Protocol of the Session on July 25, 2007

Für die Fraktion GRÜNE erhält Herr Abg. Walter das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch gute Ideen haben viele Feinde, wie wir in den letzten Wochen und Monaten feststellen konnten. Statt gemeinsam das Beste aus dieser guten Idee zu machen, haben wir einen Markt der Eitelkeiten gehabt. Kollege Palmer, vom harmonischen Dreiklang war zumindest in der Vorbereitung dieser Theaterakademie in den seltensten Fällen irgendetwas zu spüren.

Es wurde – darauf haben Sie zu Recht hingewiesen – um den Standort gefeilscht. Es hat sich gezeigt, dass für manchen in Stuttgart regionales Denken heißt, dass alles, was es gibt, auch nach Stuttgart kommen muss. Dabei hätte diese Akademie der Startschuss für ein neues regionales Denken sein können – auch darauf hat Kollege Palmer hingewiesen. Aber man muss sagen: „hätte sein können“; denn leider ist das Gegenteil der Fall. Es wurde nicht nur um den Standort gefeilscht, sondern es wurde auch um die Leitung gefeilscht. Öffentlich wurde die ausgesuchte Leiterin desavouiert, obwohl die Stelle so ausgeschrieben war, dass es hier um eine Doppelbesetzung geht. Trotzdem wurden jetzt – wenn auch aus einer anderen Richtung als vorher – wieder Pfeile abgeschossen.

Offensichtlich befürchtete man auch eine zu hohe Konzentration an Macht in der Musikhochschule. Das war wohl mit der Grund, dass man hier gegen diese Kandidatin öffentlich und hinter den Kulissen vorgegangen ist. Da ist es doch verständlich, dass Frau Kötz keine Lust mehr hatte, dieses Spiel mitzuspielen.

Fast ungläubig musste das staunende Publikum zur Kenntnis nehmen, welches Spiel hier aufgeführt wurde. Teilweise hat

te ich den Eindruck, dass auch das Ministerium mehr Be obachter als treibende Kraft war, um das zu verhindern.

Dabei – Kollege Birk, Sie haben hier wirklich keine dankbare Aufgabe gehabt; das muss man Ihnen einfach attestieren – war von vornherein klar: Es handelt sich hier um vermintes Gelände. Zu viel ist schon in der Öffentlichkeit diskutiert worden. Ich denke, man hätte hier anstelle des Ministeriums schneller und aktiver die verschiedenen, oft konkurrierenden Einrichtungen an einen Tisch bringen und die Sache vorantreiben müssen.

Aber ich glaube – und das meine ich wirklich ernst –, die Landesregierung wird offensichtlich in diesen kulturellen Kreisen – vielleicht auch bedingt durch Vorfälle in den letzten Monaten – nicht mehr ganz ernst genommen.

(Zuruf: Oh!)

In früheren Zeiten, zu Zeiten eines Hannes Rettich, wäre ein Ministerium nicht von einzelnen eitlen Personen so vorgeführt worden.

Jetzt haben wir, meine Damen und Herren, noch ein Novum: Wir haben zu einem Gesetzentwurf einen Entschließungsantrag. Das zeigt ja schon, dass das Ganze noch etwas auf wackligen Füßen steht. Es ist leider noch nicht in trockenen Tüchern, Herr Kollege Palmer. Wir wissen immer noch nicht, ob es tatsächlich zu einer Zusammenarbeit mit der Musikhochschule kommt. Wir sind uns da mit dem Ministerium und allen anderen Fraktionen einig: Diese Zusammenarbeit muss kommen. Das ist eigentlich auch die Grundvoraussetzung für unsere Zustimmung.

Es wäre doch – nicht nur mit Blick auf den regionalen Gedanken – unsinnig, 15 km von Stuttgart entfernt noch eine Schauspielschule aufzubauen, obwohl man hier in Stuttgart eine wohl funktionierende Schauspielschule hat. Das wäre doch den Menschen im Lande nicht zu vermitteln. Auch wenn in diesem Fall der Landeshaushalt nicht direkt berührt wäre, so würde doch wieder öffentliches Geld in die Hand genommen, weil sich manche Menschen nicht auf eine Zusammenarbeit einigen können. Das gilt es in den nächsten Wochen zu verhindern.

(Beifall bei den Grünen)

Wir werden diesem Gesetzentwurf zustimmen. Schon am Freitag soll in Ludwigsburg der Baubeginn erfolgen, und es wäre natürlich unsinnig, jetzt das Verfahren noch einmal hinauszuziehen. Aber wir haben – das haben wir auch im Ausschuss schon zur Sprache gebracht – Erwartungen an die Landesregierung, nämlich dass man alle Institutionen an einen Tisch bringt. Ich würde einmal sagen, dass sich das Angebot von der Musikhochschule, das jetzt vorliegt, vernünftig anhört. Wenn wir auf dieser Basis weiterverhandeln, dann werden wir eine Kooperation bekommen. Da bin ich guter Dinge. Aber da sollte jetzt wirklich niemand mehr querschießen.

