j) Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses zum Einspruch des Herrn H. D., Esslingen, vom 17. Mai 2006 – Drucksache 14/457
Bevor ich die Aussprache eröffne, bitte ich um Ihr Einverständnis, dass wir zu zwei Beschlussempfehlungen des Wahlprüfungsausschusses sofort die Entscheidung des Landtags herbeiführen. Es handelt sich dabei um die Beschlussempfehlungen unter den Buchstaben e und j.
In diesen zwei Wahlprüfungsverfahren sind nämlich die Abgeordneten Wolfgang Drexler und Christa Vossschulte, Abgeordnete aus dem Wahlkreis Esslingen, jeweils Beteiligte im Sinne des § 6 Abs. 1 des Landeswahlprüfungsgesetzes und deshalb gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 4 Abs. 5 des Gesetzes von jedweder Mitwirkung bei
Ich gehe davon aus, dass zu diesen zwei Wahleinsprüchen keine Aussprache von Ihnen gewünscht wird. Außerdem stelle ich fest, dass die beiden betroffenen Abgeordneten nicht anwesend sind bzw. sich an der Abstimmung nicht beteiligen.
Ich lasse deshalb zunächst abstimmen über die Beschlussempfehlung unter Buchstabe e: Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses zum Einspruch des Herrn D. I., Esslingen, vom 29. April 2006, Drucksache 14/452. Wer stimmt zu? Ich bitte um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Beschlussempfehlung ist einstimmig zugestimmt.
Ich lasse jetzt abstimmen über die Beschlussempfehlung unter Buchstabe j: Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses zum Einspruch des Herrn H. D., Esslingen, vom 17. Mai 2006, Drucksache 14/457. Wer stimmt zu? Ich bitte um das Handzeichen. – Danke. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Beschlussempfehlung ist damit einstimmig zugestimmt.
Wir kommen damit zur Beratung der Buchstaben a bis d und f bis i mit den Beschlussempfehlungen des Wahlprüfungsausschusses, Drucksachen 14/448, 14/449, 14/450, 14/451, 14/453, 14/454, 14/455 und 14/456.
Das Präsidium hat für die Erörterung der Beschlussempfehlungen des Wahlprüfungsausschusses eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion festgelegt, wobei gestaffelte Redezeiten vereinbart wurden.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Wahlprüfungsausschuss hat sich in drei Sitzungen mit den insgesamt zehn Einsprüchen gegen die Landtagswahl befasst. Von den ursprünglich elf Einsprüchen ist einer wieder zurückgezogen worden, sodass wir zehn Wahleinsprüche zu beraten hatten.
Zu allen Einsprüchen haben wir eine Stellungnahme der Landeswahlleiterin eingeholt und dann die Ihnen vorliegende Beschlussempfehlung erarbeitet.
Lassen Sie mich zu drei einzelnen Themenkomplexen, die bei den Wahleinsprüchen eine Rolle gespielt haben, einige wenige Bemerkungen machen.
Zunächst zu zwei Einsprüchen, die die Frage behandeln, ob alle in die Wählerlisten eingetragenen Eingebürgerten auch tatsächlich wahlberechtigt waren oder ob sie nicht durch Wiederannahme ihrer alten Staatsangehörigkeit die deutsche Staatsangehörigkeit und damit ihr Wahlrecht wieder verloren hatten. Zwei dieser Wahleinsprüche haben sich, wie gesagt, mit dieser Thematik befasst; denn das Landtagswahlgesetz schreibt vor, dass nur Deutsche bei der Landtagswahl wahlberechtigt sind. Deutsche, die nach dem 31. Dezember 1999 auf ihren Antrag ohne vorherige Beibehaltungsgenehmigung eine ausländische Staatsangehörig
keit erworben haben, verlieren nach unserem Staatsangehörigkeitsgesetz kraft Gesetzes die deutsche Staatsbürgerschaft und sind damit nicht wahlberechtigt. Betroffen sind hiervon unter anderem Personen türkischer Herkunft, die im Anschluss an die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband ihre türkische Staatsangehörigkeit wieder zurückerworben haben.
Zu diesem Themenkomplex hat das Innenministerium überzeugend dargelegt, dass im Vorfeld der Bundestagswahl und im Vorfeld der Landtagswahl mehrere Fragen- und Informationskampagnen durchgeführt wurden und alle rechtlich und tatsächlich zur Verfügung stehenden Aufklärungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden, um zu erreichen, dass möglichst keine Personen, die nicht wahlberechtigt sind, an der Wahl teilnehmen.
