Protocol of the Session on November 29, 2007

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir stehen an einem Punkt, an dem wir uns entscheiden müssen, in welche Richtung die Verkehrspolitik in Baden-Württemberg gehen soll. Die Frage ist: Müssen wir alles zulassen, was wirtschaftlich richtig ist, oder muss die Politik da nicht irgendwann sagen: „Jetzt geht es nicht mehr“?

(Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Ja!)

In dieser Situation sind wir jetzt auf den Fildern. Wenn Sie das befürworten und 160 ha für eine weitere Start- und Landebahn

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: 180! – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

plus noch einmal 160 ha für Straßenbaumaßnahmen – wie der Herr Oberbürgermeister Klenk beim CDU-Parteitag in Esslingen gesagt hat; Herr Fundel hat selbst von einem Ausbau der Bundesautobahn, der B 27 und weiteren Straßenprojekten gesprochen – verbrauchen wollen, dann gibt es keine selbstständige Filderlandschaft mehr. Dann ist dies das Industriegebiet Stuttgart-Süd, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wenn man das will, muss man es auch sagen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Stefan Mappus CDU)

Jetzt will ich Ihnen noch etwas sagen: Ich glaube nicht, dass die Gesellschaft in Deutschland und Europa es länger zulassen kann – auch wir haben im Landtag hierzu schon mehrere Initiativen eingebracht –, dass keine Steuern auf Flugreisen erhoben werden. Dass die Bundesrepublik Deutschland des

wegen auf 1 Milliarde € Steuereinnahmen verzichtet, ist ja nur einer der Effekte.

Ich will Ihnen das einmal an einem Beispiel aufzeigen: Ein Flug von Stuttgart nach Mallorca und zurück kostet bis zum 18. Januar 2008 inklusive aller Steuern und Gebühren 54,81 €. Die Taxifahrt von Esslingen oder von Stuttgart-Hauptbahnhof zum Flughafen kostet 56 €. Es kann doch nicht sein, dass die se Taxifahrt zum Flughafen mehr kostet als der Hin- und Rückflug nach Mallorca.

(Zuruf des Abg. Stefan Mappus CDU)

Und wenn darauf jetzt Steuern erhoben würden entsprechend dem, was die Bundesregierung immer sagt, müsste jeder, der einen solchen Flug bucht, eine zusätzliche Steuerbelastung von 40 € tragen. Ich glaube, dass weder die Gesellschaft noch die europäische Politik die Steuerbefreiung länger zulassen können.

Ich glaube auch nicht, dass wir dies dem Klima zumuten können. Ich erwähne hierzu: Von einem Klimaforschungsinstitut in Großbritannien ist errechnet worden, dass bei einer weiterhin ungebremsten Entwicklung des Luftverkehrs im Jahre 2036 – das ist nicht mehr lange hin – allein vom Flugverkehr so viele Abgase verursacht werden, wie sie sich die EU laut eigenen Beschlüssen insgesamt zugestehen will. Das dürfen wir doch nicht zulassen!

Sie fragen immer nach der Alternative. Die Alternative sind Verlagerungen. Natürlich kann es Verlagerungen zum BadenAirport und zum Flughafen Friedrichshafen geben, vielleicht noch mehr, wenn man dort auch die Verkehrsinfrastruktur ausbaut. Aber Sie müssen doch einmal feststellen: Wir haben die Flughäfen Stuttgart, Söllingen, Kehl – mit 4 km Start- und Landebahn –, Straßburg, Basel/Mulhouse, Freiburg, Zürich, Friedrichshafen.

(Minister Willi Stächele: Kehl? – Abg. Stefan Map- pus CDU: Kehl? Wo haben Sie in Kehl eine Start- und Landebahn?)

Kehl hat 4 km Start- und Landebahn und will Passagierflüge.

(Zurufe: Lahr!)

Lahr. Was habe ich gesagt?

(Zurufe, u. a. Abg. Stefan Mappus CDU: Kehl!)

Der Kollege kennt sich aus. Es geht um Lahr. Es hat mich schon gewundert, warum die da nicht fliegen dürfen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Minister Willi Stächele: Redet über die Rheintalbahn und kennt die Gegend nicht!)

