Meine Damen und Herren, der Umstand, dass mehr als 450 Stellungnahmen im Rahmen der öffentlichen Konsultation abgegeben wurden, und die Tatsache, dass wir uns heute mit dem Thema „Europäisches Arbeitsrecht“ befassen, zeigen, dass die Kommission ihr erstes Ziel erreicht hat, nämlich einen offenen Diskussionsprozess, und dies auch ohne dass es nun neue Richtlinien oder Verordnungsentwürfe geben würde – was ich übrigens sehr sympathisch finde.
Aber es wurde ein Prozess angestoßen, den es jetzt weiterzuverfolgen gilt. Die Kommission will die gewonnenen Erkenntnisse nutzen, um Analysen zu verfeinern und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedsstaaten zu verbessern. Auch Deutschland sollte sich weiterhin an diesem in Gang gesetzten Prozess beteiligen und versuchen, daraus einen Mehrwert zu ziehen. Dabei werden zumindest wir in Baden-Würt temberg, lieber Kollege Wolf, allerdings auch künftig mit Argusaugen darauf achten, dass die EU beim Arbeitsrecht den Subsidiaritätsgrundsatz und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auf Punkt und Komma respektiert.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Als Antragsteller darf ich feststellen, dass es wichtig ist, auch im Landtag von Baden-Württemberg dieses Thema zu diskutieren. Ich bin der Meinung, wir sollten auch künftig dafür sorgen, dass Initiativen der Europäischen Union, gerade wenn wir sie kritisch betrachten, auch Gegenstand unserer Debatten hier sind. Wir wollten mit unserem Antrag einen Beitrag dazu leisten, dass es hier im Landesparlament diskutierbar wird, weil es die Menschen in unserem Land, die Betriebe, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer direkt betrifft.
Zweiter Punkt: Frau Kollegin Sitzmann, ich habe mich über Ihre klare Aussage hier gefreut. Die FDP fordert seit fast 40 Jahren, in der Bundesrepublik ein einheitliches Arbeitsrecht zu schaffen.
(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Da gab es die Grünen noch nicht! – Abg. Jürgen Walter GRÜ- NE: Wie lange haben Sie da schon regiert?)
Ein herzliches Dankeschön an die Landesregierung, hier vertreten durch Herrn Staatssekretär Hillebrand, für die Stellungnahme und auch für die Position, die hier vertreten wird: klare Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips, kein Regelungsbedarf auf europäischer Ebene. Der einzige kleine Unterschied besteht offensichtlich in der Frage, ob das Grünbuch notwendig war. Wir wissen, dass die Europäische Kommission diese Grünbücher oft als Trojanisches Pferd nutzt, als Einfallstor, um dann eine europäische Gesetzgebung einzuleiten. Hier hat die entsprechende Resonanz, der Widerstand der Mitgliedsstaaten und der Interessensgruppen dafür gesorgt, dass die EU das sein lässt. Sie sollte es auch weiterhin sein lassen.
Wir sollten dann für die bundesrepublikanische Diskussion doch noch herausfiltrieren: Wir haben Vielfalt in Europa bei 27 Mitgliedsstaaten. Es gibt Mitgliedsländer, die ein flexibleres Arbeitsrecht haben. Länder wie z. B. Österreich haben Abfindungsregelungen, die es wesentlich erleichtern, im Falle einer Krise, wenn Menschen entlassen werden, zu einer Abfindung zu kommen. Da ist es nämlich gesetzlich geregelt. In Irland und Großbritannien wird eine klare, liberale Wirtschaftspolitik betrieben. Dort sind die Arbeitslosenquoten niedriger als in der Bundesrepublik, und die Löhne sind höher, und die Lohnsteigerungen sind höher, meine Damen und Herren. Das sollte man in einer Zeit, in der viel über Mindestlöhne und Ähnliches diskutiert wird, auch einmal sagen.
Man sollte sich nicht beklagen, dass in Deutschland die Löhne hinter dem internationalen Maßstab hinterherhinken, sondern man sollte sich erkundigen, wie es die Länder machen, die ein höheres Wirtschaftswachstum haben, die eine liberale, flexible Wirtschaftspolitik betreiben wie z. B. Irland und Großbritannien. Da wird Wachstum erzeugt. Das sollte uns ein Vorbild sein auch für die bundesrepublikanische Diskussion.
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich gehe davon aus, dass der Antrag durch die Aussprache erledigt ist. – Sie stimmen dem zu. Es ist so beschlossen.
Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Staatsministeriums – Das EU-Beihilfeverfahren und seine Folgen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk – Drucksache 14/1307
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung des Antrags fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! In keinem anderen europäischen Land sieht sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk so sehr den Angriffen der kommerziellen Medienindustrie ausgesetzt wie in unserem Land.
Es gibt keine Gelegenheit, die ausgelassen wird, bei der der VPRT sich nicht massiv zu Wort meldet und sich in vielen Fällen gleich an die EU-Kommission wendet. Da wird die Frage aufgeworfen: Darf der öffentlich-rechtliche Rundfunk das digitale terrestrische Fernsehen einrichten? Gehören Onlineangebote zu seinem Auftrag? Wie transparent sind seine kommerziellen Tätigkeiten? Und vor allem: Was darf der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seinen Gebühren machen?
