Protocol of the Session on March 2, 2011

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Sind wir jetzt bei G 8 oder bei der Vorschule?)

Lieber Herr Dr. Mentrup, ich hoffe, ich zitiere Sie jetzt rich tig. Sie haben auf der „didacta“ gesagt, Sie finden, dass es zu viele fremde Experten in den Kindergärten gibt. Sie haben ausdrücklich unser Projekt „Singen – Bewegen – Sprechen“ mit den Musikschulen und Musikvereinen im Land kritisiert.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Sie müssen sich entscheiden: Entweder Sie wollen das Ehren amt stärken und dem Ehrenamt die Möglichkeit geben, auch im Bereich der frühkindlichen Bildung Fuß zu fassen und da mit z. B. das Thema Musik in die Familien hineinzubringen, oder Sie wollen dies nicht.

(Zuruf: Sehr gut!)

Aber auf der einen Seite dort zu sagen, wo es passt, wo die Leute sitzen und applaudieren, man wolle dies haben, und auf der anderen Seite zu sagen, es gebe zu viele externe Experten an Schulen und Kindergärten, das passt nicht zusammen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: SPD! Mal so, mal so!)

Das Thema ist wichtig, frühkindliche Bildung ist wichtig. Wir haben ein Modell. Wir waren uns – wenn ich mir die Wahl programme anschaue, kann ich dies erkennen – im Ziel im Grunde eigentlich einig. Über den Weg kann man diskutieren. Wir meinen, dass wir den Kindern mit einer flächendecken den Umsetzung des Projekts Bildungshaus den allergrößten Gefallen tun.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Flächendeckende Um setzung? Was ist das für ein Witz!)

Das ist finanzierbar, es ist umsetzbar, es ist erprobt. Die Wis senschaft hat zugestimmt.

Ich verweise noch einmal darauf: Ich höre aus den Kommu nen diesbezüglich nur Zustimmung. Ich freue mich ausdrück lich darüber, dass die Stadt Mannheim bei diesen Zustimmern ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr schön!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Mentrup.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Trifft sich gut!)

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Hoffmann, lassen Sie mich den Ball auf nehmen und zunächst über die frühkindliche Bildung spre chen.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Darüber reden wir doch!)

Nach fast 20 Jahren Rechtsanspruch auf eine Kindergarten betreuung für Drei- bis Sechsjährige – damals wurde dies un ter der Überschrift „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ und in Anbetracht der zurückgehenden Kinderzahlen eingeführt – stelle ich fest: Wir haben im Bundesvergleich heute noch im mer eine der niedrigsten Frauenbeschäftigungsquoten.

(Widerspruch bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Birgit Arnold FDP/DVP: Stimmt gar nicht!)

Seit zehn Jahren diskutieren wir darüber, dass 30 % der Kin der beim Übergang auf die Grundschule Sprachdefizite haben. Wir haben eine ganze Reihe von Projekten und Programmen erlebt mit dem Ergebnis, Herr Hoffmann, dass nach wie vor 30 % der Kinder Sprachdefizite haben, wenn sie auf die Grundschule kommen. Die Wissenschaft sagt uns, dass unse re Sprachförderung zu spät beginnt, das sie zu punktuell ist, dass wir integrativere Projekte brauchen und dass wir diese vor allem früher brauchen. Auch an dieser schlechten Aus gangssituation von vor zehn Jahren hat sich nichts geändert.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Seit fünf Jahren arbeiten wir an einem Bildungsplan. Er heißt Orientierungsplan und ist von allen anerkannt. Ein wesentli ches Merkmal dieses Orientierungsplans ist die Elternarbeit. Denn wir alle haben mittlerweile erkannt, dass es ohne Eltern arbeit nicht geht. Jetzt ist dieser Orientierungsplan nach lan ger Diskussion nicht verbindlich eingeführt worden, die Rah menbedingungen reichen nicht aus, um die Qualität zu si chern, und die Elternarbeit hat man sich herausverhandeln las sen.

(Zuruf des Abg. Andreas Hoffmann CDU)

Auch das ist kein guter Zwischenschritt, Herr Hoffmann.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Wir diskutieren jetzt über die frühkindliche Bildung auch un ter dem Aspekt des Fachkräftemangels. Wie wollen wir unse ren Wirtschaftsstandort halten? Dazu sagen sowohl der Inno vationsrat als auch McKinsey, dass wir mittlerweile zwar bei der Kinderbetreuung – quantitativ gesehen – im bundesdeut schen Mittelfeld liegen, dass aber nur ein Angebot von Ganz tagsplätzen geeignet ist, diese Zukunftsaufgabe zu lösen. Bei de Berichte, die Sie selbst angefordert haben, schreiben die ser Landesregierung in das Stammbuch, dass es unerträglich ist, dass wir bei der Ganztagsbetreuung von Kindern im Alter von bis zu drei Jahren, zwischen drei und sechs Jahren sowie zwischen sechs und zehn Jahren letzte Plätze in der Bundes republik Deutschland einnehmen. Auch das ist eine Klatsche für Ihre Politik.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Wir diskutieren auch darüber, dass wir die Arbeit der Erzie herinnen und Erzieher aufwerten müssen und dass wir sie von der Qualifizierung her verbessern müssen.

(Abg. Andreas Hoffmann CDU: Bildungspläne ge ändert! – Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, Sie haben Studienplätze einge führt. Es gibt aber noch immer kein abgestimmtes Konzept, welche Berufsbezeichnung diejenigen, die dieses Studium ab geschlossen haben, überhaupt führen dürfen. Das wollen Sie in diesem Jahr bundesweit regeln. Warum haben Sie es nicht im letzten Jahr landesweit geregelt, als die entsprechenden Absolventinnen und Absolventen auf der Straße standen? Sie haben bis heute nicht geklärt, mit welcher Besoldung an wel cher Stelle diese Menschen in den Kindertagesstätten über haupt arbeiten sollen. Auch an dieser Stelle haben Sie keinen wesentlichen Zwischenschritt erreicht.

