Meine Damen und Herren, man baut in Frankreich 300 km TGV-Strecke in kürzester Zeit, man bohrt 60 km bei der Magistrale Antwerpen–Genua durch den Gotthard – und in Deutschland diskutiert man und diskutiert man. Man stellt seitens der Grünen Madigmacheranträge und beschäftigt sich mit Verhinderungsdiskussionen, wie wir das von Ihnen auch heute wieder vorgegeben bekommen haben.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Boris Palmer GRÜ- NE schüttelt den Kopf. – Abg. Brigitte Lösch GRÜ- NE: Und was macht die FDP?)
Wir brauchen Baden-Württemberg 21, und zwar umgehend und ohne Wenn und Aber. Wir brauchen Baden-Württemberg 21 mit dem Durchgangsbahnhof und der Neubaustrecke Stuttgart–Ulm ebenso dringlich wie den Ausbau der Rheintalstrecke mit dem dritten und vierten Gleis, und zwar mit Lärmschutz, meine Damen und Herren.
Auch dort darf es nicht sein, dass diese Magistrale Antwerpen–Genua weiter verzögert wird. Bei der Rheintalstrecke sind vor allem der Bund und die Bahn mehr gefordert, als sie dies wahrhaben wollen, meine Damen und Herren. Herr Drexler, da sind wirklich auch der Bundesverkehrsminister und die Bahn mehr gefordert, die dort endlich eine auch für den Güterverkehr rentable Zukunftsinvestition vorwärtsbringen müssen. Nebenbei bemerkt haben wir auch noch einen Staatsvertrag zu erfüllen.
„Leg dich quer, dann bist du wer“ – mit dieser Strategie – inhaltlich häufig daneben – haben Sie, Herr Palmer, als verkehrspolitischer Sprecher der Grünen dem Standort BadenWürttemberg unter dem Strich mehr geschadet als gedient.
Politik beginnt mit der Wahrnehmung der Wirklichkeit, und deshalb bin ich gespannt, wie Sie sich als Oberbürgermeister zukünftig mit der örtlichen Verkehrspolitik in Tübingen beschäftigen, wo Sie darüber mitentscheiden werden, ob die
Schlaglöcher in der Ortsverbindungsstraße Tübingen–Kirchentellinsfurt beseitigt werden, oder was Sie zur Erneuerung der ausgetretenen Steintreppe in der Bursagasse hinunter zum Neckar tun werden.
Erstens: Das Jahrhundertprojekt Baden-Württemberg 21 hat eine immense Bedeutung für die wirtschaftliche und die gesellschaftspolitische Entwicklung des ganzen Landes BadenWürttemberg,
Zweitens: Baden-Württemberg 21 ist integraler Bestandteil des europäischen Hochgeschwindigkeitsnetzes und muss schnellstens umgesetzt werden.
Drittens: Die Verwirklichung von Baden-Württemberg 21 wird Straße und Luftverkehr wirksam und dauerhaft entlasten und ist ein Gesamtkonzept.
Viertens: Die Direktverbindungen zum Flughafen und zur Neuen Messe geben dem Messestandort Baden-Württemberg und der Region Stuttgart ein einmaliges Alleinstellungsmerkmal.
Fünftens: Der Tiefbahnhof ermöglicht es auch im Regional- und Personennahverkehr nachweislich – und das haben Sie, Herr Drexler, gerade nachgewiesen –, Betriebsabläufe zu optimieren und Fahrzeiten zu verkürzen.
Nur das Gesamtkonzept kann verhindern, dass Baden-Würt temberg in den Verkehrsschatten gerät. Die FDP/DVP-Fraktion dankt dem Ministerpräsidenten, aber auch der SPD für das Engagement in Berlin. Sie dankt dafür, dass für das Projekt eingestanden wurde und dass jetzt am Schluss bei der Finanzierung flexibel reagiert wurde.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Die Grü- nen haben sich endgültig als Bahnpolitiker verab- schiedet!)
(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Doch! – Heiterkeit – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Die Uhr ist abgelaufen! – Zuruf des Abg. Michael Theurer FDP/ DVP)
Aber das brauchen Sie auch nicht. Die übliche Gepflogenheit heißt zwar: „Boris Palmer redet immer.“ Aber Ihre letzte Rede, lieber Kollege Palmer, hat schon etwas Tragikomisches. Wenn ich es mir überlege, dann könnte die Überschrift lauten: „Grüne gegen Schiene“ – und dies ausgerechnet von Boris Palmer vorgetragen.
Ich hätte Ihnen, lieber Boris Palmer, in der Tat einen heldenhafteren Abgang von der Bühne des Parlaments gewünscht.
Aber ich mache mir da keine Illusionen oder Sorgen – je nachdem, wie Sie es sehen –: Man wird auch aus Tübingen von Ihnen hören. Wo Palmer ist, ist Bühne.
