Protocol of the Session on February 27, 2008

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Position der FDP/DVP zur EU-Weinmarktordnung – wie sie damals diskutiert werden konnte – haben wir anlässlich der ersten Plenardebatte über dieses Thema eingehend dargelegt. Jetzt zeigt sich, dass unsere Argumente, aber auch unsere Bedenken und Sorgen zutreffend waren. Lieber Kollege Winkler, Sie haben damals am 12. Oktober 2006 ausweislich des Plenarprotokolls – ich habe es noch einmal nachgelesen –

(Abg. Alfred Winkler SPD: Ich habe es im Kopf!)

erklärt, man könne „nicht annähernd sagen, was das Ergebnis einer Weinmarktordnung ist“, und uns damals empfohlen, unseren Antrag einzustampfen, abzuwarten und uns in dieser Sache in vier Jahren wieder zu treffen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wo treffen?)

Lieber Kollege Winkler, seit dem letzten Jahr ist viel geschehen. Nicht nur die FDP/DVP, sondern auch die Weinbau verbände, die Regierung und alle beteiligten Akteure waren durchgängig mit dem Thema beschäftigt.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Wir haben erste Ziele erreicht, die wir heute erörtern wollen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Nun will ich natürlich nicht so weit gehen, zu behaupten, die FDP/DVP habe die EU-Weinmarktordnung gerettet. Wir sind da bescheiden.

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Alfred Winkler SPD: Das ist sehr bescheiden! – Zuruf des Abg. Reinhold Pix GRÜNE)

Hätten wir damals allerdings Ihren Rat befolgt und untätig zugewartet, so wäre für den Weinbau in Baden-Württemberg und in unseren Nachbarbundesländern doch erheblicher Schaden entstanden.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: So ist es! – Zu- ruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Als besonders gravierend betrachte ich dabei, dass die Europäische Kommission ohne Beachtung der umfangreichen Diskussionsbeiträge aus den Mitgliedsstaaten ihren damaligen Ansatz einer Reform der gemeinsamen Marktorganisation für Wein nahezu unverändert verfolgt hat.

Meine Damen und Herren, noch im Oktober 2007 hat der Vertreter der EU-Kommission anlässlich des Weinbaukongresses der FDP/DVP-Fraktion im baden-württembergischen Landtag hier in diesem Plenarsaal die starre Haltung der Kommission beibehalten und verteidigt. Mehr Mittel für die Rodung von Rebland sollten nach Ansicht der Kommission zur Verfügung gestellt werden, um damit Überschüsse, die hauptsächlich in den Mittelmeerländern produziert werden, zu beseitigen. Was die Sache allerdings aus unserer Sicht vollends fragwürdig werden lässt, ist die Tatsache, dass die EU gleichzeitig den Anbaustopp innerhalb der EU beseitigen wollte und

damit einer ungehemmten Produktion Tür und Tor geöffnet hätte.

Meine Damen und Herren, wir wollen die Stärkung und Fortsetzung der qualitätsbezogenen Weinbauproduktion.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Karl-Wil- helm Röhm CDU)

Innerhalb der Europäischen Union sollen weniger Mittel für Überschussbeseitigung und Destillationsmaßnahmen, dafür aber wesentlich mehr Mittel für die Verbesserung der Erfassungs- und Vermarktungsstrukturen sowie der Verbraucherinformation bereitgestellt werden.

Ich habe an dieser Stelle bereits mehrfach betont: Zentrales Ziel einer EU-Weinmarktreform muss die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Weinbaus gegenüber den Drittländern sein. Wir haben stets gesagt: Wenn eine Zustimmung unsererseits gewünscht wird, dann kann dies nur geschehen, wenn keine Nachteile für den deutschen und den baden-württembergischen Weinbau entstehen.

Die bisherigen Beihilfen der EU haben zu einer Produktionsausweitung geführt, die am Markt nicht untergebracht werden kann. Das Anliegen der Kommission, noch weitere 2,4 Milliarden € für die Rodung von insgesamt 400 000 ha Rebland zur Verfügung zu stellen, ist nicht hinnehmbar. Wenn die EU jetzt auf die offensiven Produktions- und Vermarktungsstrategien der Weinbauregionen in Übersee mit einer Ausweitung der Zuschüsse reagiert, ist dies eindeutig der falsche Weg.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, heute wissen wir, dass erste Kompromisse – man könnte fast schon von einem ersten Durchbruch sprechen – hinsichtlich der Reform erzielt werden konnten. Von Erfolgen möchte ich zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht sprechen. Ich gehe davon aus, dass uns die Frau Staatssekretärin nachher die aktuellen Eckpunkte der bevorstehenden Reform im Einzelnen darlegen wird.

Erfreulich ist aus unserer Sicht, dass die geplante Rodungsfläche von 400 000 ha auf 175 000 ha Rebfläche und damit deutlich geschrumpft ist. Warum allerdings ein solches Rodungsprogramm in Deutschland überhaupt angeboten werden muss, könnten Sie uns nachher vielleicht noch erklären. Wir halten ein nationales Rodungsprogramm für überflüssig und schlichtweg für Geldverschwendung.

Weiteres in der nächsten Runde.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Karl-Wil- helm Röhm CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kübler für die Fraktion der CDU.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Guter Mann, der Kübler!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Chef, ich bedanke mich bei Ihnen. Sie haben genau die Positionen dargestellt, die un

ser Landwirtschaftsminister Peter Hauk und unsere Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch in der EU vertreten haben.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das ist einfach ei- ne gute Koalition!)

