Protocol of the Session on February 27, 2008

Das Präsidium hat folgende Redezeiten vorgesehen: für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion und für das Schlusswort fünf Minuten.

(Anhaltende Unruhe)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Dr. Splett für die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte heute mit einem Zitat beginnen:

Naturschutz ist auch kein Luxus, sondern Naturschutz muss zentraler Bestandteil der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen für unsere Gesellschaft, unsere Kinder und unsere Nachkommen sein.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich darf um Ruhe bitten.

Von wem könnte dieses Zitat stammen?

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Wolfgang Drexler!)

Meine Damen und Herren, das hat unsere Kanzlerin beim letzten Deutschen Naturschutztag in Bonn gesagt

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

und sich damit zur Staatsaufgabe Naturschutz bekannt.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Die Grünen wollen un- bedingt Schwarz-Grün!)

Doch auf ebendiesem Naturschutztag waren sich die Fachleute einig, dass der Naturschutz vor großen Problemen steht. Eines der Probleme ist die Föderalismusreform, die mit ihren Abweichungsrechten für die Bundesländer wichtige Errungenschaften des Naturschutzes gefährdet.

(Beifall des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Dass diese Gefahr real ist, haben die Bundesländer, insbesondere auch Baden-Württemberg, jüngst bestätigt, indem sie mit einer Bundesratsinitiative das Schutzgebietsnetz Natura 2000 infrage gestellt haben.

Zweites Problem: Als problematisch wurde erachtet, dass in vielen Bundesländern im Natur- und Umweltschutz überproportionale Einsparungen stattgefunden haben und stattfinden.

(Anhaltende Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, bitte seien Sie doch ruhiger.

Die Zerschlagung oder Dezimierung von Fachbehörden, so warnten die Fachleute, macht einen effizienten Natur- und Umweltschutz unmöglich. Tatsächlich gibt es einen bundesweiten Trend, gerade im Naturschutz Personal abzubauen, Fachbehörden zu zerschlagen und Aufgaben zu kommunalisieren. Das hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen in einem ausführlichen Gutachten dargelegt. Auch Baden-Württemberg ist von diesem Trend nicht ausgenommen. Auch in Baden-Württemberg heißt es: Personal abbauen, Fachbehörden zerschlagen, Aufgaben kommunalisieren.

Der Landesnaturschutzverband hat zwei Jahre nach der Verwaltungsreform eine ernüchternde Bilanz gezogen und angesichts der herben Verluste im Naturschutz dringend Korrekturen angemahnt. Neben Personalaufstockung, der Rückübertragung von Zuständigkeiten und der Offenlegung von Fachstellungnahmen wurde auch die Einrichtung regionaler Umweltfachämter gefordert.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bürokratie!)

Dass es bei den Einsparungen im Naturschutz gar nicht vornehmlich um Haushaltskonsolidierung gehen kann, sondern dass es vielmehr darum geht, den in den Augen mancher Entscheidungsträger lästigen Naturschutz zu schwächen, und dass dies ein absichtsvoll verstärkter Ressourcenmangel ist, ergibt sich schon daraus, dass der Anteil der Naturschutzausgaben am Gesamthaushalt des Landes bei weniger als 0,1 % liegt.

Wer hier einspart, mindert die Leistungsfähigkeit der Fachverwaltung, ohne dass spürbare Beiträge zur Einsparung erbracht werden könnten. Ein Personalvolumen von etwa 300 Stellen auf allen Ebenen zusammen für ganz Baden-Würt temberg, meine Damen und Herren, ist eine personelle Unterbesetzung. Das ist zu wenig, um in einem dicht besiedelten Land wie Baden-Württemberg die Artenvielfalt zu sichern. Es ist zu wenig, um die Pflichtaufgaben, die sich aus den von uns beschlossenen Gesetzen ableiten, zu erfüllen. Es ist erst recht zu wenig, um gewachsene Aufgaben – Stichwort Natura 2000 und Artenschutz – zu erfüllen.

Es gibt – das können Sie der Antwort auf unsere Große Anfrage entnehmen – Städte oder Landkreise, die nur über eine einzige Fachkraft im Naturschutz verfügen. Eine Person in einem ganzen Landkreis ist zuständig für die Beurteilung von Eingriffen, Beteiligung an Planungen, Abwicklung von Förderprogrammen, Beratung, Öffentlichkeitsarbeit, Planung und Umsetzung von Schutz- und Pflegemaßnahmen, Ausweisung und Betreuung von Schutzgebieten, Umsetzung von Natura 2000 usw. Dass das nicht gehen kann, meine Damen und Herren, das liegt auf der Hand.

