass die Landesregierung dieses Programm schlichtweg zum Abfahren dieser doppelten Abiturjahrgänge sieht, dass aber das Ziel einer dauerhaften Erhöhung der Studierendenquote damit überhaupt nicht verknüpft wird.
Drittens: Die Tatsache, dass den Fachhochschulen im Gegensatz zu den BAs kein Raumprogramm an die Hand gegeben wird, deutet darauf hin, dass das Ausbauprogramm im Endeffekt zulasten der Fachhochschulen geht.
Man könnte auf der Grundlage der vorliegenden Zahlen, meine Damen und Herren, sicherlich noch das eine oder andere hinein- oder herausinterpretieren. Ich sage jedoch: Politik ist keine Mathematik. Vor allem aber gilt: Mathematik und Statistik ersetzen keine Politik.
Uns geht die Antwort auf die Anfrage anhand von Statistiken ebenso wie die Diskussion über eine nachhaltige Hochschulpolitik und über die Bedürfnisse der Hochschulen nicht weit genug. Diese Diskussion muss ganz anders geführt werden. Was beschäftigt unsere Hochschullandschaft heute wirklich? Wo sind die Probleme, wo sind die Nöte?
Lassen Sie mich einige Punkte aus der Festrede von Professor Umbach, dem Vorstandsvorsitzenden des Forschungszentrums Karlsruhe, anlässlich der Verleihung des Landesforschungspreises vor einigen Tagen aufgreifen und hier benennen. In einem fast verzweifelten Hilferuf hat er sich für eine dramatische Verstärkung der Investitionen im Bildungsbereich ausgesprochen – siehe Diskussion gestern. Er benannte u. a.
folgende massive Probleme an den Hochschulen: Zum einen nannte er die überhastete Einführung der Bachelor- und Mas terstruktur, dann die Änderung der Promotionsverfahren, dann die unendlichen Evaluationsverfahren, die daran hindern, exzellente Forschung und Lehre zu machen.
Dann sagt er, das Tempo der Reformen lasse es im Prinzip nicht zu, über deren Sinn zu reflektieren. Dazu kommen weitere Probleme, meine Damen und Herren, die in jedem Gespräch mit Verantwortlichen an Hochschulen in unserem Land genannt werden.
Lassen Sie mich einige davon aufzählen: Wer finanziert den Mehraufwand für die unaufhaltsame und politisch gewollte Gleichstellung von Fachhochschulen, Pädagogischen Hochschulen und Berufsakademien? Was passiert, wenn der Bachelor als berufsbefähigender Abschluss nicht erfolgreich ist und die Studierenden massenhaft in die Masterstudiengänge strömen? Wo sind die materiellen Beiträge der Wirtschaft zum Programm „Hochschule 2012“? Ich meine nicht die Berufs akademien, denn da hat die Wirtschaft durchaus selbst produktive Vorteile, wenn sie solche Studienplätze schafft.
Wie sieht es mit der Vereinheitlichung des Zulassungsverfahrens aus? Wie verhindern wir Leerlauf durch Mehrfachbewerbungen? Wann ist die ZVS in ihrer neuen Aufgabe als Koordinationsstelle für die Studienplatzbewerbung endlich funktionsfähig?
Wie ist die Abwanderung von wirtschaftsnahen Forschungsinstituten aus Baden-Württemberg zu verhindern, wie sie von Minister Pfister und dem Chef der Fraunhofer-Gesellschaft, Herrn Bullinger, befürchtet wird? Dies sind Probleme, die benannt werden müssen. Gleichzeitig stellt sich die Frage: Wie kann sich Baden-Württemberg erfolgreich um europäische Forschungszentren bewerben? Bei deren Vergabe stehen oft Strukturfragen, Fragen der Regionalentwicklung im Vordergrund und nicht wissenschaftliche Exzellenz.
Ein ganz wichtiger Punkt ist auch – es gibt keine Diskussion an den Hochschulen ohne diesen Punkt –: Wie geht es weiter mit der W-Besoldung? Was passiert, wenn die Abgänger an den Hochschulen mehr Geld verdienen als die Professoren, die sie ausgebildet haben? Der Kollege Pfisterer hat in einem Gespräch und auch in einer Pressemitteilung Nachbesserungen bei der W-Besoldung, also neue Geldmittel in diesem Bereich, versprochen. Wo sind diese? Wann wird das umgesetzt, Herr Kollege? Das ist eine Frage.
Dies sind, meine Damen und Herren, nur einige wenige drängende Fragen, die in der Hochschullandschaft von BadenWürttemberg diskutiert werden. Diese Fragen müssen auch das Parlament beschäftigen, wenn es um Nachhaltigkeit von Hochschulplanung und deren Finanzierung geht. Aber dies ist eben weit mehr als eine Interpretation von Statistiken.