Ihre Große Anfrage, Herr Kollege Palmer, beschäftigt sich einmal mehr mit unzähligen Detailfragen und eisenbahntechnischen Fragen. Ich erspare es mir und auch Ihnen, hierauf zum soundsovielten Mal im Detail einzugehen. Die Antwort der Landesregierung können Sie nachlesen. Nach dem Fragenkatalog, den Sie heute ausgebreitet haben, weiß ich nicht, ob Sie an den Antworten wirklich interessiert sind.
Meine Bitte an die Fraktion GRÜNE lautet: Nehmen Sie endlich zur Kenntnis, dass die Fragen der Verkehrsabwicklung, der Kapazität des Durchgangsbahnhofs, der Auswirkungen auf Fahrzeiten und Ähnliches mehr in zahlreichen Studien untersucht, bewertet, vom Eisenbahnbundesamt geprüft und die Angaben letztlich für stimmig befunden wurden. Auch wenn das Ergebnis – das kann ich nachvollziehen – Sie nicht befriedigt: Es wird sich nicht mehr ändern. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass die Wirtschaftlichkeitsberechnung durch einen externen Wirtschaftsprüfer überprüft wurde.
Zumindest das Falscheste von dem, was Sie gesagt haben, muss ich korrigieren: Nehmen Sie auch zur Kenntnis, dass der Finanzierungsanteil der Bahn nicht 10 % beträgt, sondern erheblich größer ist. Sie lassen den Verkauf der Grundstücke außer Acht.
Die DB bringt mehr als 50 %. Lassen Sie also diese bewusste Irreführung sein. Es ist auch kein Glaubenskrieg, den wir hier führen, jedenfalls dann nicht, wenn Sie sich einmal die Mühe machen, auch die Vorteile zu sehen: die Anbindung des Flughafens, eine Runderneuerung im Nahverkehr. Das alles ist Teil eines großen Projekts der Verkehrsinfrastruktur für dieses Land. Dazu gehört auch die Rheintalschiene.
Aber ich weise darauf hin und pflichte Ihnen, Herr Kollege Drexler, ausdrücklich bei: Die Neubaustrecke ist ebenso wie das dritte und vierte Gleis der Rheintalschiene eine Sache des Bundes. Wenn Sie sich das einmal vergegenwärtigen: Wir haben mit Stuttgart 21 die Ost-West-Magistrale und mit der Rheintalschiene eine Nord-Süd-Magistrale. Beides ist unverzichtbar für dieses Land.
Ich rechne mit einer positiven Entscheidung für Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Stuttgart–Ulm und damit für BadenWürttemberg 21. Das letzte Gespräch mit Herrn Minister Tiefensee, meine Damen und Herren Kollegen, war ausgesprochen konstruktiv. Die Überprüfung der Wirtschaftlichkeitsberechnung der DB AG durch den Bund hat keine Beanstandungen ergeben. Sie haben recht, bei dem ersten Gespräch blieben Fragen offen. Aber inzwischen sind alle Fragen zufriedenstellend und positiv beantwortet.
Ich habe mit diesem Ergebnis auch gerechnet. Sie erlauben mir, noch einmal darauf hinzuweisen, dass der Bund dies natürlich auch deutlich früher hätte feststellen können.
Wir haben aber jetzt eine vom Bund anerkannte, verlässliche Entscheidungsgrundlage. Einige Detailfragen sind noch zu klären – Herr Kollege Drexler hat zwei davon angesprochen –; dazu gehört auch das Thema Risikovorsorge. Das will ich auch noch einbringen.
Ich habe bereits in der letzten Debatte zu diesem Thema angemerkt, dass nach Einschätzung eines von uns eingeschalteten Planungsbüros bei Stuttgart 21 ein Kostensteigerungsrisiko in Höhe von 300 Millionen € realistisch zu sein scheint. Sollte sich dieses Risiko verwirklichen, so wird nach der vorliegenden Wirtschaftlichkeitsberechnung der Großteil dieser Summe – wenn nicht gar die ganze Summe – durch die Risikovorsorge der DB AG abgedeckt sein.
Es ist unredlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, und für die anstehenden Schlussverhandlungen im Übrigen auch nicht hilfreich, wenn die von der Landesregierung aus Steuermehr einnahmen gebildeten Rücklagen für Stuttgart 21 als zusätzliche Beteiligung des Landes an Stuttgart 21 bezeichnet werden. Das ist einfach unredlich.
Darum geht es hier gerade nicht. Wir treffen lediglich Vorsorge für die finanziellen Belastungen, die sich aufgrund der jetzigen Situation insbesondere für die Vor- oder Mitfinanzierung der Neubaustrecke ergeben. Dass die nicht gering sind, ist uns allen bekannt.
Wir sind mitten in den abschließenden Gesprächen für die Realisierung. Ich bitte daher um Verständnis, wenn wir noch keine konkreten Zahlen nennen können. Jede zu nennende Zahl würde nur einen momentanen Stand beschreiben. Ich sehe keinen Sinn darin, ständig neue Zahlen in die Öffentlichkeit zu geben.