Protocol of the Session on February 27, 2008

Aus dem Fonds erhalten die Krankenkassen dann Mittelzuweisungen nach einheitlichen Grundsätzen. Wesentlich bei dieser Finanzzuweisung ist der Risikostrukturausgleich, der schon angesprochen wurde. Einen Risikostrukturausgleich gibt es schon heute, und zwar über die Kriterien Alter und Geschlecht. Es ist schon angesprochen worden, dass auch aufgrund des guten Gesundheitszustands unserer Bevölkerung 730 Millionen € über diesen Risikostrukturausgleich in die anderen Länder fließen. Aber dieser Strukturausgleich soll ausgeweitet werden. Das Finanzvolumen, das heute bewegt wird, beträgt bereits rund 14 Milliarden €; das ist übrigens fast doppelt so viel wie das Volumen des Länderfinanzausgleichs. Die jetzige Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs erfolgt durch eine stärkere Einbeziehung der Morbidität der Versicherten. Es sollen 50 bis 80 Krankheiten einbezogen werden. Die Festlegungen hierzu trifft das Bundesgesundheitsministerium, allerdings mit Zustimmung des Bundesrats.

Im Januar wurde ein Gutachten eines eigens dazu eingesetzten Beirats vorgelegt, das die Grundlage für die Verordnung bilden soll. Es war mit Sicherheit eine kolossal schwierige Aufgabe, aus der Vielzahl der unterschiedlichen Krankheiten eine solche Liste zu erstellen. Das Ergebnis kann politisch jedoch keinesfalls überzeugen. Es sind auf der Grundlage von etwa 2 400 Einzeldiagnosen sehr viele Krankheitsgruppen gebildet worden, die ausgleichsfähig sein könnten. Die Experten rechnen damit, dass sich das Ausgleichsvolumen damit auf bis zu 40 Milliarden € ausweiten könnte. Bei einem Gesamtvolumen unseres GKV-Systems von rund 150 Milliarden € bedeutete das, dass fast jeder vierte Euro umverteilt wird. Ich denke, dass damit der Bogen überspannt sein wird.

Baden-Württemberg hat sich immer für einen einfachen, transparenten und berechenbaren Risikostrukturausgleich eingesetzt. Stattdessen sieht es nun so aus, dass wir genau das Gegenteil bekommen, nämlich ein Instrument mit einem riesigen bürokratischen Aufwand, dass die Finanzströme intransparent

werden und die Kassen auch kaum imstande sein werden, ihre Einnahmen oder Zahlungsverpflichtungen im Vorfeld solide zu berechnen.

Heute haben wir über die Presse erfahren, dass auch dieses Gutachten nicht valide ist, weil es eben auf falschen Daten beruht, sodass es wohl nahezu eine „never ending story“ werden wird, diesen Morbi-RSA auf solide Füße zu stellen.

Ein weiteres Thema ist die Insolvenzfähigkeit der Krankenkassen. Das ist auch ein Thema, das uns betrifft. Um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu ermöglichen, soll für alle Krankenkassen die Insolvenzfähigkeit herbeigeführt werden. Dafür müssen zunächst alle Krankenkassen ihre Schulden abbauen. Die Krankenkassen in Baden-Württemberg sind hier hervorragend aufgestellt. Sie sind bis zum 31. Dezember 2008 vollständig entschuldet. Sie hätten das auch schon früher erreichen können, aber sie haben die höher verschuldeten Kassen der gleichen Kassenart in anderen Ländern unterstützen müssen.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass teilweise noch keine adäquaten Rückstellungen für die Versorgungszusagen gegenüber den beamtenähnlichen Angestellten gemacht wurden. Hier geht es um ein Gesamtvolumen von bundesweit etwa 10 Milliarden € für die nächsten 70 Jahre.

Gleichwohl müssen diese Ansprüche bilanziert werden. Es muss ein Kapitalstock aufgebaut werden. Gleichzeitig muss ein Sicherungsinstrument geschaffen werden, bis der Kapitalstock aufgebaut ist. Denn bislang sind die Länder Gewährträger. Nach dem Gesetz endet deren Verantwortung mit der Einführung des Fonds. Zu diesem Thema wurde erst nach massivem Druck der Länder – da hat Baden-Württemberg zuletzt im Herbst 2007 für einen entsprechenden Beschluss gesorgt – eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die das aufklärt. Ein Gesetzgebungsverfahren muss vor Inkrafttreten des Fonds hierzu abgeschlossen sein.

Ein weiterer offener Punkt ist die Konvergenzklausel. Es ist überhaupt noch nicht klar, wie diese Konvergenzklausel berechnet werden muss. Auch hierzu ist ein Gutachten in Auftrag. Es soll bis Ende März 2008 vorliegen. Aber die entscheidende Frage, wie viel Geld zusätzlich aus Baden-Württemberg abfließt, wird auch aufgrund dieses Gutachtens noch nicht beantwortet werden können. Denn wir brauchen dazu aktuelle Daten der Krankenversicherungen – diese liegen erst Ende August 2008 vor –, und man muss wissen, in welcher Höhe der Beitragssatz festgelegt wird.