Jetzt sage ich Ihnen noch: Der Flughafen Memmingen wird ausgebaut. Ich habe gehört, auf rheinland-pfälzischer Seite soll der Flughafen Speyer ausgebaut werden. Damit sind wir also bei zehn Flughäfen – auf baden-württembergischem Gebiet oder direkt im Grenzgebiet zu Baden-Württemberg.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Darüber hinaus beträgt die Fahrzeit mit dem Zug zu den Flughäfen Frankfurt und – wenn alles ausgebaut ist – München nur eine Stunde. Wer kann denn da darauf kommen, in diesem verdichteten Gebiet für 600 Millionen € eine weitere Start- und Landebahn zu bauen, die dann zukünftig im Grunde genommen gerade einmal zusätzliche drei Millionen Fluggäste abfertigen kann?

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: 80 Millionen bei München und Frankfurt! – Zuruf des Abg. Karl Zim- mermann CDU)

Jetzt will ich Ihnen noch etwas sagen: Wenn Sie die Behauptungen des Flughafens Stuttgart akzeptieren, dass dieser Ausbau nicht mehr Lärm und nicht mehr Flächenverbrauch bedeute, dann können sie im Jahr 2018 mit der gleichen Argumentation auch die dritte Start- und Landebahn bauen. Hierfür ist ja schon eine Südbahn geplant. Wenn dann dort ein Abfertigungsgebäude hingebaut wird, dann könnte dort die dritte Start- und Landebahn gebaut werden.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das brauchen wir nicht!)

Was heißt da: „Das brauchen wir nicht“? Sie gehen doch davon aus, dass bis 2017 – – Und dann geht es doch weiter.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Nein, nein! – Abg. Winfried Scheuermann CDU: Dann können wir Paral lelverkehr machen!)

Nein, das können Sie nicht.

(Abg. Winfried Scheuermann CDU: Doch!)

Das können Sie nur dann machen, wenn Sie die mittlere Start- und Landebahn ausfallen lassen.

(Abg. Winfried Scheuermann CDU: Das ist ja der Sinn!)

Ach, das ist doch nicht der Sinn.

(Abg. Winfried Scheuermann CDU: Doch!)

Wenn Sie der Auffassung sind, dass der Stopp jetzt gemacht werden muss, dann müssen Sie den Stopp jetzt machen und dürfen keine zweite Start- und Landebahn zulassen. Es gibt kein Argument, das für die zweite Start- und Landebahn spricht. Da gilt auch nicht das Argument, dass Stuttgart dann in den Windschatten falle. Das stimmt überhaupt nicht.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Sehen Sie!)

Es stimmt auch überhaupt nicht, dass die Wirtschaft ohne eine zweite Start- und Landebahn geschädigt würde.

(Abg. Jörg Döpper CDU: Warten Sie doch die Ergeb- nisse ab!)

Jetzt komme ich zum zweiten Gutachten. Was wollen Sie denn von dem zweiten Gutachten?

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Genau das, was Sie jetzt sagen! – Weitere Zurufe)

Sie laufen in Ihrem Wahlkreis herum und sagen dort, eine weitere Luftverschmutzung und ein weiterer Flächenverbrauch dürfe nicht sein und die Landwirte sollten nicht verdrängt werden. Glauben Sie, dass Sie in einem zweiten Gutachten darüber hinaus noch irgendetwas geliefert bekommen?

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Doch, hoffent- lich!)

Sie werden doch Ihre Meinung nicht ändern. Was soll denn da noch herauskommen?

(Abg. Jörg Döpper CDU: Warten Sie es doch ab!)

Da wird nicht drinstehen, dass weniger Land verbraucht wird. Da wird nicht drinstehen, dass die Luftverschmutzung geringer sein wird.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Da steht gar nichts von dem drin, was Sie heute behandeln!)

Herr Kollege Zimmermann, wir sind der Auffassung, dass es dort nicht mehr geht, ob nun mit einem weiteren Gutachten oder ohne.

(Abg. Jörg Döpper CDU: Aber das muss man nicht heute entscheiden!)

Klar. Deswegen wollen wir heute entscheiden.

(Abg. Jörg Döpper CDU: Nein, das muss man nicht! – Minister Willi Stächele: Die SPD will Blindflug!)

Sie werden sehen: Beim Flughafen kriegen Sie dazu keine alternativen Möglichkeiten.