Die meisten dieser Absolventen – Herr Hoffmann, Sie wissen das – haben am Ende ihres Studiums keinen Arbeitsplatz ge habt, weil niemand wusste, wo sie überhaupt eingesetzt wer den sollten.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Lassen Sie uns daher hier nicht über das große Ablenkungs manöver „Einheitlicher Bildungsplan vom dritten bis zum zehnten Lebensjahr im Jahr 2020“ diskutieren, sondern las sen Sie uns über die Ziele diskutieren, die wir zum Teil seit 20 Jahren kennen und von denen Sie am Ende dieser Legis laturperiode keines erreicht haben. Wir haben ein Projektsam melsurium, Herr Hoffmann. Darauf bezog sich meine Kritik am Projekt „Singen – Bewegen – Sprechen“. Ich habe über haupt nichts gegen dieses Projekt – fachlich –, aber die Kin dertagesstätten sagen mir zum Teil: Wir verzichten darauf, weil wir nicht allmählich die Manager von Projektideen wer den wollen und unsere Kinder nur noch von Projektstunde zu Projektstunde zu Projektstunde schieben wollen.

(Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Wir wollen ausreichende Rahmenbedingungen haben, um das alles im Rahmen unseres Orientierungsplans selbst zu ma chen. Wir haben ein Projektsammelsurium.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Sie haben mit Ihrer bisherigen Umsetzung der Projekte einen Flickenteppich an Qualität in diesem Land erzeugt. Es gibt Tagesstätten, die an zwei oder drei Projekten teilnehmen, es gibt Tagesstätten, die an keinem einzigen Projekt teilnehmen und teilweise auch nicht teilnehmen können, weil sie die Rah menbedingungen überhaupt nicht haben. Damit erfüllen Sie nicht den Auftrag einer einheitlichen Qualititätssicherung der Bildung für alle Kinder in diesem Land.

Sie haben ein ungeklärtes Kompetenzproblem zwischen So zialministerium und Kultusministerium, und zeitweise treibt Sie auch noch der Integrationsbeauftragte vor sich her. Das haben wir in den letzten Jahren oft genug erlebt. Auch das – Herr Hoffmann, das haben Sie verschwiegen; schade – wur de auch von den anderen Beteiligten bei der besagten Podi umsdiskussion auf der „didacta“ als großes Problem angespro chen.

Sie haben mit der haushaltstechnischen Abwicklung der früh kindlichen Bildung das mit Sicherheit unterfinanzierteste Zu kunftsprojekt in diesem Land. Das ganze Projekt Bildungs haus ist im Wesentlichen über Fördermittel, die vom Bund ka men, finanziert worden. Der ganze Komplex „Schulreifes Kind“ und Sprachförderung wird aus den Lehrerpersonalstel len im Haushalt entnommen. Da können Sie doch nicht be haupten, Sie hätten diese Projekte und diese Ziele wirklich ab gesichert.

Die frühkindliche Bildung ist weiter ein ungeklärter Streit punkt zwischen Kommunen und Land. Zu dem Zeitpunkt, zu dem Sie das alles umsetzen wollen, drohen die Kommunen mit Klage. Was für ein Zustand ist denn das? Und Sie zeigen, dass Sie von der politischen Führung her, die in diesem Be reich sicherlich besonders erforderlich ist, nicht in der Lage sind, hier ein klares Ziel mit allen Beteiligten einmal so soli de durchzuplanen und durchzuorganisieren, dass die gesteck ten Ziele erreicht werden können.

Deshalb, meine Damen und Herren: Ich bin froh, dass die Er zieherinnen und Erzieher draußen eine so gute Arbeit machen. Aber an Ihnen liegt das an dieser Stelle sicher wahrlich über haupt nicht.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Lösch.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Es sollte ein großer Wurf werden: das Gesamtkonzept zur frühkindlichen Bildung, das die Kultus ministerin, Frau Schick, seit Herbst letzten Jahres angekün digt hat. Ich selbst sage es gleich am Anfang: Es ist kein gro ßer Wurf geworden. Es ist enttäuschend. Als Tiger gestartet, als Bettvorleger gelandet.

(Oh-Rufe von der CDU)

Ich kann es nicht anders sagen. Da hilft auch die gesamte char mante Rhetorik nichts.

(Beifall bei den Grünen – Unruhe bei der CDU)

Lesen Sie nur das Wahlprogramm der Grünen. Da können Sie viel lernen, Kollege Hoffmann.

(Abg. Andreas Hoffmann CDU: Nichts steht darin, gar nichts!)

Dabei wird ein Gesamtkonzept dringend gebraucht und auch von vielen schon lange gefordert. Denn der Bereich der früh kindlichen Bildung umfasst eigentlich nur Baustellen: Aus bau und Qualität der Kleinkindbetreuung, Umsetzung des Ori entierungsplans, Qualifizierung und Weiterbildung der Erzie herinnen, Fachkräftemangel, Umsetzung der Sprachförderung, zahlreiche Projekte – die Krankheit „Projektitis“ herrscht bei uns in Baden-Württemberg –, darunter das Projekt „Schulrei fes Kind“, das Projekt „Singen – Bewegen – Spielen“

(Abg. Christa Vossschulte CDU: Sprechen! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Nicht „Spielen“, Frau Lösch!)