Protocol of the Session on July 26, 2007

Doping war bisher möglich, meine Damen und Herren, weil wir ein Kartell des Schweigens hatten. Ärzte, Apotheker, Funktionäre, die Pharmaindustrie und wohl auch so mancher Politiker haben nicht gern hingeschaut oder nicht so genau hingeschaut, weil man sich gern im Lichte der Volkshelden der Moderne gesonnt hat.

Jetzt aber müssen wir hinschauen. Wir können nur dann weiterhin finanzielle Unterstützung für den Sport gewähren, wenn klar ist, dass es sich um einen sauberen Sport handelt. Längst hat das Publikum doch begriffen, dass diese „schönste Nebensache der Welt“ ein Geschäft mit mafiösen Strukturen ist. Doping ist ein Milliardengeschäft, meine Damen und Herren. Man schätzt, dass allein mit EPO 15 Milliarden Dollar pro Jahr verdient werden. Zugleich schätzt man, dass dieses Me

dikament nur mit einem Volumen von 1,5 Milliarden Dollar aufgrund von Verschreibungen über Apotheken umgesetzt wird, das heißt für medizinische Zwecke eingesetzt wird.

Daraus folgt, Herr Minister: Sie müssen endlich eine klare Haltung einnehmen. Dazu gehören erstens das Bekenntnis zu einem sauberen Sport und zweitens keine weitere Unterstützung von unsauberen sportlichen Wettbewerben.

Drittens: Wir fordern eine umfassende Aufklärung der skandalösen Vorgänge an der Uniklinik in Freiburg. Es ist ein Treppenwitz, dass die Kommission, die im Mai eingesetzt wurde, am 15. August mit der „schnellen Aufklärung“ des Skandals beginnt. Da sind schon drei Monate ins Land gegangen, bis diese Kommission zum ersten Mal zusammentritt.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Gundolf Fleischer CDU: Eine Kommission haben wir längst!)

Ebenso wollen wir – viertens – wissen, wie in den Leistungszentren und Olympiastützpunkten im Land mit Doping umgegangen wurde.

Fünfter Punkt: Prävention muss in den Schulen und Vereinen ein zentrales Thema sein.

(Abg. Gundolf Fleischer CDU: Er hat keine Ah- nung!)

Sechster Punkt: Sie müssen mit allen rechtsstaatlichen Mitteln dafür sorgen, dass der Handel mit dopingrelevanten Substanzen unterbunden wird. Sie müssen auch die Rolle der Pharmaindustrie stärker beleuchten, wenn offensichtlich 90 % des EPO für Dopingzwecke genutzt werden.

Jetzt argumentieren Sie und Ihr Ministerium – ich weiß nicht, warum –, dass man keine Schwerpunktstaatsanwaltschaften brauche. Sie sagen, es lägen keine Anzeigen vor, und das bringe doch gar nichts. Wollen Sie denn noch ernsthaft behaupten, Herr Minister, dass in dieser Frage kein Anfangsverdacht vorläge? Damit ist die Legitimation eines Eingreifens der Staatsanwaltschaften doch gegeben.

Sind Sie weiterhin der Meinung, dass es angesichts der gesamten Entwicklung nicht notwendig wäre, in den Staatsanwaltschaften Spezialisten auszubilden? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Herr Rau. Damit beweisen Sie und die gesamte Landesregierung, dass Sie die Dimension dieses Problems noch nicht einmal ansatzweise begriffen haben. Dabei räumen Sie doch ein, dass in großem Stil mit Dopingmitteln gehandelt wird und dass nur ein kleiner Bruchteil der Fälle aufgedeckt wird. Wer sollte denn hier auch wen anzeigen? Soll Jan Ullrich Bjarne Riis anzeigen? Soll Rasmussen Contador anzeigen? Glauben Sie, dass innerhalb dieses Systems einer den anderen anklagt? Das glauben Sie doch selbst nicht.

Sie räumen ein, dass es kein verlässliches Bild über die Anzeigen gibt. Sie räumen ein, dass Sie keine diesbezüglichen Informationen haben. Nun gehören auf Ihrer Seite des Hauses ja viele zu den großen Fans von Wolfgang Schäuble. Ich will Ihnen einmal vorlesen, was er in der „Süddeutschen Zeitung“ zu Ihrer Haltung gesagt hat:

So glaube ich auch an die Wirksamkeit von Schwerpunktstaatsanwaltschaften in den Justizverwaltungen der Länder, was aber nicht meine Entscheidung ist.

Weiterhin sagt er – und da sollen die Schäuble-Fans wirklich gut zuhören, wenn sie es mir schon nicht glauben –: Die Verfahren wegen Handels mit Dopingmitteln

könnten noch zahlreicher werden, wenn, wie in anderen Bereichen, Schwerpunktstaatsanwaltschaften gebildet werden.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Deshalb, Herr Rech und Herr Rau: Welche Argumente brauchen Sie noch? Es ist doch klar, dass alle Fachleute dieser Auffassung sind. Die Rechtskommission des Sports gegen Doping sagt dies und die Kommission, die Sie innerhalb der Schulministerkonferenz eingesetzt haben. Die Antidopingexperten sprechen sich doch auch für Schwerpunktstaatsanwaltschaften aus. Alle fordern das, nur die baden-württembergische Landesregierung meint, das funktioniere nicht. Sie müssen der Öffentlichkeit einmal erklären, warum Sie hier so nachlässig handeln.

