Protocol of the Session on December 13, 2006

(Minister Ernst Pfister)

Schließlich, meine Damen und Herren, letzter Punkt: Die Verzahnung ist angesprochen worden. Das ist absolut richtig. Auch ich bin der Meinung, wenn jemand eine vollschulische Ausbildung macht, also z. B. ein Berufskolleg I oder ein Berufskolleg II absolviert,

(Zuruf des Abg. Gunter Kaufmann SPD)

dann ist es völlig richtig, dass Teile dieser Ausbildung auch auf die anschließende duale Ausbildung angerechnet werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Doppelmoppel!)

Genau das, meine Damen und Herren, ist zwischen der Politik – Kultusministerium, Wirtschaftsministerium – und den Kammern vereinbart worden.

(Abg. Gunter Kaufmann SPD: Das wird aber nicht praktiziert! – Gegenruf des Abg. Dr. Friedrich Bul- linger FDP/DVP: Doch!)

Dies wird jetzt selbstverständlich praktiziert.

(Zuruf des Abg. Gunter Kaufmann SPD – Abg. Dr. Carmina Brenner CDU: Das hat die SPD halt noch nicht mitbekommen! – Abg. Paul Nemeth CDU: Da müssen sie halt zur IHK gehen! – Abg. Dr. Carmi- na Brenner CDU: Ja! Handwerkskammern! Wenn man sich bei den Gewerkschaften herumdrückt, kriegt man das nicht mit!)

Es ist absolut richtig, dass dies gemacht wird. Sie werden erleben, dass auf diese Art und Weise tatsächlich auch eine Verbesserung bei dieser Verzahnung erreicht wird.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Lehmann?

Gern.

Bitte, Herr Abg. Lehmann.

Herr Minister Pfister, ist Ihnen bekannt, dass das Berufseinstiegsjahr nicht an der Hauptschule, sondern an den beruflichen Schulen angesiedelt ist, also nach der Hauptschule erfolgen soll

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das weiß er schon!)

und somit natürlich auch das BVJ in diesem Bereich ersetzen soll?

Nein, das glaube ich nicht. Sie wissen, dass das BVJ den Versuch macht, auf verschiedenen Berufsfeldern eine gewisse Qualifikation zu erreichen.

(Zuruf des Abg. Norbert Zeller SPD)

Mit diesem Berufseinstiegsjahr wird der notwendige Versuch unternommen – ich habe es schon angesprochen –, ge

rade in den Bereichen Deutsch und Mathematik, in denen es zumindest oft Defizite gibt, die Defizite abzubauen.

(Zuruf des Abg. Norbert Zeller SPD)

Insofern ist das eine richtige Maßnahme.

Meine Damen und Herren, ich habe zu Beginn gesagt: Nichts ist so gut, dass es nicht besser sein könnte. Aber was die Jahre 2006 und 2007 angeht, glaube ich auch mit Blick auf die Zukunft sagen zu können, dass Baden-Württemberg sich hervorragend schlägt. Ich möchte sehr herzlich all denjenigen danken, die nicht nur durch theoretischen Rat dazu beigetragen haben, dass wir diese Situation erreicht haben. Ich möchte vor allem denjenigen danken, die letzten Endes dafür verantwortlich sind, dass Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt werden: Das ist die baden-württembergische Wirtschaft, die sich in der Vergangenheit wirklich vorbildlich und hervorragend verhalten hat.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Genau! – Abg. Dr. Carmina Brenner CDU: Daran war die SPD aber nicht schuld!)

Für die SPD-Fraktion erhält Herr Abg. Kaufmann das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ein junger Mensch, der sich noch um eine berufliche Erstausbildung bemüht, die heutige Debatte, insbesondere die Beiträge der Abgeordneten aus den Koalitionsfraktionen, verfolgt hat, dann bin ich mir nicht sicher, ob er sich in seinem Anliegen noch ernst genommen fühlt.

(Beifall bei der SPD)

Wir hatten die Landesregierung mit unserem Antrag aufgefordert, eine ernste Bewertung der augenblicklichen Situation vorzunehmen. Beschönigungen helfen uns hier in der Tat nicht weiter. Wenn wir noch einmal auf die Fakten schauen, dann gilt es einfach festzustellen: 50 % – die Hälfte – der Bewerber um Lehrstellen bewirbt sich schon im zweiten, dritten oder vierten Jahr.

