Protocol of the Session on December 13, 2006

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Ui!)

Davor wollen wir warnen und ganz deutlich machen, dass dieses Gesetz so nicht verabschiedet werden darf.

(Beifall bei der SPD)

Zu den Umsätzen habe ich das Nötige schon gesagt. Was Arbeitsplätze betrifft, so werden Ihnen alle Stellungnahmen beispielsweise des Bäckereihandwerks aus berufenem Mund bestätigen, dass dies zum Abbau von Vollarbeitsplätzen und zur Einführung von Teilzeitarbeitsplätzen führen wird.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Wollen wir nicht die Quote von Teilzeit steigern?)

Was die Frau Sozialministerin – oder war es Herr Rombach, ich weiß es gar nicht mehr – zur Vereinbarkeit von

Familie und Beruf von sich gegeben hat, das war doch wohl nicht ihr Ernst:

(Beifall bei der SPD)

Morgens der Vater und nachts die Frau, oder wie stellen Sie sich das vor, dass Vereinbarkeit stattfinden soll? Dass das keinen Sinn macht, das wissen Sie selbst. Es macht unter keinem denkbaren Aspekt Sinn, auch nicht unter dem Aspekt des Ehrenamts. Sie heben das Ehrenamt immer heraus. Meine Damen und Herren, wie soll Ehrenamt denn funktionieren können, wenn ich regelmäßig nach 20 Uhr zu arbeiten habe?

Verschiedene Menschen machen sich schon Gedanken darüber, ob digitale Preisschilder eingeführt werden, die nach 20 Uhr 10 % mehr anzeigen, oder ob man eine generelle Preiserhöhung einführt. Sie wollen doch nicht vermitteln, dass dieses Gesetz verbraucherfreundlich ist.

(Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP: Doch! Man kann auch zum Bäcker statt zur Tankstelle gehen! – Gegenruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD: Was? Benzin saufen? – Unruhe bei der SPD)

Auf Ihren Zwischenruf, wo man hingehen könnte, fällt mir die Anfrage der FDP/DVP ein, in der sie begründet, warum man die Ladenöffnungszeiten verändern solle: weil nämlich das Internet zu neuen Formen zwinge. Herr Dr. Noll, ich will mal sehen, wie Sie Ihre rote Wurst oder Ihr warmes Brezele übers Internet bestellen, wenn Sie nachts um eins Lust haben, etwas zu essen. Das hat sich mir noch nicht erschlossen.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Warme Brezele sind nicht gesund! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Wenn junge Leute um 21 Uhr noch Hunger haben, wo gehen sie dann hin?)

Sehr geehrte Damen und Herren, Schlussgesang. Ich weiß, dass es auch in den Parteien der Regierungskoalition grummelt,

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Was? Was Sie alles wissen! Da bin ich erstaunt! – Gegenruf des Abg. Reinhold Gall SPD: Das höre ich doch bis hierher!)

und zwar nicht nur wegen der Sonntage; die will ich jetzt gar nicht bemühen. Ich will auch gar keine Namen nennen, Herr Pauli, Herr Wolf, Frau Netzhammer.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Sind das keine Na- men? – Abg. Karl Zimmermann CDU: Hallo! Noch ein paar mehr!)

Sie wissen, wie bei Ihnen diskutiert wird, und Sie wissen, dass Sie in Ihrem Wahlkreis teilweise in Presseartikeln medial gegen die Öffnung der Ladenschlusszeiten auftreten. Seien Sie also mutig genug, sich auch hier deutlich zu positionieren – in der Fraktion, in der Öffentlichkeit –, um gemeinsam mit uns etwas zu verhindern, was eine echte Fehlentwicklung in Baden-Württemberg darstellt und BadenWürttemberg insgesamt schadet.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Ich wäre vorsichtig mit diesen Aussagen!)

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Sitzmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Sozialministerin hat gerade den Gesetzentwurf der Landesregierung, dessen Überschrift nun „Entwurf eines Gesetzes zur Ladenöffnung“ lautet, begründet. Lassen Sie mich deshalb mit einem Zitat aus einer Pressemitteilung der Sozialministerin vom 14. Februar dieses Jahres zum Thema „Ladenöffnungszeiten während der Fußballweltmeisterschaft“ beginnen. Die Überschrift lautet: „Gemeinden sollen flexibel, verantwortlich und situationsbezogen entscheiden“. Weiter heißt es:

„Der baden-württembergische Weg ist im Gegensatz zu den starren Regelungen manch anderer Bundesländer flexibel und situationsgerecht. Er ermöglicht bürgernahe Ladenöffnungen und berücksichtigt die unterschiedliche Betroffenheit der Gemeinden.“

Meine Damen und Herren, diese Aussagen vom Februar dieses Jahres unterstützen wir nachdrücklich. Sie gelten nicht nur während der Fußballweltmeisterschaft, sondern das Subsidiaritätsprinzip, das eine gute und wichtige Tradition in diesem Land hat, gilt auch für die zukünftige Regelung der Ladenöffnungszeiten. Deshalb sagen wir: Lasst die Kommunen im Land den Ladenschluss je nach Bedarf selbst regeln.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Am Sonntag ja, aber sonst nicht!)