Deshalb das Fazit, meine Damen und Herren: Diese Landesregierung bagatellisiert Doping immer noch. Sie geht nicht massiv gegen die Doper vor. Sie negiert bisher, dass dieser Sport tatsächlich eine Denkpause braucht. Ich kann Ihnen sagen, wo das enden wird, nämlich auf der Witzebene. Denn irgendwann wird man fragen: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen dem Corleone-Clan in Sizilien und dem Radsport? Die Antwort wird heißen: Der Corleone-Clan hat einen Ehrenkodex. Aber den hat der Radsport offensichtlich nicht mehr.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Brunnemer.

(Zuruf von der CDU: Bring mal Sachlichkeit in die Diskussion!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Walter, was Sie heute aufgetischt haben, war wieder einmal mehr über das Thema geredet, aber nichts ausgesagt. Das Sportland Baden-Württemberg hat es nicht verdient, dass Sie so undifferenziert über den Leistungssport herziehen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von der CDU: Bravo! – Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Die CDU-Fraktion verurteilt aufs Schärfste, dass Sie den Sport und die Sportmedizin unter Generalverdacht stellen. So diffamieren Sie den Sport als Ganzes und treffen den ganz überwiegenden Teil der Athleten, die nichts, aber auch gar nichts mit diesem üblen Betrug am Sport zu tun haben. Das ist nicht nur eine Ohrfeige für die vielen ehrlichen und rechtschaffenen Sportler. Es ist auch eine Unverschämtheit gegenüber den vielen Trainern und Betreuern im Land.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Jürgen Wal- ter GRÜNE)

Meine Damen und Herren, im Hinblick auf die Rad-WM in Stuttgart bin ich gespannt, wie sich die Radsportverbände verhalten werden. Ich gehe davon aus, dass klare Vereinbarungen

aller Beteiligten getroffen werden müssen. Sollte das nicht möglich sein, wäre es vielleicht wirklich besser, dem Profiradsport erst einmal Zeit zur Selbstreinigung zu geben.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Sehr richtig!)

Fast täglich, sogar fast stündlich hört man, dass bei der Tour de France gedopte Athleten aus dem Rennen genommen werden. So machen geldgierige Profiradsportler weltbekannte Sportveranstaltungen zur Farce.

(Zuruf des Abg. Winfried Scheuermann CDU)

Meine Damen und Herren, wir müssen ein für allemal feststellen: Doping ist Betrug. Es ist Betrug an Sportkameraden und Mitstreitern, an den Zuschauern, an der Öffentlichkeit und vor allem auch am Sportler selbst. Er gefährdet seine Gesundheit, und – was auch sehr schlimm ist – Doping gefährdet die ethischen und moralischen Werte des Sports.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Reinhold Gall SPD)

Die konsequente Bekämpfung des Dopings auf nationaler und internationaler Ebene, die unnachgiebige Verfolgung und Ahndung von Dopingverstößen ist deshalb unverzichtbar für den Erhalt der Glaubwürdigkeit des Sports und seiner Grundwerte.

Blauäugig wäre es nun, zu denken: Wir machen ein Gesetz, und dann ist Doping kein Problem mehr. Doping bedarf der breit angelegten und gemeinsamen Bekämpfung durch Politik, Sport, Justiz, Wirtschaft, Medien und Sponsoren und nicht zuletzt durch die ganze Gesellschaft.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Eben! Man muss die Voraussetzungen schaffen! – Abg. Reinhold Gall SPD: Was macht die Politik?)

Solange wir die Sensationsgier nach immer schneller, höher, weiter haben, so lange sind Sportler in Gefahr, zu Dopingmitteln zu greifen. Wir sollten uns schon die Frage stellen: Wo ist der olympische Gedanke geblieben, dass die Teilnahme wichtiger als der Sieg ist?

Meine Damen und Herren, hüten wir uns vor vorschnellen politischen Forderungen an den Staat. Der Staat allein kann das Problem nicht lösen. Wir brauchen das Zusammenwirken aller. Dopingmissbrauch muss gezielt und auch durch strafrechtliche Maßnahmen bekämpft werden. Dazu hat der Bund jetzt ein Gesetz auf den Weg gebracht. Das ist ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings.

Das schärfste Schwert aber hat der Sport selbst. Nur der Sport kann bei Verdacht sofort den Sportler sperren. Er kann sofort reagieren und sanktionieren.

Staatsanwaltschaften sind an das Legalitätsprinzip gebunden. Sie dürfen nur dann tätig werden, wenn hinreichend Anhaltspunkte für eine Straftat bzw. konkrete Anzeigen vorliegen. Solange dies nicht der Fall ist, kann auch eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft nicht tätig werden. Erst eine große Fallzahl mit hoch kompliziertem Aufklärungsbedarf rechtfertigt eine

Schwerpunktstaatsanwaltschaft. Dies liegt im Moment nicht vor.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Natürlich!)

Sollte dies einmal der Fall sein, müssten wir darüber reden.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Was muss denn noch vor- liegen? – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Schäuble le- sen! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Schäuble!)

Ich jedenfalls halte Ihre Forderung, Herr Walter, im Moment für puren Aktionismus.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Ja, das weiß ich! Schäuble lesen! Ich kopiere Ihnen die Aussagen von Schäuble, wenn Sie es nicht glauben!)

Wir sind auf dem richtigen Weg, wenn Staat und Sport gemeinsam handeln. Dazu gehört ein gut funktionierendes Kontrollsystem zur Überwachung des Trainings und des Wettkampfbetriebs.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Die entziehen sich doch!)

Daher ist es wichtig und richtig, dass die NADA mehr Geld bekommt – mehr Geld vom Bund, vom DOSB, von der Wirtschaft und von den Ländern.

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Baden-Württemberg hat als erstes Bundesland beschlossen, die NADA jährlich mit 50 000 € zu unterstützen.