(Zuruf der Abg. Helen Heberer SPD)

Wir werden durch diese Akademie ein zusätzliches Profil bekommen. Jungen Schauspielern wird die Möglichkeit gegeben, sich für ihren Beruf auf der Bühne und vor der Kamera vorzubereiten. Wir sollten nun alles daransetzen, dass man aus

dem hervorragenden Image, das die Filmakademie überall genießt, und dem hervorragenden Image, das das Staatstheater und auch die Musikhochschule Stuttgart überall genießen, etwas strickt, was dieses hervorragende Image noch verstärkt. Damit wäre der ganzen Region und dem ganzen Land BadenWürttemberg mehr gedient als mit diesem kleinkarierten Hickhack, den wir in den letzten Monaten erleben mussten. Allerdings funktioniert das nur, wenn jetzt endlich alle an einem Strang ziehen.

Wir hoffen auch, Herr Staatssekretär – das habe ich auch im Ausschuss schon gesagt –, dass es gelingen wird, möglichst schnell eine neue Leitung zu benennen, und dass die neue Leiterin bzw. der neue Leiter in die Konzeption und in die Vorbereitung der Theaterakademie voll integriert werden kann, damit es nicht schon wieder zu neuen Missstimmungen kommen kann. Wir hoffen, dass das Vorspiel kein Vorgeschmack auf das war, was wir dann an der Akademie werden erleben müssen, nämlich schwäbische Trauerspiele oder was auch immer dort gegeben wird. Das wäre sicherlich ein schlechter Auftakt. Aber jetzt sind wir einmal guter Dinge, dass Sie diesen neuen Leuchtturm, wie es hier bezeichnet wurde, auch tatsächlich installieren und dass wir uns am Freitag beim Baubeginn sehen werden.

(Beifall bei den Grünen)

Für die Fraktion der FDP/DVP erhält Herr Abg. Bachmann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung und die Koalition wollen in Sachen darstellende Kunst einen Quantensprung in die Wege leiten. Dabei steht außer Frage, dass wir in vielen Disziplinen schon an der Spitze stehen. Die Arbeit des wenige Meter von hier entfernt spielenden Balletts genießt seit Jahrzehnten höchste internationale Anerkennung. Auch bei der Staatsoper haben wir uns an die Würdigung als „Oper des Jahres“ schon fast gewöhnt. Jetzt hat auch das Schauspiel mit der Auszeichnung „Theater des Jahres“ in die Liga der Jahresbesten aufgeschlossen.

Als Zuschauer und als Beobachter der Szene kommt man zu dem Schluss, dass die Ausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, deren 150-jähriges Jubiläum wir in diesem Jahr feiern durften, so schlecht gar nicht sein kann. Kein Geringerer als Harald Schmidt hat bewiesen, dass die Schauspielausbildung in Stuttgart Erfolgen im Fernsehen offenbar nicht abträglich ist.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Na ja!)

Warum also eine Akademie für Darstellende Kunst mit Kos ten, die sich von 2007 bis 2013 auf jährlich mindestens 2 Millionen € belaufen? Warum Geld aus Zuschüssen an die bestehenden Hochschulen und Akademien abziehen, warum die Gefahr in Kauf nehmen, dass die bei bestehenden Einrichtungen erreichte Qualität durch diesen Aderlass vielleicht gefährdet wird? Die Antwort ist ganz einfach: Ohne die neue Akademie ist der geplante Quantensprung nicht zu erzielen.

Ich zitiere aus der Zielsetzung des Gesetzes:

In allen Studiengängen soll eine Verknüpfung mit der Filmausbildung erfolgen, die es so bisher in Deutschland nicht gibt.

Das ist der Kern, das ist das Neue an dem Projekt. Aufbauend auf der hier in Stuttgart erreichten Spitzenstellung im Bereich des Schauspiels soll nun auch im Bereich des Films in Ludwigsburg eine Spitzenstellung erreicht werden.

Das war die Ausgangslage im April. Zwischenzeitlich hatte der Hochschulrat der Musikhochschule Stuttgart allerdings beschlossen, aus dem Projekt auszusteigen – das wurde schon angesprochen. Später hat der Hochschulrat diesen Beschluss relativiert; jetzt sieht es ganz ordentlich aus. Heute behandeln wir das Gesetz abschließend, das gegenüber der im Ausschuss einstimmig verabschiedeten Fassung keine Änderungen aufweist. In dieses Gesetz ist die Stuttgarter Schauspielschule ausdrücklich einbezogen.

Mit dem Ihnen vorliegenden Entschließungsantrag zeigen die Fraktionen von CDU und FDP/DVP den weiteren Weg auf. Theoretisch gibt es drei Optionen.

Option A: Die Akademie für Darstellende Kunst wird in der ursprünglich vorgesehenen Form mit der Musikhochschule Stuttgart verwirklicht. Das ist das im Gesetzentwurf vorgesehene Modell, und das ist immer noch das mit Abstand beste Modell.