Deshalb sah sich die Kommission herausgefordert, zu prüfen, ob die deutschen Rundfunkgebühren als verbotene staatliche Beihilfe anzusehen sind oder nicht. Hintergrund sind sich widersprechende Auffassungen. Auf der einen Seite steht das Amsterdamer Protokoll, das den Rundfunk als Kulturgut definiert und folglich dessen Organisation in die Verantwortung der Nationalstaaten legt. Auf der anderen Seite steht die Auffassung, dass der Rundfunk insgesamt zum Wirtschaftsgut gehört und insofern also unter das EU-Wettbewerbsrecht fällt.
Es ist nun mit den vereinten Kräften der Bundesländer und der öffentlich-rechtlichen Anstalten gelungen, einen Kompromiss zu finden. Nach wie vor ist die EU-Kommission zwar der Auffassung, dass Rundfunkgebühren und die Finanzierungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als staatliche Beihilfen anzusehen sind. Aber sie verzichtet auf die weitere Verfolgung, wenn bestimmte sogenannte zweckdienliche Maßnahmen ergriffen werden.
Vor allem die Zulässigkeit neuer digitaler Angebote ist in einem dreistufigen Verfahren zu klären. Die Landesregierung beschreibt in ihrer Stellungnahme das Verfahren, aber um die Beantwortung der eigentlichen Frage drückt sie sich geflissentlich herum, nämlich:
Soll der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in einer digitalen Welt weiter präzisiert werden oder nicht?
Bei jeder Gelegenheit ruft der private Sektor nach einer Definition des Auftrags. Ich frage den zuständigen Minister, was nach seiner Auffassung eigentlich der Auftrag des öffentlichrechtlichen Rundfunks ist.
Es gibt hier in der Diskussion zwei Pole, sehr geehrter Herr Kollege Kluck. Die einen – das sind vornehmlich die kommerziellen Medienveranstalter – möchten den Auftrag auf digitalen Plattformen auf das beschränken, was die Privaten nicht zu leisten vermögen. Das würde dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Oktober 2007 widersprechen. Die
anderen sagen: Mit den Rundfunkgebühren der Allgemeinheit ist ein gewaltiges öffentliches Programmvermögen gewachsen, das im öffentlichen Eigentum steht, und damit auch ein gewisses Recht der Gebührenzahler, dieses Programm, auf welchen Plattformen auch immer, angeboten zu bekommen. Das wiederum würde – das räume ich gern ein –, wenn es wörtlich genommen wird, sämtliche Übertragungswege verstopfen und die Funktionsfähigkeit des dualen Systems massiv beschädigen.
Nun sind die Möglichkeiten der Selbstregulierung und Kontrolle durch das Dreistufenverfahren weiterentwickelt worden. Das betrifft einmal den Fakt, dass die Gremien künftig entscheiden werden, was ihr Rundfunk leisten darf, welche Angebote er neu entwickeln darf. Dann wird in der zweiten Stufe Dritten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. In der dritten Stufe prüfen die Länder das Angebot im Rahmen der Rechtsaufsicht.
Wenn das so umgesetzt wird, dann hat das mindestens in zweierlei Hinsicht Konsequenzen. Da ist einmal die Konsequenz, dass die Gremien gestärkt werden müssen, dass sie Akzeptanz finden müssen und dass man aufhören muss, ihnen zu unterstellen, sie würden immer nur nach der Pfeife des Intendanten handeln.
Es hat vor allem, Herr Minister Stächele, auch die Konsequenz, dass Sie sich öffentlich dazu bekennen, dass es künftig Sache der Selbstbeschränkung und der Selbstregulierung der Anstalten sein wird, über die Angebote zu bestimmen, die auf digitalen Plattformen stattfinden dürfen. Dann muss eigentlich Schluss sein mit Ihrer immer wieder öffentlich geäußerten Meinung, man müsse dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk Schranken setzen. Ich zitiere aus einer Presseerklärung von Ihnen vom 2. August 2007 in der „Südwest Presse“. Die Überschrift lautet: „Stächele will Schranken setzen“.
Die mit „Zwangsgebühren“ finanzierten Sender aber „dürfen“ die Privaten nicht an die Wand drücken. Es darf keine Schieflage geben. Stächele erhofft sich Hilfe vom Bundesverfassungsgericht,
bevor es darum geht, ob und welche Grenzen die zuständigen Bundesländer den Rundfunkanstalten setzen.
Nun hat das Bundesverfassungsgericht Ihnen diesen Gefallen nicht getan. Die Folge wäre eigentlich, dass Sie jetzt auch gegenüber der privaten Medienlandschaft eindeutig sagen müss ten, dass die Rundfunkanstalten und ihre Gremien, die zu stärken sind, künftig selbst über dieses Angebot entscheiden.
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie dies jetzt endlich auch einmal öffentlich erklären würden. Denn das ist eigentlich die Folge dieser Entscheidung, dieses Spagats zwischen Brüssel und dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Ich hoffe, dass ich dazu etwas von Ihnen hören werde.