Welches Fazit müssen wir daraus ziehen? Erstens stehen die Grundlagen für den Risikostrukturausgleich noch nicht fest. Zweitens muss der Gesetzentwurf zur Regelung der Insolvenzfähigkeit aller Krankenkassen erarbeitet werden. Drittens müssen die Berechnungsgrundlagen für die Konvergenzklausel vorliegen. Sie sehen, dass der Weg in diesem Jahr noch sehr steinig ist.

Nur stichwortartig möchte ich aufgreifen, dass für die Bereiche Liquiditätsreserve, reformierte ärztliche Vergütung, Finanzausstattung der Selbstverwaltung und für den Krankenhausbereich noch keine Festlegungen getroffen sind. Auch hier werden wir im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens noch sehr um Mehrheiten für die Interessen Baden-Württembergs kämpfen müssen.

Ich denke, wir sind uns hier im Landtag über alle Fraktionen hinweg einig, dass wir gemeinsam alle Anstrengungen unternehmen müssen, um Nachteile für das Land zu vermeiden. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, dem Zentralismus entgegenzuwirken. Da hilft uns die Diskussion um die Bürgerversicherung wirklich nicht weiter.

Ich kann Ihnen versichern, dass die Landesregierung nach Kräften am selben Strang zieht. Wir haben bewiesen, dass wir hier in Baden-Württemberg sehr gut in der Lage sind, eine gesundheitliche Versorgung bereitzustellen und auch zu finanzieren. Aber wir müssen die Dinge realistisch sehen. Als Land können wir nur im Rahmen der föderalen Möglichkeiten im Bundesrat unsere Stimme geltend machen; das werden wir allerdings tun.

Im Moment wäre allerdings eine Bundesratsinitiative zur Verschiebung des Fonds nicht erfolgversprechend. Wir müssen abwarten, bis der Bund seine Hausaufgaben, die ich gerade aufgezeigt habe, gemacht hat. Erst dann haben wir die Zahlen, um die regionalen Auswirkungen des Gesundheitsfonds bewerten zu können. Aus meiner Sicht können wir dann auch darüber diskutieren, was politisch machbar ist.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Hoffmann das Wort.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will zunächst Marx zitieren:

(Abg. Katrin Altpeter SPD: Vorsicht!)

Natürlich gibt es keine vernünftige Alternative zur Marktwirtschaft, um Güter zu verteilen – aber nicht alle Güter sind marktfähig. Unter diesem Aspekt ist Gesundheit keine Ware wie jede andere.

Dieses Zitat stammt nicht von Karl Marx, sondern von Professor Reinhard Marx, bekannt als neuer Erzbischof von München und Freising. Recht hat er!

Liebe Kollegin Haußmann, ich habe mir zunächst überlegt, ob ich noch einmal ans Rednerpult gehe. Ich möchte aber noch einiges auf Ihre Ausführungen erwidern.

Klar ist: Wenn man Gutachten zitiert, muss man sie richtig zitieren. Wasem hat in seinem Gutachten die Aussage getroffen, dass im Moment in Baden-Württemberg für diese zusätzlichen Angebote ein Zusatzhonorar von 390 Millionen € fließe und unklar sei, ob das im Gesundheitsfonds enthalten sein könne oder nicht. Er hat auch gesagt, dass dieses Gutachten unter der Bedingung stehe, dass im Risikostrukturausgleich eine vernünftige Datenbasis vorhanden sei. Beides ist nicht der Fall.

Die Bürgerversicherung ist, glaube ich, keine bessere Lösung, sondern ein Placebo. Das ist ein Arzneimittel, dessen Name gut klingt und das bitter schmeckt, aber nicht wirkt. Wenn man die Diskussion hierüber führen wollte, sollte man sie vielleicht lieber noch einmal im Sozialausschuss führen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das sollten wir nach der Bundestagswahl tun!)

Heute haben wir einen gemeinsamen Antrag vorliegen. Ich will noch einmal in Erinnerung rufen, wie es damals gewesen ist: Günther Oettinger hat im Vorfeld der Gesundheitsreform die Situation erkannt und hat daraufhin das Gutachten in Auftrag gegeben. Was ist dann passiert? Er hat aus Berlin die Information bekommen, Gesundheitspolitik sei eine reine Bundesangelegenheit, und man möge sich bitte heraushalten.

