Drittens wurden die Länder ermächtigt, befristet bis zum 1. August 2011 Rechtsverordnungen nach § 43 Abs. 2 des Berufsbildungsgesetzes zu erlassen. Das haben wir bisher nicht gemacht. Es ist auch nicht beabsichtigt, dies zu tun, und zwar aus guten Gründen.
Was würde eine solche Rechtsverordnung denn dann regeln? Sie würde, verkürzt dargestellt, bestimmen, dass ein vollzeitschulischer Bildungsgang an einer berufsbildenden Schule der Berufsausbildung in einem anerkannten Beruf mit dualer Ausbildung entspricht. Das wollen wir nicht. Damit hätten die Absolventen, also die Schüler dieses Bildungsgangs, nämlich einen Anspruch auf die Zulassung zur Abschlussprüfung in einem Beruf mit dualer Ausbildung. Diese vollzeitschulische Ausbildung wäre dann der dualen Ausbildung quasi gleichgestellt.
Diese vollzeitschulischen Bildungsgänge enthalten natürlich Praktikumsanteile. Aber eine herkömmliche duale Ausbildung in Betrieb und Schule vermag doch die Praxis in einem ganz anderen Umfang und auf ganz andere Weise zu vermitteln. Bei der dualen Ausbildung können die Jugendlichen in die laufend anfallenden, vielfältigen Aufgaben des Betriebs ganz anders mit einbezogen werden. Wir sind deshalb nach wie vor der Auffassung, dass die duale Ausbildung den notwendigen Praxisbezug am besten herstellen kann.
(Zuruf von der SPD: Wir auch! – Abg. Claus Schmie- del SPD: Ja natürlich! Das ist selbstverständlich! – Abg. Norbert Zeller SPD: Wer bezweifelt das? – Zu- ruf des Abg. Alfred Winkler SPD)
Mit einer Verordnung nach § 43 wäre außerdem die Gefahr verbunden, dass am Arbeitsmarkt vorbei ausgebildet würde. Die Jugendlichen hätten schlechtere Abschlussperspektiven, was der ursprünglichen Absicht der Verkürzung von Ausbildungszeiten womöglich zuwiderlaufen würde. Dies wäre nicht nur für die Jugendlichen frustrierend, sondern auch eine Verschwendung öffentlicher Gelder.
Eine zunehmende Verschulung der Ausbildung wollen wir nicht unterstützen. Dies würde nach Auffassung der Landesregierung zu einer Aushöhlung des dualen Systems führen. Das wollen wir vermeiden. Die Ausbildung im dualen System hat für die Landesregierung oberste Priorität.
Im Übrigen werden die Kammern – wie bisher auch – von der Möglichkeit der Einzelfallzulassung zur Kammerprüfung Gebrauch machen.
Auch die meisten anderen Bundesländer – hören Sie genau zu, Herr Winkler – haben keine Verordnung nach § 43 Abs. 2 des Berufsbildungsgesetzes erlassen, sondern handeln wie wir.
Die Landesregierung hat die Möglichkeiten des neuen Berufsbildungsgesetzes sinnvoll und damit auch zielführend genutzt.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, dass das Land Baden-Württemberg für das Berufsvorbereitungsjahr, das Berufseinstiegsjahr – einjährige und zweijährige Berufsfachschule und Berufskollegs – jährlich ca. 350 Millionen € ausgibt, ohne dass die Jugendlichen eine Anerkennung ihrer Ausbildungszeit erhalten?
Doch, es ist mir bekannt. Aber ich muss Ihnen eines klar sagen, was die Ausbildung angeht. Ich selbst bin von Beruf Weinbaumeister.
Ich selbst habe 48 Lehrlinge ausgebildet. Der Betrieb hat sechs Mitarbeiter, davon zwei Auszubildende. Ich habe intensiv ausgebildet. Ich habe auch Berufswettkampfsieger ausgebildet. Ich war selbst Berufswettkampfsieger im Land. Ich sage Ihnen dazu: Was die Ausbildung angeht, spreche ich hier nicht nur in der Theorie, sondern bringe auch meine praktischen Erfahrungen mit der dualen Ausbildung ein.
(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Das hat doch mit der Frage nichts zu tun! – Gegenruf der Abg. Elke Brun- nemer CDU: Seid doch tolerant!)
Eine duale Ausbildung soll – darum haben wir uns im Land entschieden, es so zu machen – eine praktische Ausbildung bleiben. Sie soll nicht total verschult sein und nicht zu einer theoretischen Ausbildung werden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst mit Bedauern feststellen, dass bei diesem wichtigen Thema der beruflichen Bildung das Kultusministerium nicht anwesend ist. Dies wird von unserer Seite ausdrücklich bedauert.
Was die Beiträge meiner Vorredner aus den Regierungsfraktionen betrifft, möchte ich es sehr freundlich formulieren: Sie haben die Problemlage absolut nicht erkannt. Wenn Sie sagen „die Möglichkeiten des Berufsbildungsgesetzes konsequent genutzt“, dann muss ich fragen: Wie nehmen Sie die Realität wahr?
Sie haben das Ganze sogar noch verschärft, indem Sie Anrechnungsmöglichkeiten zurückgenommen haben, statt Anrechnungsmöglichkeiten aufzubauen.
Was nehmen Sie denn wahr? Es ging bei dieser Gesetzeslage darum, die Anrechnungsmöglichkeiten nicht nur für die einjährige Berufsfachschule, sondern für die vom Bildungsabschluss her höherwertigen, auf einer mittleren Reife oder einem mittleren Bildungsabschluss aufbauenden Berufsfachschulen auszuweiten.
Was meinen Sie mit „konsequenter Nutzung“? Da haben Sie die Realität verkannt. Es wird nichts angerechnet. Es gibt keine entsprechenden Vorschriften. Sie sagen, diese Schulzeiten seien zwar geeignet, um angerechnet werden zu können. Natürlich, die sind immer geeignet, weil die staatliche Ausbildungsleistung mit einem enormen finanziellen Aufwand vorangetrieben wurde. Da wurden öffentliche Gelder eingesetzt. Aber die verschwenden Sie, weil das ja nicht angerechnet werden muss. Das ist doch der entscheidende Punkt.
Wo bleiben Sie mit Ihrer Auffassung? Und dann bauen Sie einen Pappkameraden auf. Sie reden nämlich immer von vollzeitschulischer Ausbildung. Die will niemand.