Protocol of the Session on November 9, 2006

Aber Sie betteln die Wirtschaft ja dauernd an: Sie betteln um die Gewährung von Stipendien zur sogenannten Abfederung der sozialen Folgen der Studiengebühren. Sie betteln fürs Kinderland. Sie betteln um Millionen, um das Haus Baden vor der Insolvenz zu bewahren und Handschriften und Kunstwerke zu erwerben.

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Was sind Ihre Vor- schläge? Positiv denken!)

Wer mit privaten Sponsoren so umgeht, der muss sich die Frage gefallen lassen, wo dieser zwei-, vielleicht sogar dreistellige Millionenbetrag herkommen soll.

(Beifall bei der SPD – Abg. Werner Pfisterer CDU: Ewiggestrige!)

Ich habe das Thema getroffen. Ich merk’s, Herr Pfisterer.

Drittens zur Frage der Umsetzung: Schon bei der mündlichen Vorstellung des Plans Ende September im Wissenschaftsausschuss, durch unseren Antrag erzwungen, wurde klar, dass der Masterplan zwar konkret aussieht, aber dennoch sehr vage ist. Der Staatssekretär sprach im Ausschuss von einer „atmenden“ Planung. Das heißt, dass alles permanent den wechselnden Notwendigkeiten angepasst wird,

und zwar solchen, die vom Wissenschaftsministerium vorgegeben werden.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Flexibel! Die SPD erstarrt!)

Neben dem Windhundprinzip erwartet Hochschulen und Wirtschaft nun ein völlig intransparenter Planungs- und Entscheidungsprozess. Auf diese Weise wird Qualität fraglich und schon gar nicht Akzeptanz erzeugt.

Die Kriterien zur Entscheidungsgrundlage sind so wachsweich und vage, dass sich darauf keine Hochschule und kein Unternehmer verlassen kann. Keiner der Beteiligten, deren Vorschlag im Masterplan gar nicht erst berücksichtigt wurde, weiß, warum er keine Gnade fand. Ebenso wenig herrscht Klarheit über die inhaltlichen Gründe für die Aufnahme in die erste Tranche. Es beginnt der Kampf um Berücksichtigung und um Fürsprecher aus der Politik. Kaum meldet sich eine Region, die sich im Masterplan benachteiligt fühlt, schlägt Ministerpräsident Oettinger vor, dass nachgesteuert wird und mehr neue Studienplätze geschaffen werden. Was für ein Gewurschtel!

(Abg. Ursula Haußmann SPD: So ist es! Aber das sind wir mittlerweile gewöhnt! – Abg. Werner Pfis- terer CDU: Aber komischerweise stehen wir in Ba- den-Württemberg gut da!)

Die aktuellen Erfahrungen mit der Kahlschlagsplanung der Universität Mannheim lassen nichts Gutes erwarten im Hinblick auf das Handeln der Landespolitik. Der Wissenschaftsminister reagierte weder auf Proteste betroffener Professoren oder Studierender noch auf die der Stadt und erst recht nicht auf den SPD-Antrag.

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Freiheit der Hoch- schulen!)

Erst ein Beschluss des Mannheimer CDU-Kreisvorstands, dessen Vorsitzender er ist, war für ihn Grund genug, ein Gespräch mit dem Rektor zu führen. Ich kann nur sagen: blamabel.

(Beifall bei der SPD – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Um die CDU-Ortsvereine kümmern wir uns nicht auch noch!)

Nun zum vierten Punkt, zu den Ausbauschwerpunkten. Ihr Diktum vom Frühjahr, Herr Minister, „kein Ausbau der Geisteswissenschaften“ ist wissenschaftlich unverantwortlich und sachlich unbegründet.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dieses Diktum war ein Grund, die Regionalkonferenzen zum Ausbau in die Hände der IHKs zu legen. Logisch, dass überproportional viele Vorschläge für wirtschaftsnahe, technische Studiengänge vorliegen. Mit Mühe konnten pädagogische Hochschulen, Musik- und Kunsthochschulen Konzepte einbringen. Die Universitäten fanden nach kurzer Schreckstarre doch noch Handlungsspielräume.

Nun entwickeln sich aber Interessen und Begabungen der Studierfähigen nicht so, wie Sie es ihnen gerne vorzugeben wünschen. Im Gegenteil, seit Jahren verteilen sich die Studienanfänger fast gleichmäßig auf die Studienbereiche

Sprach- und Kulturwissenschaften, Mathematik und Naturwissenschaften sowie Ingenieurwissenschaften mit jeweils 21 %. Bei den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sind es insgesamt 27 %. Sie wissen doch selbst: Trotz aller Bemühungen gelang es den Hochschulen in der Vergangenheit nicht, Studierende von überlaufenden in nur spärlich nachgefragte Studiengänge umzuleiten. Begabungen lassen sich nicht erzwingen. Interessen müssen früh geweckt werden. Dazu ist es jetzt zu spät. Gesellschaftliche Bedürfnisse entwickeln sich anders als prognostiziert.