Wichtige Aufgaben wie die Umsetzung von Natura 2000 wurden jahrelang von Zeitvertragnehmern und -nehmerinnen bearbeitet, die nach dem Prinzip „Hire and Fire“ nach zwei Jahren wieder gehen mussten. Es ist jetzt im Nachtragshaushalt gelungen, einige dieser Beschäftigungsverhältnisse in feste Stellen umzuwandeln. Das begrüßen wir sehr; das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber es erhöht nicht den tatsächlichen Personalbestand und ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein, was die Problematik insgesamt angeht.

Die Personaldecke im Naturschutz ist traditionell dünn. Naturschutz ist schon immer auf die Unterstützung der Verbän

de, auf die ehrenamtliche Arbeit angewiesen. Aber das heißt auch, dass Einsparungen bei dieser Ausgangslage besonders hart treffen und zu einer nicht vertretbaren Schwächung des Naturschutzes führen, auch gegenüber anderen Fachverwaltungen.

Warum, so frage ich mich, ist für das Auerhuhn die FVA zuständig und nicht die Naturschutzverwaltung? Luchs, Auerhuhn, Biotopvernetzung, Landschaftsentschneidung – alles klassische Naturschutzaufgaben. Hierfür braucht die Verwaltung Kompetenzen und Kapazitäten. Wir brauchen kompetentes und motiviertes Personal, das die Pflichtaufgaben erfüllt, aber auch konzeptionell arbeiten kann und auch innovative Konzepte umsetzen kann.

Wir Grünen setzen uns schon lange dafür ein, dass endlich auch Baden-Württemberg ein Großschutzgebiet erhält. Endlich kommt ja das Biosphärengebiet auf der Schwäbischen Alb. Doch auch hier verlangen wir einen Nachschlag, was die Personal- und Finanzmittelausstattung angeht. Sonst laufen wir Gefahr, dass es kein Leuchtturm wird, sondern nur eine Laterne, ähnlich denen in anderen Bundesländern.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wen wollen Sie alles unterbringen? Haben Sie schon Namen parat?)

Ich habe keine Namen parat.

Ich möchte noch Anmerkungen zu zwei erfreulichen Nachrichten machen. Es hat mich gefreut, dass die Landesregierung der Initiative „Countdown 2010“ beitreten will. Wir hatten angefragt und haben eine positive Antwort erhalten. Wie wäre es, Herr Minister, in diesem Zusammenhang mit einer Selbstverpflichtung zur Stärkung der Naturschutzverwaltung? Ich finde, das wäre ein wichtiger Punkt.

Die zweite positive Nachricht ist, dass es auch aus BadenWürttemberg Bewerbungen beim Bundeswettbewerb für Naturschutzgroßprojekte gibt, der vom BMU ausgeschrieben wurde. Zwar sind Bayern und Niedersachsen mit viel mehr Anträgen vertreten, aber es gibt mindestens drei Anträge – soviel weiß ich – aus Baden-Württemberg. Das freut mich. Ich wünsche diesen Anträgen viel Erfolg. Ich spreche das deshalb an, weil ich meine: Wenn sie nicht alle erfolgreich sind – von den 120 Anträgen werden nur 10 prämiert –, dann müssen wir darüber nachdenken, was wir vom Land aus tun können, um die wertvollen Ideen trotzdem umzusetzen.

Naturschutz hat inhaltlich und in seiner Ausgestaltung mit dem Thema Flächenverbrauch zu tun. Beides sind Themen, die auf der übergeordneten Ebene immer „gut ankommen“. Alle sind für den Erhalt der biologischen Vielfalt. Aber wenn es konkret wird, wird es häufig etwas schwieriger. Im Einzelfall ist der Naturschutz dann eben doch der Verhinderer. Es kann dann schnell ins Lächerliche abrutschen, wenn eine Art einer Planung im Wege ist. Dabei kommt es in der Regel dann zu spektakulären Konflikten, wenn die Naturschutzbelange am Anfang eines Planungsprozesses nicht ausreichend berücksichtigt werden. Auch deshalb – da bin ich wieder beim Zustand der Verwaltung – brauchen wir fachlich hochkompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die frühzeitig Konflikte erkennen und Lösungen aufzeigen können.

