50 % der Jugendlichen eines Altersjahrgangs erwerben in diesem Land inzwischen eine Studienberechtigung.
Davon wiederum kommt die Hälfte nicht aus allgemeinbildenden Gymnasien, sondern aus beruflichen Schulen.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Bravo! – Abg. Heiderose Ber- roth FDP/DVP: Das misst PISA nicht!)
Die Zahl der Schulabbrecher und derjenigen, die keinen Schul abschluss haben, wird immer wieder problematisiert. BadenWürttemberg hat 6 % Schülerinnen und Schüler, die weder den Hauptschulabschluss noch die mittlere Reife oder das Abitur erwerben. Von diesen 6 % macht die Hälfte einen Abschluss in Förderschulen und erhält damit einen Zugang zu anderen Bereichen der Berufsbildung und der Berufstätigkeit. Für sie stellt sich das Problem nicht. Damit bleiben 3 % der Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg übrig.
Wissen Sie, wie viel Prozent der Schülerinnen und Schüler im gelobten Land Schweden die Schulen ohne einen Schulabschluss verlassen? Ausweislich einer Studie der FriedrichEbert-Stiftung sind es 30 %.
(Beifall der Abg. Dr. Birgit Arnold und Dr. Hans-Pe- ter Wetzel FDP/DVP – Zurufe von der CDU: Ui! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist unglaub- lich!)
30 % der Schülerinnen und Schüler in Schweden verlassen die Schulen ohne einen Schulabschluss. Dieses System steht vor dem Kollaps. Ich finde das beachtlich. Die SPD könnte ein bisschen für die Verbreitung solcher Wahrheiten sorgen, aber sie ist daran nicht interessiert. Dafür habe ich ein gewisses Verständnis.
Die Werthaltigkeit von Abschlüssen ist das andere. Wir können nicht einfach zu allen sagen: „Ihr kriegt jetzt die mittlere Reife“ oder „Ihr kriegt das Abitur“. Wir müssen allen Hauptschülern sagen, dass sie die Option auf die mittlere Reife haben und dass wir ihnen dafür verschiedene offene Wege anbieten.
Der in der letzten Woche gemachte Vorschlag ist ein Beitrag dazu. Aber wir können nicht wie Frau Ypsilanti in Hessen hergehen und sagen: „Alle kriegen künftig die mittlere Reife.“ Dann ist sie nichts mehr wert.
Wir haben doch gesehen, was in Frankreich passiert ist, wo das Ziel formuliert wurde, möglichst vielen das Abitur zu geben. 80 % der französischen Schüler machen das Abitur. Nur leider ist dieses Abitur nichts mehr wert. Sie können sich damit an keiner Hochschule mehr für ein Studium anmelden. Sie können sich damit an einer Berufsschule anmelden, die weit unter dem Niveau unserer Berufsschulen liegt. Sie müssen Vorkurse machen, sie müssen Zusatzprüfungen machen,
damit dieses Abitur seinen Wert bekommt. Deshalb halten wir an der Werthaltigkeit von Abschlüssen fest,
weil wir nur so die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die jungen Menschen in diesem Land eine echte Chance haben, mit dem, was sie in der Schule geleistet haben, auch einen Anschluss zu finden. Ich halte es für das Allerwichtigste, dass nach der Schule eine Perspektive besteht, in ein selbstverantwortetes Leben einzutreten. Bei uns gelingt das besser als anderswo. Wir haben die niedrigste Jugendarbeitslosenquote in ganz Europa.
Sie wollen uns ehrlich eine Debatte darüber zumuten, dass wir ein Bildungssystem, das dazu die Vorarbeit leistet, aufgeben, über den Haufen werfen und etwas einführen sollen, was sich dort, wo es in Deutschland bisher praktiziert wird, noch nicht als erfolgreich erwiesen hat.
