Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Innenministeriums – Zweite Startbahn am Stuttgarter Flughafen verhindern – Drucksache 14/1311
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung des Antrags fünf Minuten, in der Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Meine Damen und Herren, Herr Präsident! Der Geschäftsführer der Flughafen Stuttgart GmbH, Fundel, hat eine Anzeige geschaltet mit suggestiven Halbwahrheiten, indem er seinen eigenen Flughafen denunziert und für den Ausbau des Flughafens durch eine zweite Start- und Landebahn sowie für eine Verkürzung der Nachtflugbeschränkung wirbt. Ich muss klipp und klar feststellen: Verkehrspolitik machen der Landtag und die Regierung von Baden-Württemberg und macht nicht der Flughafengeschäftsführer.
Es ist in Ordnung, dass er als Geschäftsführer betriebswirtschaftliche Überlegungen anstellt, aber es kann nicht angehen, dass die Leitlinien der Verkehrspolitik von einem Flughafengeschäftsführer bestimmt werden, der die ganze Öffentlichkeit und uns vor sich hertreibt. Damit muss Schluss sein, Herr Ministerpräsident.
Zunächst ist festzustellen: Wir haben heute auf dem Flughafen eine Passagierzahl von grob zehn Millionen. Ohne dass der Flughafen mit einer zweiten Start- und Landebahn ausgebaut wird und ohne dass die Nachtflugbeschränkung verkürzt wird, kann der Flughafen in seiner Kapazität von zehn auf 14 Millionen Passagiere wachsen.
Das sind 30 % Wachstum. Ich finde, unter Klimagesichtspunkten ist eine solche Prognose schon schlimm genug, aber das muss nun wirklich reichen.
Wenn wir den Klimaschutz noch einigermaßen ernst nehmen wollen, kann es überhaupt nicht sein, dass wir, um Billigflieger zu subventionieren,
solchen Prognosen folgen, die Herr Fundel da aufstellt, mit einem Wachstum auf 17 Millionen Passagiere, wozu er eine zweite Start- und Landebahn und brutalerweise auch noch eine Verkürzung der Nachtflugbeschränkung braucht.
Die Filder sind die lärmgeplagteste Region des Landes. Wenn wir das, was wir gegenüber dem Züricher Flughafen dauernd fordern, um unsere eigene Bevölkerung vor dem Schweizer Fluglärm zu schützen, ernst nehmen, dann kann es nicht sein, dass es zu diesem Ausbau kommt.
Es kann auch nicht sein, dass eine Regierung, die sich zum Ziel gesetzt hat, den Flächenverbrauch auf null zu bringen, erneut einem Flächenverbrauch von 150 ha zustimmt.
Gut, rund 150 ha; wahrscheinlich sind es mehr, wenn man die ganzen Begrenzungen dazunimmt. Das kann auch gegenüber Landwirten, die dort etwas Wichtiges tun, nämlich den Gemüsegarten für Stuttgart zu erhalten, nicht sein.
Ich möchte noch einmal sagen: Die Kosten für dieses Projekt werden planmäßig 600 Millionen € betragen.
Dem steht ein minimaler wirtschaftlicher Nutzen gegenüber. Das hat der Bezirksparteitag der FDP sehr richtig festgestellt. Es kann nicht sein, dass wir so mit den Steuergeldern umgehen und riesige ökologische Belastungen sowie riesige Belas tungen für die Bevölkerung auf den Fildern für einen minimalen wirtschaftlichen Erfolg generieren.
Und schließlich: Wenn Flugzeuge schon gegenüber den anderen Verkehrsträgern massiv begünstigt werden, weil Fluggesellschaften keine Mineralölsteuer bezahlen und für Flüge außerhalb Deutschlands keine Mehrwertsteuer anfällt – Begüns tigungen, für die es überhaupt keine vernünftige Begründung gibt –, dann müssen wir doch wenigstens die Möglichkeiten nutzen, die wir strukturpolitisch haben, indem wir das durch die Planungshoheit, die wir haben, eingrenzen und indem wir verhindern, dass dieser Unfug des Billigfliegens weiterhin staatlich subventioniert wird.
Herr Fundel will unbedingt eine Verkürzung der Nachtflugbeschränkung um eine Stunde. Das ist ausschließlich für die Billigfluglinien gedacht,
Es kann nicht sein, dass wir einer lärmgeplagten Bevölkerung noch einmal eine Stunde Schlaf wegnehmen, nur damit die Leute früher nach Mallorca fliegen können.
Zusammenfassend kann man sagen, Herr Ministerpräsident: Dieser Flughafen hat – als Ökologe muss ich sagen: leider – Wachstumsmöglichkeiten in erheblichem Umfang. Die Klimaschädlichkeit ist nachgewiesen, und es ist evident, dass angesichts einer riesigen neuen „Lärmzigarre“ 200 000 Einwohner von Lärm betroffen wären. Das alles liegt auf der Hand. Ein wirtschaftlicher Nutzen ist nicht vorhanden, im Gegenteil: Die Billigflieger exportieren Wertschöpfung aus dem Land hinaus.
Ich fordere von Ihnen nun Entscheidungsfreude und Klarheit. Stellen Sie sich endlich einmal hin und sagen: „So wird es gemacht, und nicht anders!“ – wie es einem Ministerpräsidenten eigentlich geziemt und wie man es von ihm erwarten kann. Er soll das Land führen, ohne sich immer hinter drei Gutachtern zu verstecken.
(Ministerpräsident Günther Oettinger unterhält sich mit Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE an dessen Abgeordnetenplatz. – Heiterkeit)
Auch ich möchte eingangs auf die gestrige Zeitungsanzeige des Stuttgarter Flughafens eingehen, in der noch einmal mit Arbeitsplätzen argumentiert wurde. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie kann man denn für ein solches Projekt eine Anzeigenserie starten, in der auch noch falsche Angaben stehen? Dort stehen falsche Behauptungen.
Na gut. Aber zu solchen Anzeigen kann man nur sagen: Halbseidene Projekte brauchen halbseitige Anzeigen.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Heiterkeit – Zuruf des Abg. Jörg Döpper CDU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir stehen an einem Punkt, an dem wir uns entscheiden müssen, in welche Richtung die Verkehrspolitik in Baden-Württemberg gehen soll. Die Frage ist: Müssen wir alles zulassen, was wirtschaftlich richtig ist, oder muss die Politik da nicht irgendwann sagen: „Jetzt geht es nicht mehr“?