Meine Damen und Herren, im nächsten Doppelhaushalt können Sie mit einer Mittelerhöhung für den Naturschutz zeigen, ob es Ihnen mit den Bekenntnissen zum Erhalt der biologischen Vielfalt, die wir in diesem Jahr sicher noch öfter hören werden – sei es im Rahmen der 9. EU-Vertragsstaatenkonferenz in Bonn oder beim Deutschen Naturschutztag in Karlsruhe –, ernst ist.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Röhm für die Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Dr. Splett, von Defiziten bei der Aufgabenerfüllung der Naturschutzverwaltung kann überhaupt keine Rede sein. Ich möchte dies anhand von fünf Punkten darlegen.

Erstens: Die Nachmeldung von Vogelschutzgebieten an die Europäische Kommission erfolgte im Dezember 2007. Damit ist das Netz von Natura-2000-Gebieten in Baden-Württemberg vollständig.

Zweitens: Monitoring bzw. naturschutzorientierte Umweltbeobachtung. Artikel 11 der FFH-Richtlinie verpflichtet die Mitgliedsstaaten zur Überwachung des Erhaltungszustands der natürlichen Lebensräume und der wild lebenden Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse, die in Artikel 2 der FFH-Richtlinie aufgeführt sind. Ein Beschluss der Länderarbeitsgemeinschaft Naturschutz – Abkürzung: LANA – zur Durchführung des bundesweiten Monitorings wird derzeit vorbereitet, und eine weiter gehende Konzeption soll nach Festlegungen des verpflichtenden Bundesmonitorings im Land entwickelt werden. Auch da sind die Sachen am Laufen.

Drittens: Kompensationsverzeichnis respektive Ökokonto. Die Defizite wurden in der Vergangenheit bei der Umsetzung der Kompensationsmaßnahmen für Eingriffe in Natur und Landschaft festgestellt. Hier will Baden-Württemberg durch die Einführung eines Kompensationsverzeichnisses wesentliche Verbesserungen erreichen. Dieses Kompensationsverzeichnis wird im Zusammenhang mit den entsprechenden Regelungen zum Ökokonto eingeführt. Die Ökokontoverordnung geht noch in diesem Jahr in die Verbandsanhörung. Auch hier kann man Vollzug melden.

Viertens: die Biotopkartierung. Das Bundesnaturschutzgesetz verpflichtet die Bundesländer, einige weitere bislang nicht erfasste Biotoptypen unter Biotopschutz zu stellen. Die Naturschutzverwaltung konzentriert sich dabei derzeit auf die Erstellung der Managementpläne für Natura-2000-Gebiete. Nach Fertigstellung dieser Pläne ist über die Aktualisierung der übrigen §-32-Biotope, beispielsweise der Hecken und Feldgehölze, zu entscheiden.

Der fünfte und letzte Punkt ist die Ausweisung von Naturschutzgebieten. Nachdem im Herbst 2006 die Ausweisung des tausendsten – wohl gemerkt; man möge genau zuhören: des tausendsten – Naturschutzgebiets gefeiert werden konnte, sind bis Ende 2007 neun weitere Gebiete hinzugekommen, und die Gesamtfläche der Naturschutzgebiete in Baden-Württemberg beträgt jetzt 84 540 ha. Das entspricht einem Zuwachs von über 500 ha; insgesamt sind es nun 2,36 % der Landesfläche.

Die Regierungspräsidien haben – das glauben wir mit Recht sagen zu können – im Rahmen einer Zielvereinbarung zugesagt, dass im laufenden Jahr weitere neun Naturschutzgebietsverfahren zum Abschluss gebracht werden.

Das RP Tübingen – das ist auch völlig in Ordnung – wurde im Jahr 2008 etwas entlastet, weil es mit dem Ausweisungsverfahren für das Biosphärengebiet Schwäbische Alb in besonderer Weise gefordert war und ist. Frau Dr. Splett, gerade dieses Projekt zeugt von der Leistungsfähigkeit unserer Naturschutzverwaltung und vor allem auch von ihrer Kooperationsfähigkeit mit allen beteiligten Partnern. Nur so war es möglich, dieses tolle Projekt auf den Weg zu bringen.

Ich schließe, wie ich begonnen habe: Von Defiziten bei der Aufgabenerfüllung in der Naturschutzverwaltung kann überhaupt keine Rede sein.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Bayer für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist deutlich geworden: Der Naturschutz hat es schwer, und das zunehmend. Er steht in wachsender Konkurrenz zu Wohnflächen, zu Verkehrsflächen und zu Gewerbeflächen. Er konkurriert auch mit einer hoch effektiven Landbewirtschaftung. Tourismus, Mountainbiking, Klettern, Wasserkraft, all das sind Naturnutzungen