Wenn Sie dann von „wir“ reden, gehe ich davon aus, liebe Kollegin Chef, dass Sie die Landesregierung von BadenWürttemberg gemeint haben.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Ich finde den Zeitpunkt dieser Diskussion sehr gut. Auf EUEbene ist alles in trockene Tücher gebracht. Die Entscheidung wird in den nächsten Monaten getroffen. Ich meine, wir können in Baden-Württemberg mit diesem Kompromiss doch einigermaßen zufrieden sein, wenn man sieht, was im Jahr 2006 unser Ausgangspunkt war. Die lange Tradition unseres Weinbaus in Baden-Württemberg wird mit dieser neuen EU-Ordnung nicht zerstört, sondern in gewissen Bereichen ganz einfach gestärkt.

Wir haben den Entwurf aus dem Jahr 2006 komplett abgelehnt. Uns ist es auch gelungen, dass manches aus dem Entwurf herausgenommen wurde. Ich nenne nur drei Punkte: die Aufhebung des Anbaustopps, das Verbot der Verwendung von Saccharose und die bezeichnungsrechtlichen Regelungen, die für den Weinbau in Baden-Württemberg eine Katastrophe gewesen wären.

Der Großteil des bisherigen Budgets ist für Destillationsmaßnahmen verwendet worden. Auch dagegen sind wir gewesen. Wir sind eher der Meinung, dass ein Großteil des Budgets, das wir haben, in die Stärkung unserer Position im internationalen Wettbewerb gesteckt werden muss. Wir müssen uns neu aufstellen, auch was das Thema „Neue Welt“ betrifft. Die „Neue Welt“ schläft nicht, sie tut in diesen Bereichen auch etwas.

Ich möchte darauf hinweisen, dass den deutschen Weinbauern die Überproduktion nicht angelastet werden kann. Deshalb möchten wir da auch nicht mit ins Boot kommen und mit bestraft werden.

Die Weinmarktordnung hat folgende Grundlagen: Zum einen werden Qualitäts- und Anbauregeln festgeschrieben. Die Kenn zeichnung der Weine bleibt. Sie gibt den Investitionsrahmen und die Richtlinien für Fördermaßnahmen auf. Wir müssen aber darauf achten, dass bei der endgültigen Verabschiedung auch noch das Thema „Individuelle Bedürfnisse der einzelnen Länder“ aufgenommen wird. Dafür, dass wir in den vergangenen Jahren eine Überproduktion von über 20 Millionen Hektolitern hatten, sind wir in Baden-Württemberg und in Deutschland nicht verantwortlich und möchten deshalb dafür nicht mit bezahlen.

Wir fordern weiterhin einen nationalen Finanzrahmen, sodass alle Weinbaugebiete diese Rahmenbedingungen selbst ausschöpfen können. Stand der Dinge ist momentan, dass das Rodungsprogramm auf 430 Millionen € reduziert wurde – das ist richtig, Kollegin Chef – und dass die Anpflanzungsrechte gestrichen worden sind, was meines Erachtens auch ein Kompromiss war. Wir haben diesem Kompromiss nur deshalb zugestimmt, weil wir dadurch eine Ausnahme bei den Steilla

gengebieten erreichen konnten. Ich glaube, das ist für uns in Baden-Württemberg wichtig.

Unser Hauptziel für die deutschen und die baden-württembergischen Weinbauern ist aber zukünftig die weitere Verwendung von Saccharose,

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Zucker!)

auch wenn es hier kleine Einschränkungen im Prozentsatz der Anreicherung gegeben hat. Aber hier gibt es Ausnahmeregelungen für schlechte Jahre. Ich finde, damit können wir leben.

Lobenswert und für mich sehr wichtig war, dass das deutsche Weinqualitätssystem erhalten geblieben ist. Die Weinbauern aus meiner alten Heimat in Mundelsheim, die heute auf der Tribüne sitzen, werden das sicherlich sehr gern hören. Der Kollege Hollenbach wird das entsprechend weitergeben.

Für uns in Baden-Württemberg ist auch sehr wichtig, dass der Bereich Sekt- und Bocksbeutelschutz erhalten geblieben ist.

Das heißt unterm Strich: Die Tendenz zur Vereinheitlichung des Weinbaus widerspricht nicht mehr den Besonderheiten der Regionalität in unserem Land Baden-Württemberg. Wir haben das Thema Rodungsprämien unter diesem Aspekt geschluckt, und zwar vor allem auch deshalb, weil wir eine ganz klare Revisionsklausel im Jahr 2012 haben. Die Dinge, die bis dahin nicht so laufen, wie wir es wünschen, müssen wir nach der Evaluation im Jahr 2012 dann entsprechend ändern.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, die Unterhaltungen nach draußen zu verlegen.

Ich darf die restlichen Sekunden noch sprechen. Ich komme zum Schluss und sage Dank unserer Staatsekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch und unserem Minister Peter Hauk. Ohne ihre Unterstützung, ohne ihre Sach- und Fachkenntnis auch auf europäischer und auf deutscher Ebene hätten wir diesen Kompromiss, der für den Weinanbau in Baden-Württemberg, glaube ich, zukunftweisend ist, sicherlich nicht erreicht.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Das Wort erhält Herr Abg. Winkler für die Fraktion der SPD.