Die Frau Ministerin hat angeführt, sie wolle mehr Freiheit geben. Wir sagen: Diese Freiheit, dieser Gestaltungsspielraum, diese Möglichkeiten sind bei den Kommunen richtig aufgehoben, weil es je nach Region unterschiedliche Interessen der Händler gibt. Es gibt unterschiedliche Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher, und die Kommunen müssen sich darauf einstellen können und dem Rechnung tragen können. Wir müssen den Kommunen auch den erforderlichen Spielraum geben, weil beispielsweise Kommunen, die in der Nähe der Grenze zu einem anderen Bundesland liegen – ich nenne als Beispiel Kommunen im Rhein-Neckar-Raum –, die Möglichkeit haben müssen, sich im Rahmen von Regionalverbänden und Lenkungsgremien über Landesgrenzen hinweg regional abzustimmen. Wir müssen den Kommunen diesen Spielraum geben, weil schließlich sie es sind, die die Infrastruktur schaffen müssen.

Die Frau Ministerin hat gesagt, die langen Einkaufsnächte seien ein großer Publikumsrenner. Damit ergibt sich aber auch das Problem –

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Dass die Leute nicht mehr schlafen können!)

das konnten wir jetzt nach der letzten langen Einkaufsnacht in Stuttgart nachlesen –, dass viele Beschäftigte bei spätem

Ladenschluss nicht mehr mit dem ÖPNV nach Hause kommen. Der ÖPNV und die Müllentsorgung sind zwei Bereiche, in denen die Kommunen ihre Infrastruktur bei längeren Öffnungszeiten anpassen müssen. Deshalb brauchen die Kommunen den Spielraum, selbst zu entscheiden.

Mit unserem Vorschlag, der der Wahrung des Subsidiaritätsprinzips verpflichtet ist, haben die Kommunen ein Instrument, um die Innenstädte oder Siedlungskerne zu stärken. Sie können wohnortnahe Versorgung sichern, einheitliche Öffnungszeiten vor Ort gewährleisten und die unterschiedlichen Interessen der kleinen und mittelständischen Betriebe sichern. Sie wissen alle, dass das Echo auf eine Freigabe der Öffnungszeiten an Werktagen sehr geteilt ist. Der Handwerkstag beispielsweise hat dies entschieden abgelehnt. Mit unserem Instrument, mit der Möglichkeit, dass die Kommunen per Satzung erweiterte Öffnungszeiten beschließen, kann all dem Rechnung getragen werden.

Deshalb werden wir im Zuge der Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung die entsprechenden Änderungsanträge einbringen. Wir streben Folgendes an: Bei den Öffnungszeiten wird an der bisherigen Regelung festgehalten – an Werktagen kann zwischen 6 und 20 Uhr geöffnet sein –, und zusätzlich erhalten die Gemeinden die Möglichkeit, durch entsprechende Satzungen erweiterte Öffnungszeiten für einen Teil des Gemeindegebiets oder auch für eine bestimmte Zeit festzulegen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Da muss man vor- her den Bürgermeister anrufen, ob offen ist!)

Damit werden wir genau dem Motto gerecht, das die Ministerin im Februar hier eingebracht hat, nämlich dass die Gemeinden flexibel, verantwortlich und situationsbezogen entscheiden sollen.

(Beifall bei den Grünen)

Noch ein Wort zum Thema Sonntagsschutz. Wir haben viel Eigenlob vom Kollegen Rombach gehört. Tatsache ist aber, dass wir im jetzt vorliegenden neuen Gesetzentwurf der Landesregierung im Vergleich zum alten Entwurf weniger und nicht mehr Sonntagsschutz haben.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Wieso?)

Sie wollen nun drei Sonntage für die Verkaufsöffnung freigeben statt, wie ursprünglich geplant, zwei Sonntage. Auch mit diesen zwei verkaufsoffenen Sonntagen pro Jahr war die Ministerin sehr zufrieden;

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Bisher vier, Frau Sitzmann!)

das hatte sie auch schon im September gesagt. Insofern ist das Lob – Eigenlob ist immer schwierig –, das Sie sich in diesem Fall für Ihre „Konsequenz“ gegeben haben, fehl am Platz. Wir bleiben bei unserer Position: Stärkung des Sonntagsschutzes, zwei offene Sonntage und nur in Ausnahmefällen ein dritter. Damit bleiben wir der Position, die wir bislang immer vertreten haben, treu

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Und Advent? Was ist mit Advent?)

und geben Ihnen die Möglichkeit, in den Beratungen Ihrer Position treu zu bleiben.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Was ist mit Ostern und Advent? Nichts!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Noll.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen mit diesem Entwurf der Landesregierung nach 50 Jahren Ladenschlussgesetz heute zu einem Gesetz zur Ladenöffnung.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Ich finde, das ist für unser Land ein guter Tag. Die Koalition im Land zeigt im Vergleich zu anderen Koalitionen, z. B. der im Bund – bei der Einbringungsrede der Frau Ministerin wurde das klar –, dass sie in ihrer grundsätzlichen Denkweise übereinstimmt, dass sie sich z. B. nicht nur in Sonntagsreden über Deregulierung auslässt, sondern tatsächlich auch fragt: Müssen Dinge, die wir bisher geregelt haben, weiterhin geregelt werden?

(Zurufe von der SPD, u. a. des Abg. Reinhold Gall)

Wenn sie nicht mehr geregelt werden müssen, dann ist es notwendig, auf eine gesetzliche Regelung zu verzichten und die Entscheidung freizugeben.