Protocol of the Session on November 9, 2006

(Beifall bei allen Fraktionen)

Ich darf auch der Landeswahlleiterin sowie ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die zügige Bearbeitung der ihr von uns übersandten Anfragen danken.

Der Wahlprüfungsausschuss beendet mit dem heutigen Tag seine Arbeit. Wir sind damit sechs Monate nach Beginn der Wahlperiode mit dem Wahlprüfungsverfahren am Ende. Mir ist hier auch wichtig festzuhalten, dass wir – anders als das bei anderen Parlamenten in unserem Land der Fall ist – unseren Auftrag sehr zeitnah nach der Wahl erledigt haben. Ich danke allen, die zu dieser zügigen Arbeit beigetragen haben. Auch das dient einer zügigen Bearbeitung von Einsprüchen gegen eine Wahl und einer korrekten Durchführung der Wahlprüfung.

Herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Für die SPD-Fraktion erhält Herr Abg. Stickelberger das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich bei Ihnen, Herr Kollege Herrmann, bedanken. Sie haben als Vorsitzender des Wahlprüfungsausschusses die Verhandlungen zügig geleitet. Ich glaube, wir haben im Geiste guter Zusammenarbeit auch die richtigen Entscheidungen getroffen; dafür herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen)

Die Landtagswahl ist korrekt abgelaufen. Sie haben das ausführlich dargelegt. Die Wahlvorschriften sind beachtet worden. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich betonen, dass es seitens der SPD-Fraktion insoweit nichts zu kritisieren gibt. Vielmehr möchte ich mich dem Dank an die Landeswahlleiterin und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Innenministeriums für die korrekte Durchführung der Wahl anschließen. Ich möchte mich natürlich auch bei den zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern bedanken, die sich in den Wahllokalen in den Städten und Gemeinden beteiligt und zur zügigen Durchführung dieser Landtagswahl beigetragen haben.

(Beifall bei der SPD und der CDU sowie des Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP)

Ich möchte mich im Folgenden auf den Sammeleinspruch – Buchstabe i dieses Tagesordnungspunkts – beschränken,

weil dort wesentliche Fragen angesprochen wurden, denen Sie sich vorhin auch zugewandt haben, Herr Kollege Herrmann, und die auch im Ausschuss eine große Rolle gespielt haben.

Die Intention dieses Sammeleinspruchs war nicht, das Wahlverfahren und die Wahl an sich infrage zu stellen, sondern den Weg zum Verfassungsgericht, zum Staatsgerichtshof zu eröffnen, um das Wahlrecht einer verfassungsrechtlichen Prüfung unterziehen zu können. Diese Intention ist legitim. Das Gesetz sieht nun einmal keinen anderen Weg als Möglichkeit vor, um zum Staatsgerichtshof zu gelangen. Deshalb, meine ich, müssen wir uns auch mit den Gründen und Argumenten auseinandersetzen, die einen solchen Einspruch letztlich tragen.

Dazu möchte ich zur Rolle des Parlaments bemerken: Wir sind nicht nur ein Gremium, das formale Abläufe prüft. Wenn ein solcher Sammeleinspruch verfassungsrechtlich und ausführlich begründet wird, stehen wir auch in der Pflicht, uns mit diesen Fragen zu beschäftigen. Dabei kommt es natürlich nicht darauf an, dass wir als Parlament letztlich über die Verfassungsmäßigkeit des Wahlrechts befinden. Das steht uns nicht an. Aber wir als Parlament sind auch aufgerufen, dafür Sorge zu tragen, dass das Wahlrecht verfassungskonform und gerecht ist. Wir haben auch die Pflicht, das Wahlrecht weiterzuentwickeln, wenn dafür Bedarf besteht.

(Beifall bei der SPD – Abg. Peter Hofelich SPD: Sehr richtig!)

Dabei sind wir als Parlament im Rahmen unser Gestaltungsfreiheit natürlich an die Vorgaben der Verfassung gebunden, aber wir haben auch Gestaltungsspielraum und sollten den nutzen. Ich glaube, vor dem Hintergrund der Begründung der Sammeleinsprüche ist es geboten, sich mit den einzelnen Fragen, die dort angesprochen wurden, auseinanderzusetzen und als Parlament zu prüfen, wie wir das Wahlrecht in diese Richtung fortentwickeln können.