Option B: Die Stuttgarter Schauspielschule wirkt nicht an der Akademie mit. Ohne Schauspieler ist die Akademie aber nicht zu verwirklichen. Deshalb würde an der neuen Akademie ein völlig neuer eigener Studiengang Filmschauspiel eingerichtet, der sich eindeutig vom vorhandenen Studiengang Schauspiel der Musikhochschule Stuttgart unterscheiden muss. Auch dies wäre ein guter Weg. Schauspieler brauchen zwar, egal ob auf der Bühne oder beim Film, gewisse Grundfertigkeiten für beide Bereiche. Ab einem gewissen Niveau unterscheiden sich Film und Schauspiel aber dramatisch. Während beim Film die Mikrofone auch die ganz leisen Töne

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Wie bitte?)

dem Zuschauer perfekt nahebringen, ist auf der Bühne für die hinteren Zuschauerreihen Sprachgewalt

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

gefragt. Während auf der Bühne die Zuschauer ab der dritten Reihe die Mimik der Schauspieler kaum noch erkennen, zoomt die Kamera jeden noch so feinen Augenaufschlag ins Bild.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Helen Heberer SPD – Unruhe)

Deshalb ist die Option B für die Fraktion der FDP/DVP ein durchaus gangbarer Weg, der eines vermeidet – und dies wollen wir ja alle mit Nachdruck vermeiden –: zwei Schauspielschulen für die Bühne in wenigen Kilometern Entfernung auf Kosten der Steuerzahler.

Theoretisch gäbe es auch Option C: Das Projekt scheitert. Das will in diesem Haus aber niemand, und die Koalition kann das schon deshalb nicht wollen, weil das Projekt in unserem Koalitionsvertrag verankert ist. Wir wollen es aber nicht nur aus Vertragstreue, sondern wir wollen es auch aus Überzeugung. Wir wollen, dass Baden-Württemberg in Sachen darstellende Kunst den geplanten Quantensprung in die Tat umsetzt. Wir trauen Staatssekretär Dr. Birk und seinem Team zu, einmal

mehr zu beweisen, dass man in Baden-Württemberg alles kann außer Hochdeutsch – und unsere Schauspieler können am Ende sogar das.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Manche kön- nen aber auch kein Schwäbisch!)

Für die Landesregierung erhält Herr Staatssekretär Dr. Birk das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich feststellen, dass mancher hier im Parlament durchaus auch das Zeug hätte, an dieser Theaterakademie sehr aktiv mitzuwirken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Helen He- berer SPD: Bitte nicht!)

Kompliment dafür! Immerhin ist das ein Vorhaben, das seit vielen Jahren in Planung ist und das wir am heutigen Tage erfolgreich abschließen wollen, zumindest was die gesetzliche Grundlage angeht.

In den letzten Wochen wurde dieses Thema auch in der öffentlichen Berichterstattung sehr kontrovers dargestellt. Ich bin froh, dass wir jetzt wieder eine sehr sachorientierte, nüchterne Betrachtung haben. Insbesondere danke ich allen Fraktionen, dass sie dieses Projekt in jeder Phase bislang sehr konstruktiv und wohlwollend begleitet haben. Ausdruck dafür ist nicht nur der Gesetzentwurf, den wir vonseiten der Landesregierung eingebracht haben, sondern auch der Entschließungsantrag, den die Fraktionen von CDU und FDP/DVP vorgelegt haben. Alle Fraktionen des Parlaments können feststellen, dass ihre Interessen und Belange in diesen Entschließungsantrag aufgenommen wurden. Ich danke dafür ausdrücklich und sehe diesen Entschließungsantrag nicht als Misstrauen gegen die Regierung an, sondern vielmehr als Ermutigung, als Zeichen des Aufbruchs, dass die Regierung und die beteiligten Partner weiterhin entlang dieser Linie verhandeln sollen.

Im Übrigen glaube ich auch, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass es gut ist, wenn wir heute diesen Gesetzentwurf in sehr großer Geschlossenheit verabschieden, weil damit gegenüber der Schauspielschule und der Musikhochschule in Stuttgart das ganz klare Signal gegeben wird, dass wir die Erwartung haben, dass sie als Kooperationspartner zur Verfügung stehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, mit der Verabschiedung des Gesetzes werden die Grundlagen für die Gründung der Akademie geschaffen.

Wieso ist es so wichtig, dass wir diesen Gesetzentwurf noch vor der parlamentarischen Sommerpause verabschieden? Wir wollen zum Wintersemester 2008/09 die ersten Studierenden an der Akademie aufnehmen. Bereits Anfang 2008 sollen die Aufnahmeverfahren beginnen. Die kommenden Monate müssen genutzt werden, um dafür die entsprechenden Vorbereitungen zu treffen. Es sind Studien- und Prüfungsordnungen zu erlassen. Das Curriculum, das Ihnen ja vorliegt, muss weiter konkretisiert werden.

Ferner brauchen wir natürlich auch das notwendige Lehrpersonal. Wir wollen hochkarätiges Lehrpersonal für die Theater akademie bekommen, insbesondere auch Lehrbeauftragte, die aus der Praxis kommen. Denn die Praktiker können angehenden Schauspielern sicherlich am meisten zeigen und ganz neue Projekte hier in Baden-Württemberg initiieren.