Wichtige Aufgaben liegen vor uns. Wir brauchen eine stärkere Zusammenarbeit in den Bereichen Klima, Energie, Soziales und Wirtschaft. Hier müssen wir Europa weiterbringen.
Ich komme gleich zum Ende. – Mit dem Vertrag von Lissabon sind wir ein gutes Stück weitergekommen. Es ist in der
Ich möchte mich an dieser Stelle im Namen meiner Fraktion und persönlich ganz herzlich beim Vorsitzenden des Europaausschusses, Christoph Palmer, bedanken, dem es bei allen parteipolitischen Querelen immer gelungen ist, die Wichtigkeit, die Bedeutung von Europa und auch die Leidenschaft für Europa zu transportieren. Ich bedauere sehr, dass er den Landtag verlässt, und wünsche ihm alles Gute für die Zukunft.
so leitete Michael Bergius in der „Frankfurter Rundschau“ seinen Kommentar zur Debatte über den Lissabon-Vertrag im Deutschen Bundestag ein und setzte den Kommentar fort:
Das kommt nicht alle Tage vor, aber wo der FDP-Chef recht hat, hat er recht. Wenn man das Beste nicht kriegen kann, soll man das Zweitbeste nehmen, hat er einen alten Adenauer-Spruch zitiert – und damit eigentlich alles gesagt, was zur Causa EU-Reform zu sagen ist.
Da stellt sich doch die Frage: Was wäre eigentlich das Beste gewesen, wenn man das Zweitbeste nimmt, was wir jetzt nehmen wollen, nämlich diesen Lissabon-Vertrag? Das Beste wäre aus der Sicht der FDP/DVP-Landtagsfraktion die Verfassung gewesen, ein europäischer Verfassungsvertrag. Er lag ja auch vor. An ihm haben Baden-Württemberger maßgeblich mitgewirkt.
Die Freien Demokraten stehen seit den ersten direkten Europawahlen im Jahr 1979 als d i e Europapartei für ein bürgernahes, sich immer mehr vertiefendes, schlankes, freies und faires Europa.
Die Liberalen Deutschlands und Europas haben in der Bundesrepublik Deutschland lange Zeit als einzige Partei immer konsequent für eine Verfassung für das vereinte Europa gekämpft. Nun ist diese Verfassung – das wurde bereits angesprochen – nicht gekommen, weil sie bei den Volksabstimmungen in Frankreich und in den Niederlanden gescheitert ist. Dies hat einen Prozess des Nachdenkens in der Europäischen Union ausgelöst. Man hat nun allerdings wesentliche Teile dieses Verfassungsvertrags im Vertrag von Lissabon, dem neuen Grundlagenvertrag der Europäischen Union, verankern können. Das empfinden wir als FDP/DVP-Landtagsfraktion auch als sehr positiv.
Allerdings ist der Vertrag nicht leicht lesbar. So hat die „Süddeutsche Zeitung“ recht, die titelte:
Umso wichtiger erscheint es uns – darin waren wir uns über alle Fraktionsgrenzen hinweg einig –, dass wir diesen Vertrag im Landtag diskutieren, dass wir nachvollziehbar machen, wo wir die Vorteile sehen, dass wir aufzeigen, wo noch Handlungsbedarf besteht, und dass wir damit uns selbst und vor allem der Öffentlichkeit, den Bürgerinnen und Bürgern, eine Diskussionsgrundlage geben, auf der dann jeder Bürger an der politischen Diskussion über die EU teilnehmen kann.
Der Vertrag von Lissabon hat eine große Bedeutung für Baden-Württemberg. Davon sind wir überzeugt. Denn es liegt im Interesse unseres wirtschaftsstarken Bundeslands, dass die Handlungsfähigkeit des größer gewordenen Europas gestärkt wird. Ein Europa der 27 Mitgliedsstaaten braucht andere institutionelle Regelungen als ein Europa der 15, und noch ist die Erweiterung nicht abgeschlossen. Es gibt konkrete Verhandlungen mit Beitrittskandidaten: Ich nenne nur Kroatien, und ich nenne – das ist jetzt auch ins Auge gefasst – Serbien, mit dem noch keine offiziellen Beitrittsverhandlungen geführt werden, aber wo wir sicherlich der Meinung sind, dass Serbien genauso wie Kroatien im Herzen Europas liegt und es wünschenswert wäre, wenn es gelänge, auch dieses Land in die Europäische Union zu führen.