Professor Helmut Fend, ein hoch angesehener Bildungsforscher, hat die einzige Langzeitstudie zu den Erfolgen bzw. den Nichterfolgen der Gesamtschule durchgeführt. Er hat junge Menschen, die in den Siebzigerjahren in Hessen in die Gesamtschulen eingetreten sind, über 30 Jahre in ihrer Bildungs- und in ihrer Berufsbiografie begleitet. Fend sagt selbst: „Ich habe diese Studie angefangen, weil ich zeigen wollte, dass Gesamtschulen besser sind als gegliederte Schulen.“ Das Ergebnis ist, dass die Frage „Gesamtschule oder gegliederte Schule?“ zum Aspekt der sozialen Gerechtigkeit überhaupt nichts beitragen konnte. Soziale Gerechtigkeit entsteht durch Chancen, die zwischen Bildung und Beruf gemeinsam erarbeitet werden. Dafür haben wir die entscheidenden Voraussetzungen.
Weil Sie vorhin meinten, Sie könnten keine Innovationen feststellen, möchte ich darauf hinweisen, dass wir ein Konzept für die frühkindliche Bildung und für die intensivere Zusammenarbeit zwischen vorschulischer und grundschulischer Bil
dung vorgelegt haben. Der Orientierungsplan für den Kindergarten ist die Grundlage dafür, dass wir in Verbindung mit dem Bildungsplan Grundschule ein Gesamtkonzept „Bildungshäuser für Drei- bis Zehnjährige“ – also zum längeren gemeinsamen Lernen – auf den Weg gebracht haben,
(Beifall der Abg. Gundolf Fleischer CDU und Dr. Ul- rich Noll FDP/DVP – Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)
konkretisiert in dieser Altersstufe, in der es Sinn macht. Wir differenzieren dort, wo es wiederum Sinn macht.
Der Orientierungsplan ist qualitativ hochwertig. Ich habe Kindergärten gesehen, die dieses Bildungskonzept ganz hervorragend umgesetzt haben. Wir werden diesen Weg weitergehen. Unser zentrales Bemühen ist, allen Kindern im vorschulischen Alter die notwendigen Sprachkenntnisse zu vermitteln,
damit sie in der Schule auf einem ordentlichen Niveau starten können. Auch da gab es Illusionen. Ich weiß noch, liebe Frau Rastätter, wie Sie die Schweden immer gelobt haben.
Die Schweden haben für alle Migranten deren Muttersprache als Erstsprache im Bildungssystem eingeführt. Dies hat natürlich zu erheblichen Unterschieden geführt. In Schweden gab es in der Schule über 50 Erstsprachen. Ergebnis: Schweden hat diesen Weg wieder verlassen. Es gibt dort nur noch eine Erstsprache, nämlich Schwedisch, und bei uns ist sie Deutsch.
Genau das fördern wir, weil man sich auf dieser Basis darüber verständigen kann, wie man in den Bildungseinrichtungen arbeitet. Wir haben schon derzeit mehrere Förderinstrumente im Feld. Wir werden durch die Frau Sozialministerin noch in diesem Jahr die Einschulungsuntersuchung für alle Kinder im vorschulischen Alter bekommen. Ein Teil davon ist die Sprachstandserhebung. Dann werden wir weitere Erkenntnisse über den Förderbedarf haben, und wir werden diesem Förderbedarf auch entsprechen.
Ein weiteres Feld der Innovation will ich Ihnen nennen. Wir haben die Schulen über Jahre hinweg aufgefordert, gebeten und dabei unterstützt, ihre Schulkonzepte zu öffnen, sich nicht darauf zu beschränken, Unterricht mit Lehrkräften zu organisieren, sondern Partner für Schulen zu gewinnen, die das Bildungsangebot der Schulen reicher machen.
Wir haben die Jugendbegleiter eingeführt. Zu dem entsprechenden Programm konnten wir gestern eine hervorragende Zwischenbilanz vorlegen.
Wir haben die Pädagogischen Assistenten eingeführt, und wir haben viele Partnerschaften zwischen Schulen und Betrieben.
Bei jeder dieser Innovationen hat die Opposition gesagt: „Was soll das? Das sind alles nur Billiglösungen.“ Sie haben den Sinn nicht verstanden.
und von dieser Gemeinschaft Beiträge zur Bildung von jungen Menschen in die Schule zu bringen, die über den normalen Unterricht nicht geleistet werden können. Wir sind hierbei hervorragend unterwegs und entsprechen damit genau dem, was uns die Jugendforscher zur Rolle von Schule in der Gesellschaft sagen.