Die beiden Einsprüche gegen die Wahl waren in dieser Frage auch nicht ausreichend substantiiert. Es haben konkrete Angaben gefehlt, wo möglicherweise jemand fälschlicherweise an der Wahl teilgenommen hat. Von daher konnte der Wahlprüfungsausschuss zu diesem Themenkomplex einstimmig feststellen, dass der Wahleinspruch zurückzuweisen ist.
Einen zweiten Punkt will ich noch ansprechen, um auch einmal deutlich zu machen, womit sich ein Gremium des Landtags alles befassen muss: Ein in Paraguay wohnender deutscher Staatsbürger hat die Bundestagswahl und die Landtagswahl angefochten mit der Begründung, dass sich der deutsche Staat weigere, seine Adoptionen und Vaterschaftsanerkennungen zu beurkunden. Er habe in Paraguay über 600 volljährige Kinder, deren Vaterschaft er anerkenne
Da nach dem baden-württembergischen Landtagswahlrecht im Ausland lebende Deutsche kein Wahlrecht haben, ist auch hier der Wahlprüfungsausschuss einstimmig zu dem Ergebnis gekommen, dass dieser Wahleinspruch als unzulässig zurückzuweisen ist.
Aus diesem Grund, Herr Kollege Palmer. Wenn dieser Grund zutrifft, dann braucht man sich nicht unnötig Arbeit zu machen und weitere Gründe zu prüfen.
Das ist Verwaltungsvereinfachung. Diesen Hinweis sollten Sie als künftiger Oberbürgermeister von Tübingen mitnehmen.
(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Das überzeugt mich! – Abg. Jörg Döpper CDU: Das wollte er jetzt bloß hören!)
Zum dritten Punkt: Acht Wahlkreiskandidaten der SPD, die nicht gewählt worden sind, und weitere Bürger, die in den Wahlkreisen dieser Wahlkreiskandidaten wohnen, haben
Wahleinspruch eingelegt. Sie rügen, dass die Zahl der Wahlkreise und ihre Abgrenzung und die Verteilung der Sitze auf die Parteien nach ihrer Auffassung nicht den Geboten der Wahlrechtsgleichheit, der Erfolgswertgleichheit der Stimmen und der Chancengleichheit der Bewerberinnen und Bewerber entspreche.
Hierzu hat der Wahlprüfungsausschuss eine öffentliche Anhörung durchgeführt. Die Argumente, die dort ausgetauscht worden sind, sind im Protokoll über diese öffentliche Sitzung enthalten, das der Landtagsdrucksache 14/456 beigefügt ist und dort nachgelesen werden kann.
Der Wahlprüfungsausschuss kam mehrheitlich zu dem Ergebnis, dass der Einspruch zurückzuweisen ist, und zwar aus folgendem Grund: Im Wahlprüfungsverfahren ist es nicht Aufgabe, die Verfassungsmäßigkeit des Wahlgesetzes zu prüfen. Hierum geht es den Einsprechenden. Die Prüfung, ob das Landtagswahlgesetz verfassungsgemäß ist oder nicht, obliegt ausschließlich dem Staatsgerichtshof. Den Einsprechenden steht aber erst dann der Weg zum Staatsgerichtshof offen, wenn der Wahlprüfungsausschuss den Einspruch zurückgewiesen hat. So viel zur Rechtslage. Da keine Punkte angesprochen worden sind, die im Wahlprüfungsverfahren eine Rolle spielen, haben wir diesen Wahleinspruch mehrheitlich zurückgewiesen.
Zum einen zu der Größe der Wahlkreise: Die derzeit gültige Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs von 1990 geht davon aus, dass die Größe der Wahlkreise um höchstens 33 1/3 % nach oben oder nach unten von der durchschnittlichen Wahlkreisgröße abweichen darf. Neuere Rechtsprechungen des Bundesverfassungsgerichts besagen für die Bundestagswahlkreise, dass eine Änderung erfolgen soll, wenn die Abweichung nach oben oder nach unten mehr als 15 % beträgt – bezogen auf die durchschnittliche Bevölkerungszahl der Wahlkreise –, und dass die Abweichung nicht mehr als 25 % nach oben oder nach unten betragen darf.