Die Mitglieder des Ständigen Ausschusses des Landtags haben sich in der vergangenen Periode vor Ort in Zypern, im griechischen und im türkisch besetzten Teil, davon überzeugen können, dass es auch in der Randlage der Europäischen Union noch Aufgaben zu bewältigen gibt – Stichwort EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei –, die große Fragen aufwerfen, von denen auch wir in Baden-Württemberg betroffen sind – nicht nur, weil wir einen hohen Anteil an türkischstämmiger Bevölkerung haben, sondern eben auch, weil es für Baden-Württemberg als ein Land in der Mitte Europas von entscheidender Bedeutung ist, dass wir einen möglichst großen Raum des Friedens, der Freiheit, des Rechts und der sozialen Stabilität haben. Da können uns natürlich Entwicklungen an den Rändern der Europäischen Union, sei es im Mittelmeerraum, sei es im Mittleren und Nahen Osten, sei es im Übergang zu Asien, nicht gleichgültig sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Vertrag von Lissabon stärkt also die Handlungsfähigkeit der EU. In diesem Jahr können wir das 15-jährige Bestehen des Binnenmarkts feiern. Wir haben in Baden-Württemberg als Exportland Nummer 1 in Deutschland von diesem Europäischen Binnenmarkt, den Liberale politisch maßgeblich gestaltet und vorangetrieben haben, profitiert. Wir sind darauf angewiesen, dass unsere leistungsfähige Industrie gute Exportmärkte findet. All dem dient natürlich auch eine leistungs- und handlungsfähige EU.
Die Punkte des Vertrags sind angesprochen worden: doppeltes Mehrheitsprinzip, die Stärkung des Demokratieprinzips – die wir für entscheidend wichtig halten –, sowie die Stärkung des Europäischen Parlaments, aber auch der Mitwirkungsmög
lichkeiten der Mitgliedsstaaten. Da sehen wir große Vorteile für die Mitwirkung Baden-Württembergs über den Bundesrat. Die klarere Kompetenzabgrenzung, die Trennung in ausschließliche, konkurrierende und ergänzende Zuständigkeiten – ähnlich wie im deutschen Grundgesetz – ist ein wichtiges Element, das schon im Verfassungsvertrag enthalten war und jetzt übernommen wird.
Die Einschränkung des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung ist eine ganz wichtige Klarstellung, ebenso wie die Klarstellung, dass Zielbestimmungen keine Kompetenzen der EU begründen. Wir sahen uns ja immer wieder der Situation ausgesetzt, dass die EU-Kommission das als Einfallstor benutzt hat, um Themen auf die Ebene der Europäischen Union zu ziehen. Wir haben nun die Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprüfung. Es ist für uns Liberale ganz besonders wichtig, dass das Subsidiaritätsprinzip gestärkt wird. Das heißt, diejenige Ebene, die vor Ort am nächsten am Bürger ist, soll etwas regeln, und nur, wenn sie es selbst nicht regeln kann, soll es die darüber liegende Ebene regeln. Hier haben wir mit dem Vertrag von Lissabon einen entscheidenden Fortschritt erreichen können.