Ich sage Ihnen im Namen der SPD-Fraktion: Es ist grundfalsch, die Geistes- und Kulturwissenschaften zu vernachlässigen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE)

Und das nicht nur, weil sich die Landesregierung bei Fragen der Bedeutung von historischen Kulturgütern sonst noch öfter blamiert, sondern vor allem, weil diese Wissenschaften einen grundsätzlich wichtigen Beitrag für uns als Kulturnation leisten, und nicht zuletzt, weil Menschen mit diesen Studienabschlüssen auf allen Ebenen unserer Gesellschaft wichtig und unverzichtbar sind.

Fünftens zur Frage des Wettbewerbs um Ausbildungsplätze: Kamen 1970 noch fast 100 % der Auszubildenden von den Haupt- und Realschulen, hat heute fast ein Fünftel aller Ausbildungsanfänger eine Hochschulzugangsberechtigung – mit steigender Tendenz.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Die Rede hat ein Geis- teswissenschaftler geschrieben, das ist klar!)

Damit ist klar: Der Verdrängungswettbewerb auf dem Ausbildungsmarkt ist in vollem Gange. Künftig fehlende Studienplätze werden diese Situation noch zuspitzen, und Hauptschüler haben dann gar keine Chance mehr. Das dürfen wir nicht zulassen.

(Beifall bei der SPD)

Ich fasse zusammen: Wie wir die Entwicklung der Zukunftschancen der jungen Menschen in unserem Land fördern, beobachten Eltern, Schülerinnen und Schüler aller Schularten, nicht nur der Gymnasien, mit Sorge. Zu Recht erwarten sie von uns den nötigen Weitblick und entschlossenes Handeln. Sie erwarten konkrete, klar erkennbare, verlässliche Schritte für alle, um zu verhindern, dass sich die spätere Geburt als Strafe – und nicht nur als Nachteil – auswirkt. Sie erwarten, dass sich das Parlament dieser Aufgabe stellt. Wir sind dazu bereit.

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Sie haben nichts da- zu gesagt! Sie sind nur bereit, aber nicht in der La- ge!)

Wir wollen den Hochschulen wirklich Chancen zur Zukunftssicherung geben, und wir wollen eine Verbesserung der Exzellenz. Es reicht nicht aus, wenn Abgeordnete als Gäste zu Konferenzen geladen werden und bei den Haushaltsberatungen lediglich über die Programmsumme abstimmen, die Regierungserklärung zu diesem Thema aber allgemein bleibt.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Sehr allgemein!)

Der Prozess um die Konkretisierung dieses deutlich verbesserungsbedürftigen Masterplans ist das zentrale hochschul- und ausbildungspolitische Thema für unser Land und muss uns deshalb auch im Parlament immer wieder an zentraler Stelle beschäftigen. In diesem Sinn freuen wir uns auf viele weitere konstruktive Diskussionen.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Pfisterer.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Jetzt wird alles gut!)

Wenn es sein muss: jawohl. – Im Namen der Landesregierung danke ich Herrn Minister Professor Frankenberg für die ausführlichen Ausführungen zum Ausbauprogramm „Hochschule 2012“.

(Lachen bei der SPD – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Wieso im Namen der Landesregierung? – Zu- ruf des Abg. Reinhold Gall SPD – Beifall des Abg. Jörg Döpper CDU – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das Parlament spielt keine Rolle mehr! – Weitere Zurufe)

Der Landtagsfraktion, Entschuldigung.

Der deutsche Lyriker Emanuel von Bodman hat einmal gesagt – –

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, seien Sie doch etwas gelassener. Der Tag ist noch lang.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Er hat gesagt: „Man muss vieles übersehen, um schauen zu können.“ Dies gilt besonders für die Politik und in ganz besonderer Weise für die Hochschulpolitik. Unser Wissenschaftsministerium mit Minister Frankenberg an der Spitze leistet hier hervorragende Arbeit. Die heutige, umfassende und klarstellende Regierungserklärung zeigt, dass die Landesregierung nicht nur den Überblick hat, sondern Herausforderungen frühzeitig erkennt, anpackt und handelt. Ministerpräsident Oettinger nimmt hier eine Vorreiterrolle ein, und das macht er hervorragend. Dafür herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD: Namens der Landesregierung! – Unruhe bei der SPD)

Sie sind anscheinend aufgeregt, weil Sie vorhin nichts gesagt haben. Ich sage nun einmal etwas. Aufpassen!

(Abg. Reinhold Gall SPD: Sie haben auch nichts gesagt, außer Lobeshymnen abzulassen!)

Was notwendig ist, kommt noch entsprechend, meine Herren.

Der doppelte Abiturjahrgang 2012 und der demografische Wandel werden uns in der Tat fordern. Aber das wissen

wir, und wir sind darauf vorbereitet. Ausdrücklich teile ich die Auffassung von Herrn Frankenberg, der sagt, dass durch die ansteigenden Studierendenzahlen eine große Chance für das Land gegeben ist.

Die CDU-Fraktion ist der Meinung, dass es von immenser Bedeutung ist, wenn Wirtschaft, Gesellschaft und Hochschulen gemeinsam Zukunftsperspektiven entwickeln. Dies kann nicht nachdrücklich genug gefordert und gefördert werden. Es geht hier nicht nur um die Zukunftschancen der jungen Generation, es geht um die Zukunftschancen unseres Landes. Das ist der entscheidende Punkt dabei.