Die Große Koalition hat im Übrigen nicht beschlossen, dass der Gesundheitsfonds mit einem Risiko von 10 Milliarden € starten soll, sondern sie hat beschlossen, dass das Bundesgesundheitsministerium die offenen Fragen klären soll. Die Fragen, die ich vorhin aufgeworfen habe – ohne die Pensionssicherung, die die Ministerin eben noch angesprochen hat –, machen allein 10 Milliarden € aus. Ich glaube, wenn wir seriös damit umgehen wollen, dann müssen wir dies klären.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Ich will noch einmal einen Appell formulieren – Uli Noll hat es vorhin auch gesagt: das ist eine einmalige Situation; wir sind uns bei der Frage des Weges sicherlich nicht einig, aber wir sind uns in der Erkenntnis einig, dass der Gesundheitsfonds zum 1. Januar 2009 keinen guten Start haben wird –: Ich würde mir heute wirklich eine breite Mehrheit im Landtag von Baden-Württemberg wünschen – damit er auch zum Vorbild für andere Landtage wird – für die Forderung, das Thema jetzt auf die Tagesordnung zu nehmen und jetzt noch auf die Notbremse zu treten und nicht erst im Sommer oder Winter, wenn es dann wirklich zu spät ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Frau Abg. Haußmann das Wort.

Lieber Kollege Hoffmann, sehr geehrte Frau Ministerin! Das eine ist natürlich, die negativen Auswirkungen für das Land zu beklagen; das ist gar keine Frage. Aber ich wünschte mir dann schon, dass Sie sich auch in Berlin einmal auf die Hinterbeine stellen und gegen diesen Fonds und dessen Auswirkungen für Baden-Württemberg zu Felde ziehen. Der Personalrat der Stuttgarter Kliniken erhielt vom Staatsministerium aktuell mit Datum vom 25. Fe bruar 2008 einen Brief, in dem Herr Wicker in Vertretung des Ministerpräsidenten schreibt:

Letztlich musste das GKV-WSG aber im Wege eines politischen Kompromisses auf den Weg gebracht werden. Baden-Württemberg hat diesen Kompromiss mitgetragen, da ein Scheitern der Gesundheitsreform vor dem Hintergrund der Probleme in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu verantworten gewesen wäre.

Da wünschte ich mir schon, dass Sie Ihr politisches Gewicht in Berlin in die Waagschale werfen. Hier im Landtag herumzuheulen und zu sagen: „Oje, das geht alles mit uns heim“, reicht uns in diesem Fall nicht, Herr Kollege Hoffmann. Da wünschte ich mir dann schon, dass der Ministerpräsident nicht nur heiße Luft ablässt, sondern sich mit der Angie einmal an den Tisch setzt und unter vier Augen Tacheles redet und ihr

klarmacht, wie die Auswirkungen für Baden-Württemberg aussähen. Die Auswirkungen wären nämlich verheerend,

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Die redet mit Frau Schmidt! – Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU)

wenn dieser Fonds, den die CDU uns aufs Auge gedrückt hat, so kommen würde wie geplant.

(Beifall bei der SPD – Abg. Andreas Hoffmann CDU: Ulla Schmidt heißt die Gesundheitsministerin!)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen jetzt zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung der Anträge. Ich stelle nun den Änderungsantrag Drucksache 14/2401, mit dem eine Änderung des Antrags der Fraktion der CDU, Drucksache 14/1974, begehrt wird, zur Abstimmung. Dieser Änderungsantrag wurde von allen vier Fraktionen eingebracht.

Wer für diesen Antrag ist, der möge bitte die Hand heben. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist dem Antrag Drucksache 14/2401 einstimmig zugestimmt. Der Antrag Drucksache 14/1974 ist damit erledigt.

Tagesordnungspunkt 4 ist abgeschlossen.

Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der FDP/DVP und Stellungnahme des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum – EU-Weinmarktordnung – Drucksache 14/1518

Das Präsidium hat als Redezeit für die Begründung des Antrags fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion vorgesehen.

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich Frau Abg. Chef das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Plenum des Landtags von BadenWürttemberg hat sich auf Antrag der Fraktion der FDP/DVP bereits im Oktober 2006 mit der geplanten Reform der EUWeinmarktordnung befasst. Bereits damals war zu erkennen, dass die großen Weinbau betreibenden Bundesländer Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg mit den geplanten EU-Maßnahmen keineswegs einverstanden sein konnten. Wir haben gefordert, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Weinproduzenten zu verbessern, die Entscheidungskompetenzen weiter auf die regionalen Ebenen zu verlagern und eine klare Unterscheidung zwischen industrieller Weinproduktion und landwirtschaftlicher Weinbereitung herzustellen.

Alle Fraktionen im Landtag waren sich damals darüber einig, dass vonseiten der EU weniger Mittel zur Überschussbeseitigung bereitzustellen sind, dafür aber mehr Mittel für die Verbesserung der Erfassungs- und Vermarktungsstrukturen eingesetzt werden müssen. Meine Damen und Herren, für die FDP/DVP war es bereits zum damaligen Zeitpunkt wichtig, für unsere Winzer und Weinbauern gegenüber der EU ein ganz klares Zeichen zu setzen.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Position der FDP/DVP zur EU-Weinmarktordnung – wie sie damals diskutiert werden konnte – haben wir anlässlich der ersten Plenardebatte über dieses Thema eingehend dargelegt. Jetzt zeigt sich, dass unsere Argumente, aber auch unsere Bedenken und Sorgen zutreffend waren. Lieber Kollege Winkler, Sie haben damals am 12. Oktober 2006 ausweislich des Plenarprotokolls – ich habe es noch einmal nachgelesen –