(Zuruf der Abg. Dr. Carmina Brenner CDU)

Das kann man beklagen, Herr Minister – so haben Sie das gesagt –, oder man kann handeln.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Ich darf Sie aber ganz bescheiden darauf hinweisen, dass wir bereits im Jahr 2003 rund 40 % Altbewerber hatten

(Minister Ernst Pfister: Das weiß ich doch!)

und dass sich die Situation inzwischen verschlechtert hat. Insofern war Ihr Handeln in diesem Falle nicht gegeben,

(Beifall bei der SPD)

denn es hat sich in diesem Punkt nichts verbessert.

(Abg. Dr. Carmina Brenner CDU: 2003 hatten wir auch keinen Aufschwung! Die Zusammenhänge in der Wirtschaft zu kennen ist manchmal kein Feh- ler!)

Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass das durchschnittliche Einstiegsalter in die Ausbildung mittlerweile bei 19 Jahren liegt. So etwas gibt es in ganz Europa nicht. Da ist Deutschland in der Tat einmalig. Die euphemistischen Botschaften, die Sie hier verkünden, verschleiern die kritische Situation, in der wir uns befinden, und helfen uns nicht weiter.

(Abg. Stephan Braun SPD: So ist es!)

Ich will noch einmal auf die vorliegenden Zahlen zurückkommen. Wir haben in diesem Jahr – so steht es auch in der Stellungnahme zu unserem Antrag – 175 700 Schulabgänger. Wir haben zusätzlich 40 900 Altbewerber. Wir können damit rechnen, dass in diesem Jahr etwa 70 000 Ausbildungsverträge unterschrieben werden. Was macht der Rest der jungen Leute? Sie sagen, nur 5 % der Bewerber seien unversorgt. Was macht der Rest? Der Rest verschwindet in einem neuen System, das wir mittlerweile neben der dualen Ausbildung aufgebaut haben. Neben der vollzeitschulischen Ausbildung haben wir ein Übergangssystem geschaffen, in das mehr junge Leute hineingehen als in die duale Ausbildung. Das darf nicht sein.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

„Übergangssystem“ wird mittlerweile als verbale Neuschöpfung für „Warteschleife“ gebraucht. Das ist für die Betroffenen die zweite oder dritte Wahl, aber keine Versorgung.

(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Carmina Brenner CDU: Wenn es denen aber hilft, ist es besser, als wenn sie auf der Straße stehen!)

Es ist keine Versorgung in deren Sinn, da sie sich um einen Ausbildungsplatz bemüht haben. Ich habe nichts dagegen, dass weiterhin die Schule besucht wird. Aber wenn es das primäre Ziel war, einen Ausbildungsplatz zu erhalten, ist es eben nicht das, was man sich gewünscht hat.

Jetzt sage ich Ihnen, wie es in der Schule tatsächlich ist. Ich kann Ihnen zig konkrete Beispiele nennen. Berufskolleg, Informations- und Kommunikationstechnik, Beispiel Mannheim: Unterricht über zwei Jahre mit 15 Stunden praktischem Anteil. Man kommt mit mittlerer Reife mit 16 Jahren rein. Es kommen dann zwei Jahre Unterrichtszeit dazu. Mit 18 Jahren macht man endliche eine Ausbildung als Fachinformatiker, aber ohne Anrechnung, sodass also noch einmal dreieinhalb Jahre an Ausbildungszeit hinzukommen. Das ist die Praxis.

(Abg. Ute Vogt SPD: Ja!)

Es kann nicht sein, dass wir das alles doppelt finanzieren und sich die Wirtschaft weigert, die schulische Ausbildung anzurechnen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Natürlich „parken“ die Jugendlichen auch im BVJ. Hier haben wir eine Vermittlungsquote von 20 %. Das sieht die Mehrheit der Betroffenen als Warteschleife, die ihnen nicht weiterhilft.

Wenn Sie jetzt das EQJ anführen, muss ich Ihnen sagen – Sie haben es selbst erwähnt –: Die Hälfte der Teilnehmer im EQJ hat Abitur oder mittlere Reife. Wenn da 60 % vermittelt werden, was bleibt für die Hauptschüler übrig? Das Gleiche wie im BVJ.