Es ist ja nicht nur eine Frage für Verfassungsjuristen, eine Frage von juristischen Details, sondern es gibt handfeste, praktische Diskussionen zu diesem Wahlrecht, wie sie auch in der Öffentlichkeit, in den Medien geführt werden.

Ich darf nur wenige Elemente aufzählen, die auch verfassungsrechtlich von Bedeutung sind. Das ist einmal die unterschiedliche Größe der Wahlkreise. Der Unterschied zwischen dem kleinsten und dem größten Wahlkreis beträgt 55 000 Wahlberechtigte. Wir haben bei dieser Landtagswahl Bewerber gehabt, die, obwohl sie eine sehr hohe Prozentzahl erreicht haben – einer davon ist ein Einsprecher in diesem Sammeleinspruch –, gleichwohl nicht diesem Parlament angehören, während Bewerber mit wesentlich niedrigeren Prozentzahlen ein Mandat erreicht haben.

Wir haben den unbefriedigenden Zustand – das ist bereits angeklungen –, dass wir durch das Wahlsystem letztlich immer die größte Fraktion, die größte Partei begünstigen, und das gleich mehrfach. Wir haben das Phänomen, dass zum Beispiel für ein Mandat der FDP/DVP etwa 28 000 Stimmen benötigt wurden, während für ein Mandat, das die CDU erlangt hat, 25 000 Stimmen ausgereicht haben. Das darf und kann nicht auf Dauer so bleiben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP – Zuruf des Abg. Ha- gen Kluck FDP/DVP)

Dabei will ich natürlich sagen: Ich will das nicht so sehr konkret auf die Parteien beziehen. Das kann sich ja bei der nächsten Wahl ohne Weiteres ändern. Das werden wir dann sehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Richtschnur für den Gestaltungsspielraum, den wir bei der Änderung des Wahlrechts ausnutzen können und ausnutzen sollten, gibt uns die Verfassung vor – die Landesverfassung –, aber auch das Bundesverfassungsgericht, das Bundeswahlrecht und natürlich die Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs, die schon angesprochen wurde. Vor diesem Hintergrund wurde ja auch schon bisher Änderungsbedarf gesehen. Ich darf daran erinnern, dass die Regierungsparteien in der letzten Legislaturperiode im Hinblick auf den letzten Wahltermin eine Änderung der Wahlkreise vorgenommen haben und einige wenige Wahlkreise in ihrer Größe korrigiert haben, um dieser 25-%-Grenze Rechnung zu tragen.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Unter anderem deswe- gen!)

Diese Änderung ist natürlich vor dem Hintergrund dessen, was aus unserer Sicht verfassungspolitisch geboten ist, völlig unzureichend. Die bisherige Korrektur bedarf einer erheblichen Ergänzung. Das wird ja auch so kommen. Ich komme noch darauf zurück.

In der Tendenz ist diese Korrektur, wie sie in der letzten Periode im Hinblick auf den letzten Wahltermin eingeleitet wurde, auch richtig. Allerdings ist sie unter Vorzeichen zustande gekommen, die wir inhaltlich und methodisch nicht gutheißen. Ich hoffe und wünsche mir, dass bei der künftigen Weiterentwicklung, was die Wahlkreisgrößen und das Wahlsystem angeht, unter Beachtung der verfassungsrechtlich gebotenen Vorgaben sachliche Gründe die ausschlaggebende Rolle spielen.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Sonst braucht man nichts zu machen!)

Ich möchte ausdrücklich an eine Aussage erinnern, die die Kollegin Berroth in der maßgeblichen Sitzung in der letzten Wahlperiode gemacht hat.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Wir kennen das!)

Herr Zimmermann, Sie kennen das vielleicht. Aber ich möchte es trotzdem noch einmal in Erinnerung rufen:

(Abg. Jörg Döpper CDU: Wir kennen es auch!)

Ich sage es jetzt so, wie ich es mir aufgeschrieben habe, weil ich nach wie vor dazu stehe: Erfreulicherweise ist es uns gelungen, eine Lösung zu finden, die allen Abgeordneten, die jetzt diesem Landtag angehören und für die nächste Legislaturperiode wieder kandidieren wollen, eine reelle Chance gibt, diesen Sitz auch wieder zu erringen.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Aber vielleicht langt es trotzdem nicht!)