Meine Damen und Herren, wir sind jetzt als Parlament gefordert, über den Europaausschuss, den wir dankenswerterweise in dieser Wahlperiode einführen konnten, auch hier im Parlament über diese Themen zu diskutieren. Der Europaausschuss hat aktiv von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, über Themen, die auf europäischer Ebene in der Pipeline sind, zu diskutieren. Ich nenne die Bodenschutzrichtlinie, bei der wir fraktionsübergreifend frühzeitig Alarm geschlagen haben, bei der wir auf europäischer Ebene keine Gesetzgebungsnotwendigkeit sehen. Ich nenne die CO2-Minderung für Kraftfahrzeuge,
die für die baden-württembergische Automobilindustrie von entscheidender Bedeutung ist, und ich nenne das Grünbuch zur Stadtverkehrspolitik, wo wir entschieden der Auffassung sind, dass Stadtverkehrspolitik Kommunalpolitik ist und dass sich die EU da gefälligst heraushalten soll.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Europa hat viele Vorteile für uns. Europa ist ein großer Wirtschaftsraum, es ist aber vor allem auch ein großer Kulturraum. Wir sehen als Wermutstropfen, dass die Charta der Bürgerrechte nicht in den Grundlagenvertrag aufgenommen worden ist. Wir hätten uns auch gewünscht, dass das klare Bekenntnis zum freien Binnenmarkt und zu einem fairen Wettbewerb aufgenommen worden wäre. Hier muss nachgearbeitet werden.
Das heißt, der Grundlagenvertrag kann nur ein erster Schritt zu einer weiteren Vertiefung der Europäischen Union sein, die am Ende dann hoffentlich doch in einen Verfassungsvertrag mündet – den wir als Liberale gern auch den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland zur Abstimmung geben würden. Wir sind der Meinung: Das Ziel muss nach wie vor sein, die Ver
fassung für Europa in einer Volksabstimmung durch die Bürgerinnen und Bürger verabschieden zu lassen.
Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle der Landesregierung, Herrn Minister Stächele und auch dessen Amtsvorgänger für die Unterstützung unserer Forderungen aus dem Landtag danken, die Arbeit in der EU transparenter zu machen und sie auch einer breiteren Öffentlichkeit darzustellen. Das ist die Daueraufgabe, die wir alle gemeinsam leis ten müssen. Denn Nationalismus und Rassismus gehören in Europa heute glücklicherweise der Vergangenheit an. Das ist aber keine Selbstverständlichkeit.
Daran müssen wir als Demokraten weiter arbeiten, um die Menschen immer wieder neu für dieses Europa der Freiheit, der Demokratie und der Menschenrechte zu gewinnen. Es ist gut, dass wir im Landtag ein Zeichen gesetzt und einen eigenständigen Europaausschuss eingeführt haben.
Ich darf an dieser Stelle auch von meiner Seite aus im Namen der FDP/DVP-Landtagsfraktion und als stellvertretender Vorsitzender des Europaausschusses und auch im Namen des europapolitischen Sprechers der CDU-Fraktion, des Kollegen Blenke, dem Vorsitzenden des Europaausschusses, Herrn Dr. Christoph Palmer, für seine engagierte Arbeit im Europaausschuss für die europäische Sache danken. Er ist ein ausgleichender Parlamentarier gewesen. Ich meine, dass mit ihm ein großer Europäer dieses Hohe Haus verlässt. Wir danken ihm ganz herzlich für seinen Einsatz.
Im Gegensatz zu meinem Vorredner würde ich nicht sagen, dass er ein Europäer war oder gewesen ist, sondern ich würde sagen: Einmal Europäer, immer Europäer. Ich bin überzeugt davon, dass er in seinem weiteren beruflichen Wirken mit ganzem Engagement auch für das weitere europäische Werden eintreten wird. Insofern danke ich ihm. Mit hoher Fachkompetenz und mit Leidenschaft hat er als Regierungsmitglied und als Ausschussvorsitzender seine Ämter ausgeübt.
Meine Damen und Herren, ich danke für diese grundsätzliche, fast komplette Übereinstimmung in Sachen Europapolitik. Da habe ich mir gedacht: So viel Übereinstimmung würde ich mir gern ins Finanzministerium hinüberretten.
Da habe ich vielleicht etwas zu viel gedacht und gewünscht. Ich danke jedenfalls dafür, und ich will im Gegenzug einfach mit einer kürzeren Ministereinlassung antworten.