Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist deutlich geworden: Der Naturschutz hat es schwer, und das zunehmend. Er steht in wachsender Konkurrenz zu Wohnflächen, zu Verkehrsflächen und zu Gewerbeflächen. Er konkurriert auch mit einer hoch effektiven Landbewirtschaftung. Tourismus, Mountainbiking, Klettern, Wasserkraft, all das sind Naturnutzungen
ja, das wollen wir haben – mit einem erheblichen Beeinträchtigungspotenzial, wenn sie nicht gut auf Naturschutzinteressen abgestimmt sind.
Dazu kommen immer neue Aufgaben: Biotopvernetzungen, Artenschutzmanagement. Und es kommen hausgemachte Erschwernisse hinzu: Die dauernde Umstrukturierung der Naturschutzverwaltung hat nicht zu einer effektiven und effizienten Struktur beigetragen. Erst schwächte man die Bezirksstellen für Naturschutz. Dann folgte eine Verwaltungsreform, und die Teams von Fachleuten wurden oftmals so auseinandergerissen und auf die Landratsämter verteilt, dass nun in dem einen Landratsamt möglicherweise ein Botaniker sitzt, in dem nächsten ein hervorragender Ornithologe und in einem dritten vielleicht ein Fachmann für Gewässertiere,
Gleichzeitig ist diesen Fachleuten die alte Unabhängigkeit gegenüber der Bau- und Planungsverwaltung der Landkreise und Städte genommen worden. Ihre Einwände, wenn sie denn überhaupt welche haben, werden gleich im Hause abgebügelt,
bevor sie überhaupt öffentlich werden können. Das ist eine strukturelle Schwächung der Naturschutzverwaltung.
Bei all diesen Umbrüchen und Schwächungen sind Mammutprogramme – einige wurden schon genannt – wie Natura 2000, Cross Compliance und viele weitere zu stemmen.
Es ist leider typisch für die Arbeit der Landesregierung, dass vieles unter dem Etikett „Naturschutz“ rangiert, was mit Naturschutz im engeren Sinne relativ wenig zu tun hat.
Die Naturparke nehmen in Baden-Württemberg knapp ein Drittel der gesamten Landesfläche ein. Sie sind aber finanziell miserabel ausgestattet. Inhaltlich besteht die Arbeit vor allem in der Förderung von Tourismus und der örtlichen Wirtschaft.
Der Naturschutz spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle. Dabei verwenden Sie das Wort „Natur“ immer wieder als schmückendes Beiwerk, um reizvolle Gebiete quasi als „Naturschutz light“ erscheinen zu lassen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Reinhold Gall SPD: Das hat niemand gesagt!)
frage ich: Sind Ihre Ausführungen mit Ihrer Vorfeldorganisation „Touristenverein die Naturfreunde“ abgestimmt?
(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Laut Verfassung ist er nur seinem Gewis- sen unterworfen! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Kar- neval ist vorbei!)
Ich habe überhaupt nichts gegen Tourismus gesagt. Vielmehr habe ich ausgeführt, dass das, was unter dem Etikett „Naturschutz“ – eigentlich ist das „Naturschutz light“ – betrieben wird, eher Tourismusförderung ist.
Ich nenne Ihnen als zweites Beispiel die PLENUM-Projekte. Das Konzept PLENUM wurde von uns immer begrüßt und permanent unterstützt. Aber die Umsetzung von PLENUM beschränkt sich oft auf Tourismus-, Agrar- und Wirtschaftsförderung. Nur ein sehr kleiner Teil der Fördermittel fließt direkt in den Naturschutz.
Eine einzige Ausnahme gibt es innerhalb der insgesamt eher verfehlten Naturschutzpolitik, und das ist die Tatsache, dass Sie sich dazu durchgerungen haben, auf dem Gelände des ehemaligen Truppenübungsplatzes Münsingen ein Biosphärengebiet einzurichten. Sie haben damit den peinlichen Umstand beseitigt, als einziges großes Flächenland noch kein Großschutzgebiet eingerichtet zu haben. Die Einrichtung begrüßen wir ausdrücklich.
Aber auch hier gilt: Daraus darf kein „Schutzgebiet light“ werden. Es hat keinen Sinn, das gesamte Biosphärengebiet Schwäbische Alb mit seinen mehr als 80 000 ha als Naturschutzgebiet auszuweisen. Lediglich auf 3 % dieser Gesamtfläche findet effektiv Naturschutz statt.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist eine ganze Menge, die durchgesetzt werden musste gegenüber den Menschen!)
Wir wünschen den Beteiligten sehr, dass hier die Balance geschaffen wird zwischen Leben, Wirtschaft, Tourismus und Naturschutz.
Ähnliches – das darf ich als Südbadener sagen – würde ich mir auch für den Schwarzwald wünschen. Ich würde mir wünschen, dass wir auch dort ein Großschutzgebiet ausweisen, ähnlich wie das Gebiet des ehemaligen Truppenübungsplatzes Münsingen.
Das ist nach den neuen rechtlichen Gegebenheiten auch möglich. Der Luchs könnte ein hervorragendes Symbol sein.
Meine Damen und Herren, die schleppende Umsetzung von Natura 2000 – ich gebe ein weiteres Beispiel – beweist, dass hier insgesamt eine personelle Unterbesetzung vorliegt. Das führt dazu – das führen Sie selbst aus –, dass wegen der Priorität von Natura 2000 viele weitere Aufgaben nicht im entsprechenden Umfang abgearbeitet werden können. Das gilt für die Betreuung und für die Ausweisung von weiteren Schutz gebieten genauso wie für die Biotopkartierung. Wenn eine Bio topkartierung nicht systematisch fortgeschrieben wird, hat sie irgendwann keinen Sinn mehr.