So kann es in Zukunft sicher nicht weitergehen, um den verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung zu tragen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Stickelberger, lassen Sie eine Frage der Frau Abg. Berroth zu?

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Herr Stickelberger, das hat aber nicht gestimmt!)

Herr Kollege Stickelberger, stimmen Sie mir zu, dass meine Formulierung „eine reelle Chance hat“ durchaus auch beinhaltet, dass man nicht in den Landtag kommen kann – was das Wahlergebnis auch bestätigt hat? Genau so war mein Satz gedacht.

(Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE – Zurufe von der SPD)

Frau Kollegin Berroth, ich bin Ihnen dankbar für diese Klarstellung.

(Heiterkeit bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Reinhold Gall SPD: Jetzt hat sie nochmals bestätigt, was Absicht war!)

Ich bin Ihnen auch deswegen dankbar, weil es nämlich, wenn Wahlgesetze – wie andere Gesetze auch; ich meine das jetzt völlig ernst – zur Prüfung anstehen und der verfassungsrechtlichen Prüfung unterliegen,

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Jeder Bewer- ber hat eine reelle Chance!)

nicht nur auf den Wortlaut eines Gesetzes ankommt, sondern auch auf den Zweck des Gesetzes, auf die Gesetzesmaterialien und die Motivation des Gesetzgebers. All dies spielt für die Auslegung einer Bestimmung eine Rolle, wenn sie einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhalten soll. Dann halte ich es nicht für angebracht, wenn man auf diesem Weg oder mit diesen Argumenten und Motiven eine Wahlrechtsänderung herbeiführt. Das muss schon hieb- und stichfest verfassungsrechtlich auf sicherem Boden stehen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Lassen Sie mich noch einen Satz zur Wahlkreisgröße sagen. Die Koalitionsvereinbarung sieht ja vor, dass hier Änderungen vorgenommen werden, dass man die Größe der Wahlkreise an diese 15-%-Grenze anpasst. Das ist auch dringend geboten. Das Bundeswahlrecht sieht das ja vor. Herr Kollege Herrmann, Sie haben auf die Rechtslage im Bund hingewiesen. Ich glaube, es ist auch der richtige Weg, das zu tun.

Es wird sicher auch erforderlich sein, die Zahl der Wahlkreise zu reduzieren, wobei uns, ehrlich gesagt, nicht einleuchtet, warum man dies in einem zweistufigen Verfahren macht. Die eine Korrektur soll für die Landtagswahl 2011 erfolgen, die Anpassung der Wahlkreise im Hinblick auf

diese Begrenzung, die ich genannt habe, soll aber erst 2016 erfolgen. Ich glaube, Wahlrecht braucht auch Kontinuität.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb scheint es mir wichtig, dass wir es im Laufe dieser Legislaturperiode schaffen, gemeinsam in diesem Hohen Haus ein Wahlrecht aus einem Guss auf die Beine zu stellen. Dabei sind wir durchaus offen bei der Frage, ob man bei der Zweitauszählung nach absoluten oder prozentualen Stimmen ausrechnet. Wir meinen, das sollte man im Einzelnen prüfen. Möglicherweise bietet sich auch eine Kombination aus beiden Elementen einer Zweitauszählung an. Dann würde man beiden Systemen, der prozentualen Auszählung und der Auszählung nach absoluten Stimmen, die massiven Ausschläge, die Ungerechtigkeiten in der Spitze nehmen. Das sollte man im Einzelnen prüfen. Ich glaube auch, man sollte dann abstellen, dass nach wie vor die größte Fraktion oder die größte Partei gleich mehrfach bevorzugt wird.

Wir als SPD-Fraktion stellen uns ein Wahlrecht mit folgenden Elementen vor: Bei der Größe der Wahlkreise sollte allenfalls eine Abweichung von 10 bis 15 % zulässig sein. Darüber besteht in der Tendenz auch Einigkeit in diesem Haus. Wir können uns ein Wahlsystem vorstellen, das eine Erst- und eine Zweitstimme vorsieht, um auch dem persönlichen Profil eines Kandidaten in der Wahlentscheidung durch die Erst- und Zweitstimme mehr Geltung zu verschaffen. Wir können uns vorstellen, dass eine gerechtere Auszählung möglich wird. Wir wollen dringend eine Wahlrechtsänderung aus einem Guss und nicht in zwei Stufen verteilt auf mehrere Jahre. Das habe ich bereits gesagt.