Basis für die Größe der Wahlkreise im Land ist jeweils die Zahl der Wahlberechtigten bei der vorangegangenen Landtagswahl. Bei dieser Landtagswahl, um die es jetzt geht, haben alle 70 Wahlkreise eine Abweichung, die nach oben oder nach unten weniger als 25 % beträgt, bezogen auf die durchschnittliche Zahl der Wahlberechtigten in den Wahlkreisen bei der Wahl 2001, die Basis ist für die Wahl 2006. Insofern ist hier also keine Abweichung von der bisher gültigen Rechtslage im Land erfolgt.
Zu dem zweiten Punkt, der gerügt wird, der Verteilung der Sitze auf die Parteien: Der Staatsgerichtshof hat mehrfach festgestellt, dass die bei uns praktizierte Sitzverteilung verfassungsgemäß ist. Das d’hondtsche Auszählverfahren ist nach allgemeiner Rechtsüberzeugung ein zulässiges Auszählverfahren. Es begünstigt minimal größere Parteien. Das ist bekannt.
Der Landtag hat für die nächste Landtagswahl 2011 beschlossen – ohne dass dafür eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit besteht –, dass dann das Auszählverfahren nach Sainte-Laguë/Schepers angewandt wird, das nicht zu den Verzerrungen führt, die das d’hondtsche Verfahren in minimalem Umfang mit sich bringt.
Zur Frage der Zweitauszählung darf ich auf die bisherige Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs verweisen. Der Staatsgerichtshof macht nämlich deutlich, dass die Zweitausteilung nicht die Funktion hat, eine gerechtere Repräsentation der Wahlkreise bzw. ihrer Wähler im Parlament zu gewährleisten. Denn die Ausgleichssitze würden zwar an Wahlkreisbewerber gegeben, aber nicht in deren Eigenschaft als Wahlkreisabgeordnete. Die bei der Zweitausteilung
zum Zug gekommenen Bewerber repräsentieren nicht nur die Wähler ihrer Partei im eigenen Wahlkreis, sondern repräsentieren alle Wähler ihrer Partei im Regierungsbezirk.
Diejenigen, die im Wahlkreis direkt gewählt werden, sind Vertreter der Wähler des Wahlkreises im Land, während die über die Zweitausteilung – so heißt der Begriff, Frau Kollegin Berroth – ins Parlament gelangten Bewerber die Wähler im Regierungsbezirk repräsentieren.
Von daher sind die Bestimmungen des Landtagswahlgesetzes über die Verteilung der Sitze bei der Zweitauszählung und bei der Zweitausteilung der Stimmen verfassungsgemäß.
Die Koalitionsvereinbarung von CDU und FDP/DVP sieht vor, dass wir überlegen und in die Diskussion einbringen werden, bei der Zweitauszählung die Verteilung künftig nicht mehr nach absoluten Zahlen, sondern nach den Prozentergebnissen vorzunehmen. Dann spielt die Größe der Wahlkreise eine sehr viel geringere Rolle, als dies beim jetzigen Wahlrecht der Fall ist.
Der Einspruch, der von den Wahlberechtigten und den Wahlbewerbern eingelegt wurde, wurde vom Wahlprüfungsausschuss, wie gesagt, mehrheitlich zurückgewiesen. Den Einsprechenden ist damit erneut die Möglichkeit gegeben, das Wahlrecht vor dem Staatsgerichtshof überprüfen zu lassen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend zusammenfassend sagen – ich nehme an, dass ich das als Vorsitzender des Wahlprüfungsausschusses für das gesamte Parlament sagen darf –: Bei uns ist die Landtagswahl außerordentlich korrekt abgelaufen.
Die Durchführung korrekter Wahlen ist ein elementar wichtiger Bestandteil eines demokratischen Staates. Bei uns hat die korrekte Durchführung von Wahlen auch eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit all denen danken, die an der Vorbereitung, Durchführung und Nacharbeit der Landtagswahl beteiligt waren und damit dazu beigetragen haben, dass es so korrekt zugegangen ist, nämlich den vielen ehrenamtlich Mitwirkenden in den Wahlorganen bei der Zulassung von Bewerbern, bei der Garantie, dass der Ablauf der Wahl im Wahllokal und die Auszählung der Stimmzettel ordnungsgemäß nach Recht und Gesetz und ohne Pannen erfolgt. Diesen Dank kann man, glaube ich, im Namen aller aussprechen.